Olaf Scholz über den Wahlkampf „Könnte jeden Tag gegen die Wand treten“

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz stützt die Pläne von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zum Arbeitslosengeld – lobt aber die Agenda 2010. Bei anderen Themen wird der sonst nüchterne Hanseat emotional.

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Er wäre selbst gern Kanzlerkandidat geworden. Quelle: dpa

Hamburg Der Hamburger Bürgermeister und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Olaf Scholz hat sich hinter die Pläne gestellt, die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds für Bezieher in Weiterbildungsmaßnahmen zu verlängern. „Das ist im Sinn des Prinzips ‚Fördern und Fordern‘“, sagte Scholz mit Bezug auf ein Schlagwort der Agenda 2010 des früheren sozialdemokratischen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, die die Arbeitslosenversicherung eingeschränkt hat. Die neuen Pläne stammen von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und von Kanzlerkandidat Martin Schulz.

Scholz sagte beim Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten, wenn man „den Kanzlerkandidaten textlich untersucht“, finde man keinen Beleg für die These, dieser wolle sich von der Agenda-Politik insgesamt lossagen. Scholz war zur Zeit der Agenda-Reformen SPD-Generalsekretär und später Bundesarbeitsminister. „Wir werden eine Antwort auf die Frage geben müssen, wie man auch mit 45 Jahren noch den Beruf wechseln kann“, sagte Scholz. „Ohne einen robusten Sozialstaat lassen sich die Globalisierung und die noch bevorstehende Digitalisierung nicht anstellen“, mahnte er – und verwies darauf, gerade die Agenda-Politik habe die Sozialsysteme zukunftsfest gemacht.

Zu einer möglichen Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene äußerte sich der Politiker skeptisch. „Die Partei Die Linke hat nicht an innerparteilichen Debatten hinter sich gebracht, was dazu nötig ist, ein großes EU- und Nato-Land zu führen“, sagte er. Das sei anders als bei den Grünen vor dem Beginn der Rot-Grünen Koalition 1998. Scholz prognostizierte, die SPD werde nach der Bundestagswahl ausreichend Koalitions-Optionen haben.

Scholz warnte zudem davor, die wirtschaftliche Lage Deutschlands im Wahlkampf zu dramatisieren. „Man kann über Deutschland im Wahlkampf nicht als ein Land diskutieren, das kurz vor der wirtschaftlichen Katastrophe steht“, sagte er. Allerdings müsse die SPD die Sorge vieler Menschen vor einem individuellen sozialen Abstieg ernst nehmen. So könne sie sich auch von der CDU absetzen. Ein wichtiger Beitrag sei die Einführung des Mindestlohns gewesen.

Der Bürgermeister sagte, er wolle dafür sorgen, dass Hamburg zugleich wachse und bezahlbar bleibe. Dafür reiche ein verstärkter Wohnungsbau – wie von ihm forciert – nicht aus. Nötig seien auch weniger Bauvorschriften im Baugesetzbuch, um billiger bauen zu können. Statt der aktuellen Durchschnittskaltmiete von zwölf Euro in Hamburg seien für weite teile der Bevölkerung nur acht Euro tragbar. Pilotprojekte mit dem städtischen Wohnungsbauunternehmen Saga-GWG sollten zeigen, dass billiges Bauen zu solchen Preisen wirtschaftlich sei – etwa durch mehr Bauten von der Stange. Größte Wachstumsbremse in der Stadt sei jedoch die Bodenspekulation. Gewerbegrundstücke blieben unbebaut, weil Investoren hofften, dort später Wohnungen errichten zu dürfen. Scholz forderte dagegen eine handhabe.

Emotional zeigte sich Scholz bei der Frage nach der HSH Nordbank. Die Landesbank steht zum Verkauf und hat den Steuerzahler Milliarden gekostet. „Ich hätte allen Grund, jeden Tag einmal wegen der HSH Nordbank gegen die Wand zu treten – und manchmal tue ich das auch.“

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