Salzhemmendorf Bürger sind nach Molotow-Anschlag fassungslos

Hilfe, Unterstützung, Spenden – das Engagement für Asylbewerber in Salzhemmendorf kann sich sehen lassen. Jetzt bringt ein Brandanschlag die Gemeinde in Verruf. Die Bürger müssen umdenken.

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In dem Gebäude wohnen Flüchtlinge aus Simbabwe, Syrien, dem Irak, der Elfenbeinküste und Pakistan. Quelle: ap

Salzhemmendorf „Gestern habe ich noch mit zwei jungen Männern aus dem Heim gesprochen“, sagt Susanne Reuleaux. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich melden können, wenn etwas ist.“ Dass wirklich etwas Bedrohliches geschehen könnte, habe sie aber nicht für möglich gehalten. Nach dem Anschlag auf die Asylbewerberunterkunft in Salzhemmendorf muss Reuleaux umdenken.

Die Frau steht mit anderen Nachbarn vor der alten Schule in Salzhemmendorf und kann es nicht fassen. Auf das Haus, in dem mehr als 30 Asylbewerber leben, wurde ein Brandanschlag verübt. In der Nacht zu Freitag schleuderte ein Unbekannter einen Molotowcocktail durch ein geschlossenes Fenster in eine Wohnung im Erdgeschoss. Nur weil die 34-jährige Bewohnerin und ihre drei kleinen Kinder nicht in diesem Zimmer, sondern in einem Nebenraum schliefen, blieben sie unverletzt. Auch der Sachschaden ist überschaubar, weil die von einem Nachbarn alarmierte Feuerwehr den Brand schnell löschte.

Am Vormittag sind die Straßen rund um das verwitterte Gebäude abgesperrt. Flatterband markiert, bis wohin Neugierige gehen dürfen. Das eingeworfene Fenster ist mit einer Spanplatte notdürftig repariert. Im Inneren suchen Brandermittler nach brauchbaren Spuren. In dem Gebäude wohnen Flüchtlinge aus Simbabwe, Syrien, dem Irak, der Elfenbeinküste und Pakistan.

Vorsichtig blicken zwei junge Männer aus der Eingangstür. Adam und sein Freund stammen von der Elfenbeinküste. Anders als die Mutter aus Simbabwe und ihre vier, acht und elf Jahre alten Kinder, die nach dem Brandanschlag in eine andere Unterkunft gebracht wurden, sind die übrigen Bewohner in der alten Schule geblieben. Viel sagen wollen die jungen Männer nicht. Nur dass sie jetzt Angst haben.

Kurz vor Mittag trifft Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in Salzhemmendorf ein. Für ihn sei der Anschlag ein „versuchter Mord“, sagt der SPD-Politiker. Die Täter hätten bewusst in Kauf genommen, dass Kinder, Frauen und Männer verbrennen können. Es sei „tief beschämend“, dass eine Familie, die wegen schrecklicher Gewalt aus ihrer Heimat geflohen sei, nun in Deutschland ein weiteres Mal Gewalt erfahren müsse.

„Ich kann gar nicht glauben, dass jemand bei uns so etwas macht“, sagt Ilse Klipp, die wenige Meter neben der Asylbewerberunterkunft wohnt. „Ich bin in der Nacht von dem Feuer aufgewacht„, erzählt die Rentnerin. Jetzt ist sie mit ihrem Rollator vor das Flüchtlingsheim gekommen. „Wer kann etwas gegen diese Menschen haben? Sie sind so freundlich und höflich. Man möchte so gerne helfen.“

„Das sind keine Einzelfälle“, sagt Hamelns Landrat Tjark Bartels (SPD) über die Hilfsbereiten. In der Region herrsche eine große Bereitschaft, Flüchtlinge zu unterstützen. Salzhemmendorfs Bürgermeister Clemens Pommerening (parteilos) sieht es genauso: „Hier haben wir eine gelebte Willkommenskultur. Es gibt viele Aktivitäten zugunsten der Flüchtlinge. Es wird gespendet, die Vereine laden die Menschen ein.“ Fremdenfeindliche Aktionen habe es noch nicht gegeben.

Helfen will auch Florian Marhenke. „Ich habe auf Facebook von dem Anschlag gelesen“, sagt der 33-Jährige aus dem Nachbarort Lauenstein. „Da habe ich mir gedacht, man muss ein Zeichen setzen.“ Der Techniker hat ein Blech Kuchen für die Asylbewerber mitgebracht.

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