Sigmar Gabriel Zwei-Prozent-Ziel der Nato „völlig unrealistisch“

Die baltischen Staaten setzen sehr auf die Nato zur Abschreckung Russlands. Der deutsche Außenminister bereist alle drei Baltenstaaten - und warnt davor, den Blick auf das Militärische zu verengen.

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Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und der Ministerpräsident von Lettland, Maris Kucinskis Quelle: dpa

Im Streit um höhere Investitionen in das Militär hat sich Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erneut vom Rüstungsziel der Nato distanziert. Sicherheit könne in dieser Welt nicht allein durch zusätzliche Verteidigungsausgaben gewährleistet werden, sagte der Vizekanzler am Mittwoch bei einem Besuch in Estland.

Die Nato-Mitgliedstaaten hatten sich 2014 in Wales darauf verständigt, ihre Verteidigungsausgaben binnen zehn Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Die USA pochen darauf, dass alle Länder mitziehen. Gabriel hält das Erreichen dieser Marke in Deutschland aber für unrealistisch.

Damit hatte er einen Streit mit dem Koalitionspartner ausgelöst. Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) sehen Deutschland beim Zwei-Prozent-Ziel in der Pflicht.

Schwach gerüstet: Militärausgaben ausgewählter Nato-Mitgliedstaaten 2016

Von der Leyen reist am Donnerstag ebenfalls ins Baltikum. Estland, Lettland und Litauen gehören zu den größten Nato-Befürwortern. Sie sind wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine besorgt um ihre Sicherheit.

Gabriel sagte, Deutschland dürfe sich einem größeren Beitrag zur europäischen Verteidigung nicht verweigern. Es sei aber „völlig unrealistisch“, in Deutschland oder bei seinen Partnern den Eindruck zu erwecken, innerhalb von acht Jahren 30 Milliarden Euro zusätzlich in den deutschen Verteidigungshaushalt zu stecken, sagte er nach einem Treffen mit dem estnischen Außenminister Sven Mikser in der Hauptstadt Tallinn. Das seien zehn Prozent des Bundeshaushalts. Gabriel fügte an: „Es gibt kein apodiktisches Zwei-Prozent-Ziel.“ Bei ihrem Gipfel 2014 in Wales hätten die Nato-Mitglieder beschlossen, sich darum zu bemühen, in den kommenden zehn Jahren in Richtung der zwei Prozent zu gehen. Sie hätten aber nicht beschlossen, dass diese Marke auch von jedem Mitglied erreicht werden müsse.

"Wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
Verband der Automobilindustrie (VDA)Der Verband nimmt die neue Androhung hoher Importzölle für die Branche von Donald Trump ernst. „Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob und wie diese Ankündigungen künftig von der US-Administration umgesetzt werden“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann am Montag. „Im US-Kongress dürfte es gegen Importsteuer-Pläne erheblichen Widerstand geben.“ Denn Investitionsentscheidungen würden langfristig geplant und nicht von heute auf morgen über Bord geworfen. „Mit dem Aufbau von Zöllen oder anderen Handelsbarrieren würden sich die USA langfristig ins eigene Fleisch schneiden“, sagte Wissmann weiter. Schon Einschränkungen der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta würden der Wirtschaft einen deutlichen Dämpfer geben. Quelle: dpa
Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments Quelle: dpa
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)Der DGB hat die Drohung des künftigen US-Präsidenten Donald Trump mit Strafzöllen gegen deutsche Unternehmen kritisiert. Diese Haltung sei "völlig blind für ökonomische Zusammenhänge", sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Vor dem Hintergrund der eng verflochtenen Weltwirtschaft seien negative Rückwirkungen einer solchen Politik nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in den USA selber nicht auszuschließen. "Das werden auch die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger merken, dass dieser Pfad von Herrn Trump ein Holzpfad ist", sagte Hoffmann. Der DGB-Chef warnte vor einer Rückkehr zu Protektionismus und Kleinstaaterei. "Das verträgt sich überhaut nicht mit unseren Vorstellungen einer fairen Gestaltung von Handel und Globalisierung." Im Zuge der Globalisierung habe es zwar Unwuchten gegeben. Statt neue Grenzen oder Mauern zu bauen, komme es aber darauf, "die Wohlstandsgewinne, die ja mit Globalisierung durchaus einhergehen", gerecht zu verteilen. Quelle: dpa
Jens Spahn, Mitglied des Präsidiums der CDUCDU-Vorstandsmitglied Jens Spahn sieht bei Trump ein falsches Bild von der EU, „auch von dem, was sie leistet“. Er sagte im „Bild“-Talk, die EU sei auch „eine Wertegemeinschaft“. Ähnlich bewertete der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen Trumps Äußerungen. Er sagte der „Heilbronner Stimme“: „Trump ist Trump geblieben. (...) Was sich verfestigt, ist die Sichtweise Trumps, in der der Westen keine Rolle spielt, weder als normative noch als politische Einheit. Diese Einheit war und ist aber entscheidend für die Sicherheit Europas.“ Quelle: dpa
CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs"Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Trump wird nicht alles, mit dem er jetzt droht, durchsetzen können", sagte Fuchs am Montag zu Reuters. "Strafzölle müssen vom Kongress abgesegnet werden. Nicht einmal da stehen alle Republikaner hinter ihm." Deutsche Firmen sollten sich nicht einschüchtern lassen. Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, Wolfgang Steiger, äußerte sich ähnlich. Der CDU-Politiker Fuchs gab zu bedenken, dass Strafzölle zu höheren Autopreisen in den USA führen würden. Quelle: dpa
Bundeswirtschaftsminister Sigmar GabrielSigmar Gabriel hat die USA vor einer Abschottung durch Strafsteuern etwa für im Ausland produzierte Autos gewarnt. "Die amerikanische Autoindustrie wird dadurch schlechter, schwächer und teurer", sagte der SPD-Vorsitzende der "Bild" am Montag. Zudem würden sich amerikanische Autobauer umgucken, wenn auch Zulieferteile, die nicht in den USA produziert würden, mit Strafzöllen belegt würden, konterte Gabriel den künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Dieser hatte beklagt, dass zu viele deutsche und zu wenige US-Autos in New York zu sehen seien. Auf die Frage, wie dies zu ändern sein, sagte Gabriel: "Dafür müssen die USA bessere Autos bauen." Quelle: dpa

Mikser äußerte Verständnis für Gabriels Position. Der Schritt, der zum Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels getan werden muss, sei „sehr groß“. „Es ist sicherlich nicht möglich, dies über Nacht zu erreichen.“ Grundsätzlich müsse Beschlüssen der Nato-Staaten aber nachgekommen werden. Estland gehört als direkter Nachbar Russlands zu den wenigen Bündnisländern, die bei den Verteidigungsausgaben den Nato-Zielwert erreichen.

Gabriel sicherte den Baltenstaaten die Solidarität und den Beistand Deutschlands zu. „Die Sicherheit Estlands, Lettlands und Litauens ist gleichbedeutend mit der deutschen Sicherheit“, sagte der Bundesaußenminister in Riga. Sein lettischer Amtskollege Edgars Rinkevics würdigte Deutschland als wichtigen Verbündeten in der Nato und EU.

Gabriel warb für einen umfassenderen Sicherheitsbegriff. Der Fokus dürfe nicht allein auf dem Militärischen liegen. Es bedürfe auch an Anstrengungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, der Krisenprävention und im Kampf gegen Hunger. Gabriel sprach sich für eine kollektive Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur in Europa aus, eine bessere Verzahnung der Fähigkeiten der einzelnen Länder.

Nach seinen Visiten in Estland und Lettland reiste Gabriel nach Litauen weiter. Nach eigenen Angaben suchte er sich die drei Staaten bewusst für seinen Antrittsbesuch in Osteuropa aus - als Signal zur stärkeren Einbindung kleinerer EU-Staaten, um dem Zusammenhalt der EU zu bewahren. Keinesfalls handle es sich dabei um ein „anti-polnisches Komplott“, betonte Gabriel. Er werde kommende Woche zu seinem Antrittsbesuch nach Warschau reisen.

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