SPD-Chef im Sommerinterview Gabriel geht bei Flüchtlingspolitik auf Distanz

Ein Jahr nach Beginn des massenhaften Zustroms von Flüchtlingen – und ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl – steht Angela Merkel massiv unter Druck. SPD-Chef Gabriel schiebt der Kanzlerin den Schwarzen Peter zu.

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Der SPD-Chef geht in der Flüchtlingspolitik auf Distanz zur Kanzlerin. Quelle: Reuters

Berlin SPD-Chef Sigmar Gabriel hat dem Koalitionspartner CDU/CSU eine Blockadehaltung bei der Integration von Flüchtlingen vorgeworfen. Der Vizekanzler ging im ZDF-Sommerinterview (Ausstrahlung: Sonntagabend 19.10 Uhr) ein Jahr nach Beginn des massenhaften Andrangs von Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten deutlich auf Distanz zu Regierungschefin Angela Merkel (CDU).

„Die Union hat die Herausforderung unterschätzt“, sagte Gabriel. Es sei „undenkbar, dass Deutschland jedes Jahr eine Million Menschen aufnimmt“. Und es reiche nicht, wie Merkel ständig zu sagen: „Wir schaffen das.“ Kanzlerin und Union müssten „die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir es auch hinkriegen. Und das hat die CDU/CSU immer blockiert.“

Die Deutschen sind inzwischen gespalten in der Frage, ob Merkel nach der Bundestagswahl 2017 Kanzlerin bleiben soll. Jeder zweite Bürger lehnt nach einer Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“ eine vierte Amtszeit ab. Die Zahl der Befürworter ist mit 42 Prozent etwas kleiner. Unter den Unions-Anhängern sprachen sich 70 Prozent für eine weitere Amtszeit Merkels aus, 22 Prozent sind dagegen. Damit haben sich ihre Sympathiewerte dem Bericht zufolge nochmals verschlechtert.

Der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Frank-Jürgen Weise, rechnet unterdessen mit deutlich weniger Asylsuchenden als 2015. „Wir stellen uns auf 250.000 bis 300.000 Flüchtlinge in diesem Jahr ein, darauf richten wir unsere Kapazitäten aus“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Bis zu dieser Zahl könne seine Behörde einen optimalen Ablauf garantieren. „Wenn mehr Menschen kommen, kommen wir unter Druck.“ Allerdings seien selbst dann nicht wieder Zustände wie im letzten Jahr zu erwarten. „Aber die Verfahren würden länger dauern, als von uns angestrebt.“

Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt werde langwierig und teuer. „Es wird lange dauern und viel kosten“, sagte Weise, der auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) leitet. 70 Prozent der Angekommenen seien zwar erwerbsfähig. Trotzdem werde „ein Großteil von ihnen zunächst in die Grundsicherung fallen, bevor wir sie in Arbeit bringen“.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner forderte die schwarz-rote Regierung eindringlich auf, in ihrer Flüchtlingspolitik neu durchzustarten. „Ich halte es für notwendig, dass die Bundesregierung eines mal unmissverständlich klarmacht: Wenn Menschen wirklich in Not sind, dann geben wir ihnen Schutz – aber nicht auf Dauer“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Sondern wenn in der alten Heimat die Lage wieder sicher und stabil ist, dann reisen diese Leute in der Regel zurück.“ Er halte „den Begriff eines Integrationsgesetzes, wie die große Koalition ihn gewählt hat, für falsch. Es darf kein automatisches dauerhaftes Aufenthaltsrecht geben“, sagte Lindner.

Den mehrfach wiederholten Satz der Kanzlerin - „Wir schaffen das“ - findet Lindner „im Prinzip gut“. Es dürfe allerdings nicht dabei bleiben. „Es fehlt: Was schaffen wir? Es fehlt: Wie schaffen wir das? Und es fehlt: Wer schafft das?“

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