SPD-Parteitag Die wichtigste Frage wird ungeklärt bleiben

Auf dem SPD-Parteitag wird ab heute über Vor- und Nachteile des Regierens mit Angela Merkel, über eine Minderheitsregierung und über Neuwahlen gestritten. Entscheidend für die SPD ist die Aufstellung für die Zeit danach.

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Martin Schulz Quelle: REUTERS

So unsicher waren die Spitzenleute der SPD vor dem Beginn eines Parteitags schon lange nicht mehr. Normalerweise wird vor dem Start, beim Presseempfang am Vorabend und in vorab veröffentlichten Interviews, stets kräftig gefordert und gedeutet. Die kraftvolle Pose, die Analyse der Lage im Kreis von journalistischen Beobachtern sind Teil des Spiels. Das ist diesmal anders, der Parteitag gilt vor allem als Stimmungstest. Man wolle jetzt zuhören, hieß es vorab. Und statt Antworten hören die Journalisten vor allem Fragen: Soll die SPD nun ernsthaft über eine Große Koalition verhandeln, oder sind die Gespräche ohnehin chancenlos, weil eine angezählte Angela Merkel viel zu wenig Raum hat, um der SPD Verhandlungserfolge zu verschaffen? Wäre Martin Schulz der richtige Kandidat im Falle von Neuwahlen – und gäbe es überhaupt eine Alternative? Und, am wichtigsten: Wie ticken eigentlich all die Parteimitglieder, die seit Jahren nicht mehr bei Veranstaltungen erscheinen, aber bei einer Basisbefragung zur Regierungsbeteiligung mitstimmen könnten?

Als Martin Schulz am Wahlabend mit seinem klaren „Nein“ zur Großen Koalition überraschte, gefiel das vielen Sozialdemokraten auch deshalb, weil ihr Parteichef plötzlich das Geschehen bestimmte. „Wir gehen in die Opposition“ – das klang, als betrete die SPD einen Raum, den sie jederzeit auch wieder verlassen könne. Und weil diese Tatkraft so gut ankam, wiederholte der SPD-Parteivorstand sein „Nein“ auch nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen, zu einem Zeitpunkt, als es klüger gewesen wäre, einfach abzuwarten.

Inzwischen ist klar, dass es der SPD momentan gerade an dieser Klarheit und Orientierung fehlt. Martin Schulz wird erneut beim Parteitag gewählt werden, damit ist die Führungsfrage allerdings nur aufgeschoben. Mit einem Wahlverlierer, der sich so widersprüchlich geäußert hat wie Martin Schulz in den vergangenen Tagen, werden die Sozialdemokraten auf Dauer nicht reüssieren.

Mit der Union verbindet sie daher, dass weder die Personal- noch die Richtungsfrage für die nächsten Jahre geklärt ist. Setzt sich in der CDU der konservative Spahn-Flügel durch und orientiert sich die SPD tatsächlich stärker am linken britischen Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn, wie Martin Schulz in Interviews empfahl? Oder kommt die Stunde pragmatischer Regierungspolitiker wie Annegret Kramp-Karrenbauer oder Ursula von der Leyen auf der einen Seite und Olaf Scholz, Andrea Nahles oder Manuela Schwesig auf der anderen?

Wenn der SPD-Parteitag entscheidet, ob Sondierungen mit der Union stattfinden, ist keine dieser Fragen auch nur ansatzweise geklärt. Von Ihnen wird aber abhängen, wie Deutschland in den kommenden Jahren regiert wird. Ob in der Zwischenzeit eine neue GroKo oder eine Minderheitsregierung etabliert wird, ist gemessen daran zweitrangig. Beides wären Übergangsmodelle. Die Spitzenleute von SPD und Union wissen das. Deshalb halten sich viele mit großen Deutungen und Entwürfen gerade auffällig zurück.

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