Führende FDP-Politiker lehnen es ab, wegen schlechter Umfragewerte das eurokritische Profil der Partei zu schärfen. Sie wandten sich damit gegen die Forderung des Vorsitzenden der sächsischen FDP, Holger Zastrow, der erklärt hatte, seine Partei könne nur dann überleben und der Alternative für Deutschland (AfD) Paroli bieten, wenn sie parteiinterne Euro-Kritiker wie Frank Schäffler stärker einbindet.
Der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki sagte dazu Handelsblatt Online: „Wenn wir uns die Wahlen auf den letzten FDP-Bundesparteitagen anschauen, dann wird deutlich, dass Schäfflers Position innerhalb der Partei nur wenige Anhänger findet.“ Schäffler sei zudem „weder ausgegrenzt worden, noch wird er es heute“, fügte der Chef der FDP in Schleswig-Holstein hinzu. „Ich selbst hatte ihm angeboten, ihn für den Bundesvorstand als Beisitzer vorzuschlagen. Leider fand er sich zu einer Kandidatur nicht bereit.“ Im Übrigen sehe er eine wie auch immer geartete Konkurrenz zur AfD nicht, fügte Kubicki hinzu. „Die AfD spricht in erster Linie enttäuschte Unions-Wähler an, die mit dem profillosen Kurs Angela Merkels unzufrieden sind.“
Überdies gelte auch für die FDP, dass eine Partei, in der nicht um die besseren Lösungen gerungen wird, irgendwann entbehrlich werde, sagte Kubicki weiter. „Die FDP hat sich immer dadurch ausgezeichnet, dass in ihr unterschiedliche politische Positionen vertreten wurden.“ Er teile Schäfflers Euro-Kritik „in vielen Bereichen“ nicht, fügte Kubicki hinzu. „Ich würde aber nie auf die Idee kommen, Frank Schäffler abzusprechen, dass er die FDP voranbringen will.“
Die wichtigsten Köpfe in der AfD
Professor, Gründer des Plenums der Ökonomen
Der 51-Jährige wurde bei Gründung der AfD ihr Sprecher. Der Vater von fünf Kindern lehrt Makroökonomie an der Universität Hamburg. Über 300 Wissenschaftler schlossen sich seinem „Plenum der Ökonomen“ an, das als Netzplattform Wirtschaft erklärt. Nach 33 Jahren trat Lucke Ende 2011 aus der CDU aus. Er trat als Spitzendkandidat der AfD für die Europawahlen an und wechselte im Sommer 2014 nach Brüssel.
Anwältin, Gründerin der Zivilen Koalition
Die Juristin, die zunächst 2012 Mitglied der FDP war, ist seit 2013 Mitglied der AfD. Sie wird dem rechtskonservativen Flügel der Partei zugerechnet. Sie engagiert sich neben der Euro-Rettung vor allem für eine christlich-konservative Familienpolitik. Am 25. Januar 2014 wurde von Storch vom Bundesparteitag der AfD in Aschaffenburg mit 142 von 282 Stimmen auf Platz vier der Liste zur Europawahl gewählt - und zog anschließend ins Europaparlament ein.
Emeritierter Professor für Volkswirtschaft
Im Kampf gegen den Euro hat er die größte Erfahrung: 1998 klagte er gegen dessen Einführung vor dem Bundesverfassungsgericht, 2011 gegen die Rettungsmaßnahmen. Der 72-Jährige, einst Assistent von Alfred Müller-Armack, führt den wissenschaftlichen Beirat der AfD – so etwas hat keine andere Partei.
Promovierte Chemikerin und Unternehmerin
Nach dem Studium gründete die Mutter von vier Kindern 2007 ihr eigenes Chemieunternehmen Purinvent in Leipzig – mit dem Patent auf ein umweltfreundliches Dichtmittel für Reifen. Sie fürchtet, ihre demokratischen Ideale würden „auf einem ideologisierten EU-Altar geopfert“. Seit 2013 ist sie eine von drei Parteisprechern und Vorsitzende der AfD Sachsen
Journalist, Publizist, Altsprachler und Historiker
Bei den bürgerlichen Blättern – 21 Jahre im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen“, sieben Jahre als politischer Chefkorrespondent der „Welt“ – erwarb er sich den Ruf als konservativer Vordenker. Sozial-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik sind auch im Sprecheramt der AfD seine Schwerpunkte.
Beamter, Politiker, Herausgeber, Publizist
Der promovierte Jurist leitete die hessische Staatskanzlei unter CDU-Ministerpräsident Walter Wallmann. Dann Geschäftsführer und Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen“ in Potsdam. Führte die brandenburgische AfD bei den Landtagswahlen zu einem überraschend starken Ergebnis und führt nun die Fraktion im Landtag an.
Der Chef der Jungen Liberalen, Konstantin Kuhle, warnte seine Partei davor, die Eurokritiker in den eigenen Reihen zu stärken, um die AfD zu schwächen. „Sowohl inhaltlich als auch wahltaktisch gilt: Der AfD hinterher zu laufen bringt gar nichts“, sagte Kuhle Handelsblatt Online. „Schließlich zeigen alle Erfahrungen, dass sich die Wähler im Zweifel für das Original entscheiden.“
Nicht auf frustrierte Protestwähler setzen
„Statt auf die frustrierten Protestwähler, die den erzkonservativen Euroskeptikern der AfD ins Europaparlament verholfen haben, sollte sich die FDP darauf konzentrieren, das Vertrauen enttäuschter Liberaler zurück zu gewinnen“, fordert der FDP-Nachwuchspolitiker. Viele ehemalige FDP-Anhänger hätten zuletzt lieber gar nicht gewählt, als ihre Stimme einer anderen Partei zu geben. „Das ist unsere große Chance – auch in Sachsen.“ Schließlich gebe es gerade dort „sehr gute Gründe, eine erfolgreiche FDP erneut in eine erfolgreiche Landesregierung zu wählen“, ist Kuhle überzeugt. Der jüngste Vorstoß von Sachsens Justizminister Jürgen Martens, die Vorratsdatenspeicherung endlich bundesweit zu begraben, sei dafür nur ein Beispiel von vielen.
Sachsens FDP-Chef Zastrow hatte dagegen in einem Interview mit Handelsblatt Online gefordert, innerhalb der Partei auch eine eurokritische Haltung zu integrieren. „Die Rechnung dafür, dass das nicht geschehen ist, haben wir bei der Europawahl präsentiert bekommen“, sagte Zastrow. „Deshalb gilt: Wir müssen in der Partei alle liberalen Strömungen angemessen berücksichtigen, sonst hat die FDP keine Zukunft.“