Streit mit Heiko Maas Wie Facebooks Lobbymaschine versagte

Mit seinem Gesetz geht Justizminister Heiko Maas Facebook hart an. Und der US-Techkonzern? Nimmt die deutsche Politik nicht ernst. Künftig dürfte sich Facebook in Berlin wie in Brüssel und Washington aufstellen.

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Feindbild: Wie hier in Berlin formiert sich der Widerstand gegen Facebook. Quelle: dpa Picture-Alliance

Wer für Facebook in Berlin arbeitet, blickt auf die Politik herab. Die Büros des Konzerns liegen im siebten Stock eines wuchtigen Hochhauses am Potsdamer Platz. Von dort oben kann man dem nahen Reichstag sozusagen auf die Kuppel spucken. Vielleicht deshalb glaubt der Weltkonzern noch immer, unerreichbar über der deutschen Politik zu stehen.

Ein ziemlicher Irrglaube. Seit Monaten bastelt Justizminister Heiko Maas (SPD) an einem Text mit dem komplizierten Namen „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Im Regierungs-Flurfunk heißt das Vorhaben aber nur noch „Facebook-Gesetz“, weil die geplanten Vorschriften gegen Hass und Volksverhetzung in sozialen Netzwerken vor allem auf den Internetgiganten mit seinen weltweit knapp zwei Milliarden Nutzern zielen. Danach drohen Facebook und Co. künftig bis zu 50 Millionen Euro Geldstrafe, wenn sie strafrechtlich relevante Inhalte nicht nach bestimmten Fristen löschen.

Der mächtige US-Techkonzern mit seinem Jahresumsatz von knapp 28 Milliarden Dollar hat lange zu dem Thema geschwiegen – bis zur vergangenen Woche, als die WirtschaftsWoche vorab aus einer elf Seiten langen Stellungnahme des Konzerns zitierte, die vor allem eine Botschaft hatte: Das Gesetz von Maas gefällt uns gar nicht. Mehr noch: „Umfassend rechtswidrig“ sei Maas’ Vorhaben, heißt es – und „ungeeignet“, um Wortmeldungen voller Hass oder falsche Nachrichten zu bekämpfen. Facebook sieht keineswegs sich selbst, vielmehr den Staat in der Pflicht: „Der Rechtsstaat darf die eigenen Versäumnisse und die Verantwortung nicht auf private Unternehmen abwälzen.“

von Katharina Matheis, Simon Book, Marc Etzold, Max Haerder, Astrid Maier, Cordula Tutt, Silke Wettach

Die ungewöhnlich trotzige Reaktion trägt gewiss nicht zu einem besseren Gesprächsklima zwischen dem US-Giganten und der deutschen Politik bei. „Dilettantisch“, nennt Petra Sitte, Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Bundestag, die Stellungnahme von Facebook. Über ein „seltsames Vorgehen“ schimpft der Unionskollege im Bundestag, Michael Grosse-Brömer. Und Konstantin von Notz, Fraktionsvize der Grünen, verdächtigt Facebook gar, das Thema systematisch aus der Welt schaffen zu wollen: „Richtet man aus Deutschland eine Beschwerde ans Unternehmen, wird oft nach Irland verwiesen, wo die europäische Zentrale ist. Und von dort zeigen die Verantwortlichen nach Menlo Park.“ In der kalifornischen US-Zentrale, so Notz weiter, gelte nach seinen Erfahrungen die Maxime, dass Facebook in mehr als 200 Ländern weltweit aktiv sei – weswegen sich der Konzern nicht nach Regeln in Deutschland richten könne.

Hinter der Abwehrhaltung stecken aber sicher auch Nervosität und Naivität. Schließlich steht für Facebook auf dem deutschen Markt sehr viel auf dem Spiel, es ist der größte in Europa. Wenn hier künftig falsche oder hetzerische Meldungen konsequent gelöscht werden müssten, hätte das enorme Auswirkungen auf das Geschäftsmodell.

Denn Facebook verdient mit Aufregung viel Geld. Als sich etwa auf seinen Seiten die Falschnachricht verbreitete, der damalige US-Präsident Barack Obama habe den morgendlichen Schwur auf die US-Flagge in Schulen verboten, führte das zu mehr als zwei Millionen Interaktionen auf Facebook. Ein anderes Mal sollte Papst Franziskus angeblich Donald Trump und dessen Wahlkampf unterstützt haben – ebenfalls erlogen, aber mit rund einer Million Shares und Likes nicht minder erfolg- und ertragreich. Die Nutzer solcher Fake News verbringen eine Menge Zeit auf Facebook, sie schauen also auch die teuer verkaufte Werbung an.

Verkorkste Auftritte

Wenn es aber um so viel Geld und Netzmacht geht – warum bleibt Facebook dann in Deutschland zunächst stumm, nur um danach durch rüdes Verhalten aufzufallen? Und ist die jüngste Eskalation nur Auftakt einer millionenschweren Lobbyaufrüstung auch hier, wie sie der Konzern in Brüssel oder Washington schon vorgemacht hat?


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