Türkei-Konflikt Wirtschaftsministerium überprüft Rüstungsexporte

Im deutsch-türkischen Verhältnis stehen die Zeichen auf Konfrontation. Die Bundesregierung prüft jetzt die neuen Rüstungsprojekte mit der Türkei. Seit 2016 wurden bereits elf Anträge abgelehnt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Außenminister Sigmar Gabriel ändert seine Türkei-Politik drastisch. Quelle: dpa

Die Bundesregierung hat nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ihre Politik gegenüber neuen Rüstungsprojekten mit der Türkei geändert. "Wir haben alle Anträge auf den Prüfstand gestellt", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Freitag. Einzelheiten nannte sie nicht. Seit Januar 2016 hat die Bundesregierung nach Angaben des Ministeriums elf Anträge abgelehnt, aber Geschäft im Volumen von mehr als 100 Millionen Euro genehmigt.

Gleich zwei Nachrichten haben deutsche Unternehmen in letzten zwei Tagen aufgescheucht. In der politischen Eskalation zwischen Deutschland und der Türkei gibt es nur Verlierer.
von Philipp Mattheis

Voraussichtlich dürfte nun das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) keine neuen Ausfuhrgenehmigungen mehr erteilen. Bereits entschiedene Projekte dürften zunächst nicht betroffen sein. Denn gegen die Türkei sind bisher keine internationalen Sanktionen verhängt worden. Sollte die Auslieferung bereits geschlossener Geschäfte gestoppt werden, drohten der Bundesregierung deshalb im Falle eines einseitigen Lieferstopps Entschädigungszahlungen an die Firmen.

2016 hatte die Bundesregierung den Export von Rüstungsgütern in das Nato-Land Türkei im Volumen von 83,9 Millionen Euro genehmigt. In den ersten vier Monaten 2017 wurden Geschäfte im Wert von 22 Millionen Euro gebilligt. Dabei handelt es sich um Zulieferungen für die Marine sowie für Gemeinschaftsprojekte mit anderen Nato-Partnern. Die Bundesregierung habe Anträge bereits seit dem niedergeschlagenen Putsch im Juli 2016 schärfer geprüft, hieß es in Regierungskreisen. Die "Bild"-Zeitung hatte zuvor über einen Stopp von Rüstungsgütern berichtet.

Nach der Inhaftierung eines deutschen Menschenrechtlers kündigt Außenminister Gabriel eine Neuausrichtung der Türkei-Politik an - mit Folgen für Tourismus und Wirtschaft.

Unbeeindruckt von Protesten der Türkei demonstriert die Bundesregierung Einigkeit in ihrem neuen scharfen Kurs gegenüber Ankara. Die von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) verkündeten Maßnahmen seien „absolut notwendig“, sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) der „Bild am Sonntag“. Das Verhalten der Türkei sei inakzeptabel. „Wir haben eine Schutzpflicht für unsere Bürger und Unternehmen“, sagte Altmaier mit Blick auf die von Gabriel verkündete Neuausrichtung der Türkei-Politik. Ankara müsse erkennen, dass die Bundesregierung „einig und geschlossen“ sei.

Der Bundesverfassungsschutz zeigt sich alarmiert über die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes und türkischer extremistischer Gruppen in Deutschland. "Wir haben Kenntnis über Einflussnahme der türkischen Regierung in Richtung türkische Gemeinschaft hier in Deutschland", sagte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagausgabe). Der türkische Geheimdienst habe sich außerhalb des deutschen Rechts bewegt und nachrichtendienstliche Informationen über Personen gesammelt.

Als „absurd“ und „lächerlich“ soll eine Liste der türkischen Regierung in Berliner Regierungskreisen bezeichnet werden, über die die „Zeit“ berichtet. Deutsche Unternehmen werden der Terrorunterstützung verdächtigt.

Maaßen sprach von Versuchen, die türkischstämmige Bevölkerung hierzulande einzuschüchtern, sofern diese gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eingestellt sei. "Für uns ist es wichtig, dass das in Deutschland thematisiert wird und dass dies in Deutschland auch als Problem wahrgenommen wird", sagte Maaßen. Seinen Worten zufolge beobachtet der Verfassungsschutz zugleich wachsende Aktivitäten türkischer extremistischer Gruppen in Deutschland. "Die Zunahme dieser Zahl der Extremisten sehen wir mit Sorge", sagte Maaßen.

Als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher hat das Auswärtige Amt am Donnerstag die Reisehinweise für die Türkei verschärft. Zusätzlich kündigte Außenminister Gabriel an, dass die staatliche Absicherung von Türkei-Geschäften der deutschen Wirtschaft durch sogenannte Hermes-Bürgschaften auf den Prüfstand gestellt wird.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%