Die Aussichten für junge Schulabsolventen könnten besser kaum sein. In Deutschland herrscht nahezu Vollbeschäftigung, es gibt eine Million offene Stellen, darunter allein 237.500 Stellen im Mint-Bereich, wie der Arbeitgeberverband jüngst meldete. Ob Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik - wer sich für ein Studium oder eine Berufsausbildung in diesen Bereichen entscheidet, hat im Anschluss besonders gute Jobaussichten. Und gut bezahlt sind die Jobs ohnehin, Mint-Absolventen steigen für gewöhnlich deutlich über dem durchschnittlichen Jahresgehalt ein.
PISA, TIMSS, IQB, IGLU, VERA - Schulvergleichstests im Überblick
Diese vier Buchstaben stehen für den weltweit größten Schulvergleichstest, das „Programme for International Student Assessment“. Es wird alle drei Jahre von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris organisiert. Sie tut dies im Auftrag der Regierungen - oder in Deutschland für die Kultusministerkonferenz (KMK) der 16 Länder. Getestet werden 15-Jährige in Naturwissenschaften, Mathematik sowie Lesen und Textverständnis. An „PISA 2015“, dessen Ergebnisse am 6. Dezember präsentiert werden, nahmen weltweit mehr als eine halbe Million Mädchen und Jungen aus über 70 Ländern und Regionen teil, darunter etwa 10.000 aus Deutschland.
Abkürzung für die ebenfalls internationale Schulstudie „Trends in International Mathematics and Science Study“, hier geht es um mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen. Bei der jüngsten Erhebung im Jahr 2015 ließen sich unter Federführung von Bildungsforschern der Technischen Universität Dortmund bundesweit 4000 Viertklässler an 200 Grund- und Förderschulen testen. Weltweit waren es in rund 50 Staaten und Regionen gut 300.000 Kinder, zudem wurden 250.000 Eltern, 20.000 Lehrer und 10.000 Schulleiter befragt.
Diese Studie des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) wurde zuletzt Ende Oktober vorgestellt. Sie liefert im KMK-Auftrag Daten und Fakten zum Stand der Schulpolitik in den Ländern. Der „Bildungstrend“, früher „IQB-Ländervergleich“, ersetzte vor einigen Jahren die regionalen PISA-Erweiterungsstudien (PISA-E). 2015 nahmen an den Tests in Deutsch und Fremdsprachen gut 37.000 Schüler der neunten Jahrgangsstufe aus über 1700 Schulen in ganz Deutschland teil.
Dabei handelt es sich in Deutschland um die „Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung“, international lautet die Abkürzung PIRLS („Progress in International Reading Literacy Study“). Mit diesem Projekt wird in fünfjährigem Rhythmus das Leseverständnis am Ende der vierten Jahrgangsstufe erfasst. Für IGLU ist wie bei TIMSS das Institut für Schulentwicklungsforschung (IfS) der TU Dortmund unter Leitung von Wilfried Bos zuständig. Ergebnisse von PIRLS/IGLU wurden zuletzt im Dezember 2012 veröffentlicht, der nächste Bericht kommt 2017 heraus.
Diese länderspezifischen wie auch länderübergreifenden Tests mit Vergleichsarbeiten (kurz VERA) sind Teil eines Bündels von Maßnahmen, mit denen Qualitätsentwicklung und -sicherung auf Ebene der einzelnen Schule gewährleistet werden soll. „Unter den Lernstandserhebungen nehmen die bundesweit einheitlichen Vergleichsarbeiten für die Jahrgangsstufe 3 und 8 (VERA 3 und VERA 8) eine besondere Stellung ein“, schreibt die KMK.
Wie gesagt: Die Aussichten könnten besser kaum sein. Wären da nicht allerlei Probleme im deutschen Bildungssystem. Im Jahr 2015 brach rund ein Viertel der Azubis ihre Ausbildung ab, im Handwerk ist es ein Drittel. Auf dem Weg zum gelernten Friseur bleibt sogar die Hälfte auf der Strecke. Laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung brauchen zudem immer mehr Azubis im Handwerk „nachholenden Schulunterricht“. Lesen, schreiben, rechnen – oft hakt es an den Grundfertigkeiten. Deutschland riskiert sein wichtigstes Kapital, die Fachkräfte der Zukunft. Drei Mythen der deutschen Bildungspolitik.
1. Mythos: Nach Pisa wurde alles besser
Ohne Jürgen Zöllner hätte es den Pisa-Schock in Deutschland nie gegeben. 15 Jahre lang leitete der SPD-Mann das Bildungsministerium in Rheinland-Pfalz, fünf weitere Jahre war er Schulminister des Landes Berlin. Anfang des neuen Jahrtausends setzte sich Zöllner dafür ein, dass sich Deutschland an den Vergleichstest der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beteiligt. „Wir brauchten damals den PISA-Schock“, sagt Zöllner im Rückblick. „Unterschwellig wussten wir alle, dass unsere Schulen nicht gut genug sind. Aber wir brauchten es endlich schwarz auf weiß.“
Danach floss mehr Geld ins Bildungssystem, die Schulen wurden besser und effizienter. Mittlerweile liegt Deutschland auf Rang 16 der 72 Pisa-Länder, solides Mittelfeld. Doch gut ist die Lage noch immer nicht, wie eine Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), eine Art nationales Pisa, im vergangenen Jahr zeigte. Während die Schüler im Osten der Republik sich in Sachen Rechtschreibung verbesserten, verschlechterten sich die Schüler in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen deutlich. Beim Lesen fiel Baden-Württemberg, einstige Bildungshochburg, im Vergleich zu der Erhebung 2009 von Platz drei auf Platz 13 zurück. Beim Zuhören rutschten die Baden-Württemberger von Platz zwei auf 14 ab, in der Orthografie von zwei auf zehn. Einst Spitzenreiter, jetzt nur noch unterer Durschnitt – der Absturz des Ländle ist eine Art zweiter Pisa-Schock.
Wie passt das zusammen? International holen deutsche Schüler auf, in nationalen Tests rutschen sie ab. Andreas Schleicher, Direktor für die Pisa-Studie bei der OECD hat eine Erklärung: „Der Abstand zwischen dem, was Schule leisten kann und was erwartet wird, hat sich vergrößert. Die deutsche Schule ist nicht schlecht, aber sie ist auch nicht so gut wie sie sein könnte“, sagt Schleicher.