Es gibt nur wenig Konsens in Deutschland bei Fragen zum Ablauf einer gepflegten Mittags-Pause. Das einzige, was wirklich im ganzen Lande ganz überwiegend verpönt ist, ist Alkohol vor Feierabend (wenn auch in vielen Betrieben nicht verboten). Wer mit einer Fahne zurück an den Schreibtisch kommt, muss das entweder gut begründen können („Der Dings von unten hat irgendwas gefeiert“) oder eine Position innehaben, bei der der eigene Alkoholismus unter Mitarbeitern besser totgeschwiegen wird.
Naja, aber sonst? Ganz unterschiedliche Ansätze zum Essen im Job:
1. Die Kantinen-Plan-Vorleser
Jeder Fünfte in Deutschland isst in der Kantine. Und es gibt Jobs, da gibt es montags nur einen Trost: die Freude über den neuen Kantinen-Wochenplan. Der väterliche Wortführer im Großraumbüro (der mit der gemütlichen Plauze) druckt den dann schon mal aus, nimmt den Textmarker zur Hand und liest vor: „Oh Gott, hier, heute ist echt übel. Ess ich halt Currywurst. Dienstag schon wieder diese pappige Gemüse-Lasagne mit der verbrannten Kruste. Wo ist bloß die gute Bolo geblieben? Nö, dann nehm ich eben die Chicken-Nuggets mit dieser komischen Soße und Pommes. Mittwoch weiß ich noch nicht. Donnerstag ist klar, Schnitzel-Tag, aber Freitag: YES! Geil! Fischtag. Thunfisch-Pizza.“
Egal, hört eh keiner zu.
Aber eines gilt für die meisten Kantinen-Esser: Sie finden es zu laut (der hemmungsloseste Lacher mit dem lautesten Organ sitzt immer am Nebentisch), zu eng (weil alle für den Spaziergang danach schon die Jacken mit runter nehmen), die Luft ist zu schlecht (eine Mischung aus Stammessen I und dutzenden Deos auf Hochtouren) und es ist ungemütlich eingerichtet (leicht abwischbar). Aber so billig kann man es nicht selber kochen. Und mittlerweile gibt es ja fast zum Glück überall das Salat-Büffet (mit Feta und den hart gekochten Eiern zum Sattwerden). Und die anderen gehen ja auch hin. Motto der Kantinen-Esser: „Was soll´s? Der Hunger treibt´s rein.“
2. Die Tchibo-Adopter
Wie soll man in Kerpen oder Bühlertal oder Schkeuditz mitkriegen, was gerade der neueste Trend ist? Ganz einfach: Man guckt Taff oder bei Tchibo. Bei Tchibo gibt es alles, was als neuester Schrei den Sprung aus den Metropolen auf die Fläche geschafft hat. Beispiel: In den westlichen Großstädten gilt die Frühstückskarte in vielen Restaurants mittlerweile den ganzen Tag. Weil Frühstück immer geht. Wer spät frühstückt, gilt nicht mehr als fauler Langschläfer, sondern - tja, als Berliner. Also gab es auch bei Tchibo vor einigen Monaten Joghurtbecher mit separatem Müsli-Fach im Schraubdeckel. Damit die Cerealien bis nachmittags knusprig bleiben. So weiß man: Mit Müsli-Joghurt kann man zurzeit auch tagsüber nichts so richtig falsch machen. Das Schlimmste, was man zu hören kriegen könnte, ist: „Ach, du jetzt auch?“
Orientiert man sich an Angeboten wie von Tchibo oder der Rossmann Ideenwelt, dann weiß man außerdem: Wer mit der Zeit geht, trinkt Proteinshakes als Zwischenmahlzeit und transportiert seinen Apfel in einer kugelrunden Dose in Apfelgröße. Und man trinkt Leitungswasser aus giftfreien Hartplastik-Mehrweg-Flaschen - gerne mit lebensbejahenden Motiven wie Eulen und mit einsetzbarem Infusor, den man mit Beeren befüllt, die dann durch die feinen Infusor-Löcher nur einen Hauch von Geschmack abgeben. Nicht auszudenken, wenn man eine Blaubeere essen müsste. Aber Wasser mit Blaubeer-Aroma ist eben eine super Idee.