Wirtschaftsrat der CDU Schwarz sehnt sich nach Gelb

Die Wirtschaftskompetenz der Union schwindet dahin. Das sieht zumindest der parteinahe Wirtschaftsrat so. In einer Umfrage benoten dessen Mitglieder die FDP deutlich besser – und überraschen mit ihrer Meinung zu TTIP.

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Werner Michael Bahlsen, CDU-Politiker und Präsident des Wirtschaftsrates der CDU. Quelle: dpa

Wenn es um die Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft geht, ist auf den Wirtschaftsrat der CDU Verlass. Der Verband betrachtet sich selbst als "Speerspitze der Erneuerung in der Wirtschaftspolitik". Die CDU an ihre wirtschaftspolitischen Wurzeln zu erinnern, ist ihm deshalb eine Pflicht. Einmal im Jahr befragt der Rat dazu seine 11.000 Mitglieder, zumeist Unternehmer und Selbstständige. In der Umfrage geht es um die Regierungsarbeit und aktuelle Themen. Die Abreibung für Union und Regierung fällt im Ergebnis oft besonders arg aus.

„Unsere Mitglieder sind ziemlich unzufrieden mit der Arbeit der Großen Koalition“, sagt Werner Michael Bahlsen, Keks-Fabrikant, CDU-Politiker und Wirtschaftsrat-Präsident, als er die Umfrageergebnisse am Donnerstag vorstellt. Die Rente mit 63? Ein riesiger Fehler. Die Europapolitik? Unkoordiniert. Sigmar Gabriels Energiewende? Nicht wettbewerbsorientiert genug.

Sehnsucht nach der FDP

Es folgen: Eine Abrechnung mit der Niedrigzinspolitik der EZB und die Binse: „Wir können als Sozialleistungen nur ausgeben, was wir vorher erarbeitet haben.“ Erwartbare Positionen für einen CDU-nahen Wirtschaftsverband. Spannender wird es bei der Frage, wem die Mitglieder denn zutrauen, die Probleme zu lösen. „Das wirtschaftspolitische Profil der Union sieht nicht besonders gut aus“, sagt Bahlsen. „Dafür erlebt die FDP ein Comeback.“

Der Wirtschaftsrat der CDU hat parteiintern Narrenfreiheit und prangert oft Missstände an. In einem Papier, das dem Handelsblatt vorliegt, geht das Gremium nun mit der Energiepolitik der Regierung hart ins Gericht.
von Klaus Stratmann

In Zahlen: Die Wirtschaftspolitik der Union finden 58 Prozent aller Mitglieder gut. Die FDP erhält aber 76 Prozent Zustimmung. Vor zwei Jahren war das noch anders herum. Da unterstützten 60 Prozent den Kurs der Union während die FDP bloß von 55 Prozent der Mitglieder Zuspruch bekam. Bahlsens Erklärung: „Unsere Mitglieder sehnen sich nach Leuten mit einem ordnungspolitischen Kompass.“ Die Große Koalition aber habe den Schwerpunkt auf das Verteilen statt auf das Erwirtschaften gelegt. Daher sei es wichtig, dass sich gerade die Union wieder auf ihre wirtschaftspolitischen Grundsätze besinne.

Kaum Begeisterung für TTIP

Beim Thema TTIP jedoch scheinen diese wirtschaftspolitischen Grundsätze einem guten Teil der Mitglieder egal zu sein. Immerhin 40 Prozent halten das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa für nicht so wichtig. „Da ist vor allem bei der Informationspolitik und Transparenz jede Menge falsch gelaufen“, sagt Bahlsen. Der Wirtschaftsrat setze sich aber für das Abkommen ein.

Bezüglich des möglichen Brexit ist Bahlsen besorgt. "Ich glaube, Großbritannien würde durch eine ganz bittere Zeit gehen." Sollten sich die Briten beim Referendum am 23. Juni für einen Brexit entscheiden, wäre das ein "Riesenfehler" für die Briten und Europa. Britische Waren würden wieder mit Zöllen belegt. Zudem würden viele Konzerne merken, dass ihre früheren Investitionsentscheidungen für die Insel ein Fehler gewesen seien. Fabriken würde zwar nicht sofort auf den Kontinent verlagert, Investitionen aber mittelfristig neu bewertet werden.

In den meisten anderen Themen überraschen die Forderungen des Wirtschaftsrates kaum. Die Bundesregierung soll den Breitbandausbau vorantreiben („Die Asiaten lachen doch nur über unser Ziel von 50 MB pro Sekunde“), die Infrastruktur erneuern („Das dauert viel zu lange“) und sich um die Bildung kümmern („Investitionen in die Köpfe“). Außerdem wünschen sich die Mitglieder ein Digitalministerium, in dem die verschiedenen Projekte zusammenlaufen. „Ob wir das im Wirtschaftsministerium bündeln oder sonst wo, ist dabei egal – Hauptsache wir bündeln es“, so Bahlsen.

Extralob für Schäuble

Ein interessantes Detail der Umfrage ist, dass die Mitglieder einzig Wolfgang Schäubles Haushaltspolitik mit großer Mehrheit unterstützten. „Die schwarze Null ist sein ganz persönlicher Verdienst“, lobt Präsident Bahlsen. Politikfelder wie die Europa- oder Einwanderungspolitik, die eher Bundeskanzlerin Angela Merkel zugeordnet werden, kommen dagegen weniger gut weg.

Wäre Schäuble also vielleicht sogar der bessere Kanzlerkandidat? Bahlsen windet sich. Schließlich muss ihm der Generalsekretär, Wolfgang Steiger, beispringen. „Wir sind ein Wirtschaftsrat – kein Personalrat“, sagt er.

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