WirtschaftsWoche Club Mehr Investitionen statt Steuersenkungen

Die Ökonomen und Regierungsberater Clemens Fuest und Marcel Fratzscher diskutierten beim Berliner Treff „Curry & Politics“ über Chancengleichheit, den Solidaritätszuschlag – und das neue Steuerkonzept der SPD.

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Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Quelle: dpa

Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und einer der einflussreichsten Ökonomen Deutschlands, treibt in diesen Tagen eine Sorge um. „Ich habe Angst, dass wir in einen Verteilungswahlkampf schlittern“, sagte er im Gespräch bei „Curry & Politics“, der Berliner Veranstaltungsreihe von WirtschaftsWoche und Handelsblatt in Berlin.

Eine Partei nach der anderen präsentiere derzeit ihre Pläne für Steuersenkungen, sagte Fraztscher. Doch ein großer Teil des überschüssigen Geldes, das nun verteilt werden soll, komme aus den Effekten der niedrigen Zinsen. „Ich finde, dass derzeit nicht so viel für Steuersenkungen spricht“, sagte Fratzscher.

Stattdessen würde er den Haushaltsüberschuss lieber in Infrastrukturprojekte, Bildung und Innovationsförderung stecken. „Chancengleichheit und soziale Mobilität sind die großen Herausforderungen unserer Zeit“, sagte Fratzscher. Der Ökonom glaubt, bei diesen Themen mit Investitionen mehr bewegen zu können als mit Steuersenkungen.

Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo-Instituts, ebenfalls unter den Top-Ten der einflussreichsten Ökonomen des Landes und ökonomischer Berater des Finanzministers, widersprach der Absage an Steuersenkungen. Er sehe durchaus Luft für Steuersenkungen, sagte er. „Es geht darum, ob wir einen noch größeren Staatssektor haben wollen – oder mehr Freiheit und Entlastungen für die Menschen.“

Das Problem an den Staatsausgaben sei, dass man nie wisse wofür sie verwendet werden. „Werden mit dem Geld dann tatsächlich Brücken saniert oder mehr für die Bildung getan – oder verbrennt man das Geld in der Rente und senkt das Eintrittsalter nochmal auf 62 Jahre?“

Relativ einig waren sich die beiden Top-Ökonomen in der Bewertung der neuen SPD-Steuerpläne. Marcel Fratzscher bezeichnete sie als guten Entwurf zur Entlastung der meisten Menschen in Deutschland. „Die oberen fünf Prozent der Bevölkerung werden stärker belastet – dafür bekommt aber die große Mehrheit der Leute etwas dazu“, sagte er.

Clemens Fuest sagte, das Schulz-Konzept sei sehr „moderat“ ausgefallen. „Das ist der Versuch der SPD, in die Mitte zu drängen.“ Problematisch sei einzig, dass sich die Erhöhung des Spitzensteuersatzes negativ auf die Personenunternehmen auswirken dürfte. „Das dürfte manche Unternehmer dazu veranlassen, Deutschland zu verlassen“, sagte er. „Das ist die Achillesverse des Konzeptes.“

In der im SPD-Konzept vorgeschlagenen Abschaffung des Solidaritätszuschlages für Einkommen bis 52.000 Euro sieht Fuest kein größeres Problem. Der Solidaritätszuschlag sei ohnehin auf eine bestimmte Zeitspanne angelegt gewesen, sagte Fuest. „Die Frage ist bloß, wann man ihn abschafft.“

"Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes"
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Neben Steuern diskutierten Fratzscher und Fuest über die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes für Menschen außerhalb Europas und ökonomische Ungleichheit innerhalb der deutschen Gesellschaft.

Während Fuest darauf verwies, dass die Zufriedenheit der Menschen seit zehn Jahre steige, machte Fratzscher eine Unwucht innerhalb der Gesellschaft aus. „Es gibt viele Menschen, die nicht die gleiche Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg des Landes haben wie andere“, sagte er. Dieses gesellschaftliche Potential gelte es zu bergen.

Beim Thema Einwanderung forderten beide Ökonomen ein umfassendes und transparentes Einwanderungsgesetz für Nicht-EU-Ausländer. „Das wäre ein gutes Signal nach außen“, sagte Fratzscher. Fuest ergänzte, dass sich Deutschland mehr um Hochqualifizierte Einwanderer bemühen müsse. „Viele Leute in Deutschland denken, dass die nur darauf warten hierhin zu kommen – aber das ist mitnichten so.“

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