Keine zwei Wochen nach dem Blutbad von Nizza hat ein tödlicher Anschlag auf eine Kirche Frankreich aufs Neue erschüttert. Zwei Angreifer drangen am Dienstagvormittag in eine katholische Kirche in der Nähe von Rouen ein und nahmen fünf Geiseln. Sie töteten einen 84 Jahre alten Priester und verletzten einen weiteren Menschen schwer. Sie hätten sich auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) berufen, sagte Präsident François Hollande. Die mutmaßlichen Täter wurden von der Polizei erschossen. Politiker wie Geistliche verurteilten den Angriff auf ein Gotteshaus und Gläubige scharf.
Wenig später beanspruchte der IS den Anschlag für sich, wie das IS-Sprachrohr Amak mitteilte. Die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen. In welcher Form sich die Täter zum IS bekannt haben oder in welcher Verbindung sie zur IS-Terrormiliz standen, gaben die Behörden zunächst nicht bekannt.
Einer der Täter war als Extremist bekannt
Nach Medienberichten war einer der beiden Angreifer den Sicherheitsbehörden offenbar bekannt. Zu dem Mann gebe es einen Eintrag in einer Datenbank mit Personen, die als radikalisiert eingestuft worden seien, berichtete die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag unter Berufung auf Ermittlerkreise. Er habe im Vorjahr versucht, nach Syrien zu gelangen. Bei seiner Rückkehr sei ein Anklageverfahren gegen ihn wegen Terrorverdachts eröffnet worden.
Frankreich und der Terror
Am französischen Nationalfeiertag am 14. Juli rast in der Hafenstadt Nizza ein Attentäter mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge. Mindestens 84 Menschen werden getötet, mehr als 200 verletzt.
Am 26. Juli haben in Saint-Étienne-du-Rouvray in der Normandie zwei Geiselnehmer einen Priester getötet, ein weiteres Opfer schwebt in Lebensgefahr. Die mutmaßlichen Täter wurden getötet. Der IS reklamierte die Tat über sein Sprachrohr Amak für sich.
Ein Mann ersticht in Magnanville westlich von Paris einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin. Die Polizei erschießt den Täter, der sich zuvor zum IS bekannt hatte.
Am Jahrestag der Anschläge auf „Charlie Hebdo“ schießen Polizisten vor einem Pariser Kommissariat einen Mann nieder. Er war mit einem Messer bewaffnet und trug die Attrappe einer Sprengstoffweste.
Bei einer koordinierten Anschlagsserie in Paris töten IS-Extremisten 130 Menschen. In der Konzerthalle „Bataclan“ richten sie ein Massaker an, Bars und Restaurants werden beschossen, am Stade de France sprengen sich während des Fußball-Länderspiels Frankreich-Deutschland drei Selbstmordattentäter in die Luft.
Ein 25-jähriger Islamist wird im Thalys-Schnellzug auf dem Weg von Brüssel nach Paris bei einem Anschlagversuch mit einem Schnellfeuergewehr von Fahrgästen überwältigt. Zwei Zuginsassen werden verletzt.
Bei einem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris werden zwölf Menschen ermordet. Die beiden islamistischen Attentäter Chérif und Said Kouachi kommen zwei Tage später bei einer Polizeiaktion nordöstlich von Paris um. Der Islamist Amedy Coulibaly, der die Brüder Kouachi kannte, erschießt bei Paris eine Polizistin und nimmt mehrere Geiseln in einem jüdischen Supermarkt. Er tötet dort vier Menschen, bevor er von der Polizei erschossen wird.
Die Gruppe Jund al-Khilafa („Soldaten des Kalifats“), ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat, enthauptet einen in Algerien entführten französischen Touristen.
In Mali werden zwei Mitarbeiter von Radio France Internationale (RFI) entführt und ermordet. Die Terrororganisation Al-Kaida im islamischen Maghreb bekennt sich zur Tat. Zuvor hatte sich die Gruppe dazu bekannt, eine andere französische Geisel getötet zu haben.
Ein Serien-Attentäter erschießt sieben Menschen, darunter drei Kinder und einen Lehrer einer jüdischen Schule. Er wird nach rund 32-stündiger Polizeibelagerung seiner Wohnung erschossen. Zuvor hatte er sich als Al-Kaida-Anhänger bezeichnet.
Vor der Küste Jemens rammt ein mit Sprengstoff beladenes Boot den französischen Tanker „Limburg“. Ein Matrose kommt ums Leben. Al-Kaida bekennt sich zu dem Anschlag.
Bei einem Anschlag mit einer Gasflaschen-Bombe im Pariser S-Bahnhof Port Royal kommen vier Menschen ums Leben. Bereits 1995 waren bei einer Serie von Terroranschlägen, die islamischen Fundamentalisten aus Algerien zugeschrieben werden, in Frankreich insgesamt acht Menschen getötet worden.
Bei einem Absturz eines französischen Flugzeugs in Folge einer Bombenexplosion an Bord über dem afrikanischen Staat Niger sterben 170 Menschen. Ein französisches Gericht verurteilt sechs Libyer in Abwesenheit zu lebenslanger Haft, unter ihnen einen Schwager des damaligen libyschen Staatschefs Muammar el Gaddafi.
Der Mann kam dem Bericht zufolge vorübergehend in Haft und wurde später mit einer elektronischen Fußfessel wieder freigelassen. Die Informationen von AFP stimmen mit Angaben des Senders iTele überein.
Hollande sagte bei einem Besuch am Tatort in Saint-Étienne-du-Rouvray in der Nähe von Rouen, der IS habe den Krieg erklärt. „Wir werden diesen Krieg mit allen Mitteln führen“, betonte der Staatschef. Erst vergangene Woche hatte das Pariser Parlament den nach den Pariser Anschlägen vom 13. November verhängten Ausnahmezustand um weitere sechs Monate verlängert.
Die Polizei schoss auf die beiden Täter, als sie die Kirche verließen - die genauen Umstände waren zunächst unklar. Französische Medien berichteten unter Berufung auf Polizeikreise, sie seien mit Hieb- oder Stichwaffen bewaffnet gewesen.
Papst sprich von sinnloser Gewalt
„Ich schreie zu Gott“, sagte der Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun. Frankreichs Premierminister Manuel Valls verurteilte eine „barbarische Attacke“. „Ganz Frankreich und alle Katholiken sind verletzt worden. Wir stehen zusammen“, schrieb er auf Twitter. Staatschef Hollande versprach den französischen Katholiken seine Unterstützung und setzte für Mittwoch ein Treffen mit den Vertretern der Glaubensgemeinschaften an. „Was diese Terroristen wollen, ist uns zu spalten.“
Papst Franziskus verurteilte die Geiselnahme als „sinnlose Gewalt“. „Der Papst ist informiert und nimmt teil am Schmerz und am Grauen dieser sinnlosen Gewalt und verurteilt jede Form von Hass auf das Schärfste“, erklärte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Dienstag.
Horreur face à l'attaque barbare d'une église de Seine-Maritime. La France entière et tous les catholiques sont meurtris. Nous ferons bloc.
— Manuel Valls (@manuelvalls) 26. Juli 2016
„Wir sind besonders betroffen, weil diese entsetzliche Gewalt mit der barbarischen Ermordung eines Priesters und mit der Beteiligung von Gläubigen in einer Kirche stattgefunden hat, einem heiligen Ort, wo die Liebe Gottes verkündet wird“, sagte Lombardi.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: „Der fanatische Hass macht jetzt noch nicht einmal Halt vor Gotteshäusern und Gläubigen“. Deutschland bleibe entschlossen, gemeinsam mit seinen Partnern dem Terrorismus die Stirn zu bieten. „Wir werden unsere Werte, unsere Freiheit und unsere Art zu leben, nicht aufgeben.“
Frankreich war in den vergangenen eineinhalb Jahren immer wieder das Ziel schwerer Anschläge. Zuletzt tötete ein 31-jähriger Tunesier 84 Menschen, als er am Nationalfeiertag mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge auf dem Strandboulevard von Nizza raste. Die Polizei erschoss den Mann.
Seit den verheerenden Pariser Anschlägen mit 130 Toten gilt im Land der Ausnahmezustand, in der Hauptstadt patrouillieren schwer bewaffnete Soldaten. Im Frühjahr 2015 vereitelten die Sicherheitsbehörden nach offiziellen Angaben bereits einen geplanten Anschlag auf eine Kirche. Damals wurde ein 24-jähriger Student verhaftet.