Zum Europäischen Gipfel zeigte sich Rom mal wieder als die schönste Stadt Europas. Das Frühlingswetter lud zum Bummeln ein, nach ihrer Visite beim Papst schlenderte Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Campo de’ Fiori. Am Tag drauf feierte sie auf Einladung von Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni zusammen mit den EU-Staats- und -Regierungschef im strahlend weißen Kapitol den 60. Geburtstag der Gemeinschaft. Das Forum Romanum mit seinen Überresten der Antike lag der EU-Spitze zu Füßen und erinnerte an eine Zeit, als die Europäer im Mittelpunkt der Welt standen. Gastgeber Gentiloni platzte vor Stolz und fand pathetische Worte. Kein Wunder, keiner seiner Kollegen kann mit so einer Kulisse aufwarten. Doch da beginnen die Probleme.
Vieles, was Gentiloni präsentierte, sind eben nur Kulissen. Das fängt bei Roms Grandezza an, hinter deren Fassade gerade ein schmieriger Korruptionsskandal tobt. Setzt sich beim Bekenntnis Italiens zum Euro fort, das Pflichterfüllung lediglich vorgibt. Und hört bei Gentiloni persönlich auf, der den Regierungschef nur mimt. Und so spiegelte sich auch an diesem Jubeltag die wahre Lage Italiens eher hinter den Kulissen als auf der Bühne wider. Dort nämlich ließ, während Gentiloni Europas Einheit pries, der wahre Mächtige der italienischen Politik verlauten, wer in Italien das Sagen hat: „Der Stabilitätspakt ist ein Pakt der Dummheit. Es ist klar, dass ich neu darüber diskutieren will, weil Europa so, wie es ist, nicht funktioniert. Für zu lange Zeit haben wir Ja gesagt zu allem, was die EU verlangt hat“, sprach Matteo Renzi, Gentilonis Vorgänger und Möchtegern-Nachfolger. Das Jasagen aber, das sei vorbei.
Im Dezember entschieden sich die Italiener in einem Verfassungsreferendum gegen den Vorschlag des damaligen Regierungschefs Renzi. Der trat zurück, an seiner statt sollte Gentiloni übergangsweise regieren. Renzi wollte sich derweil seiner Wiederwahl widmen. Doch nun verschieben sich Neuwahlen wohl ins Jahr 2018. Italien aber kann sich den entbrannten Dauerwahlkampf nicht leisten. Vier Milliarden Euro Kapital sind allein im Januar aus dem Land geflossen. Der Abstand zwischen den Renditen deutscher und italienischer Staatsanleihen, der die Risikoeinschätzung der Märkte wiedergibt, steigt. Die Ratingagentur Moody’s stellte die Bonitätsnote auf den Prüfstand. „Irgendwann werden die Märkte zuschlagen“, heißt es in der Euro-Gruppe. Und die EU-Kommission warnt: „Die italienische Wirtschaft ist angesichts ihrer systemischen Bedeutung potenziell ein Auslöser für Ansteckungseffekte in der Euro-Zone.“
Dabei muss Italien in den nächsten Wochen gleich drei gigantische Aufgaben bewältigen: Es muss Milliardenausgaben kürzen, um den Euro-Stabilitätspakt nicht zu grob zu unterlaufen. Es muss sein milliardenteures Bankenproblem lösen, obwohl die Euro-Regeln staatliche Hilfen verbieten. Und es muss eine historische Rekordzahl an Flüchtlingen aus Afrika versorgen, was Milliarden kostet. Warum bewegt sich das Land dennoch nicht aus dieser seltsamen Starre?