EZB-Ratssitzung Draghi beginnt die QE-Ausstiegs-Debatte, die er lange vermied

Mario Draghi ist bereit zu reden. Im Rat der Europäischen Zentralbank werden Szenarien für den Einstieg in das Ende der expansiven Geldpolitik diskutiert. Die Probleme lauern bei Euro-Wechselkurs, Inflation und Anleihen.

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EZB-Präsident Mario Draghi Quelle: REUTERS

Die Europäische Zentralbank (EZB) berät an diesem Vormittag in der Frankfurter Zentrale über die Zinsen und ihre billionenschweren Anleihenkäufe. Börsianer erhoffen sich von Notenbank-Chef Mario Draghi Signale, wie es mit den besonders in Deutschland umstrittenen Wertpapierkäufen weitergehen soll. Denn die Transaktionen laufen Ende 2017 aus. Da die Wirtschaft im Euro-Raum wieder deutlich wächst, könnten die Notenbanker einen weiteren Mini-Schritt in Richtung einer weniger expansiven Geldpolitik wagen. Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sprach sich dafür aus, die Anleihenkäufe ab Januar 2018 schrittweise abzuschmelzen. Endgültige Entscheidungen über eine Eindämmung der Geldflut erwarten die meisten Experten aber noch nicht.

An den Leitzinsen, die bereits seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent liegen, dürften die Ratsmitglieder nicht rütteln. Die EZB will ihren Beschluss um 13.45 Uhr bekanntgeben und später auf einer Pressekonferenz erläutern.

Mit Spannung erwartet wird Draghis Ausblick auf den künftigen EZB-Kurs. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am Mittwoch eine Debatte über die künftigen geldpolitischen Impulse der Notenbank eröffnet, nachdem den EZB-Ratsmitgliedern eine Reihe verschiedener Szenarien für die Rückführung der Anleihekäufe vorgelegt worden waren, wie mit dem Sachverhalt vertraute Personen sagten.

Mit dem Beginn der Debatte über eine Normalisierung der Geldpolitik hält Draghi ein Versprechen aus dem Juli ein, die Gespräche im Herbst zu starten. Eine formelle Ankündigung des nächsten Schritts dürfte aber nicht vor dem Treffen im Oktober erfolgen.

Monatelang hatte Draghi eine solche Diskussion vermieden aus Sorge um die niedrige Inflation und im Bewusstsein möglicher Marktturbulenzen bei jeglichen Hinweisen auf einen Ausstieg. Doch nun, da das Risiko gestiegen ist, dass eine verspätete Entscheidung die Anleger nervös macht, lautet die Herausforderung, einen Weg zu finden, mit der Verringerung der quantitativen Lockerungen zu beginnen und gleichzeitig zu versichern, dass jede Veränderung schrittweise erfolgen wird.

"Sie steigen in eine Phase der Entscheidungsfindung ein", sagte Björn Eberhardt, Head of Global Macroeconomic Research bei der Credit Suisse. "Es gibt zahlreiche Aspekte, die beachtet werden müssen - das ist auch die Anleihenknappheit, die in Richtung der Mitte des kommenden Jahres ein Problem werden wird."

Diese aktualisierten Konjunkturprognosen werden gute Nachrichten hinsichtlich der konjunkturellen Erholung enthalten. Dem gemeinsamen Währungsgebiet steht das stärkste Wachstum seit einem Jahrzehnt bevor, die Arbeitslosigkeit sinkt schneller als erwartet und das Vertrauen liegt nahe den Vorkrisenniveaus. Die Inflation tut sich allerdings schwer, ebenfalls anzuziehen. Mit einem Wert von 1,5 Prozent im August lag die Jahresteuerung nach wie vor unter dem Ziel der Zentralbank von unter, aber immerhin nahe der angestrebten zwei Prozent. Zudem zeigen weder der allgemeine Preisdruck noch die Löhne Anzeichen einer deutlichen Zunahme.

Ein Bereich besonderer Sorge ist der Wechselkurs. Der handelsgewichtete Anstieg des Euro um nahezu sechs Prozent in diesem Jahr und über 13 Prozent zum Dollar bedeutet Abwärtsdruck für die Inflation und droht gleichzeitig die Exportwirtschaft zu belasten. Während von Bloomberg befragte Volkswirte mit Blick auf die Wachstumsaussichten einigermaßen zuversichtlich bleiben, erwartet die Hälfte von ihnen Abwärtsrevisionen für die Inflationsprognose der EZB für das kommende Jahr.

Bislang hat Draghi an seinem Mantra festgehalten, dass die EZB geduldig und ausdauernd in ihrer Geldpolitik sein müsse. Bei seinen beiden öffentlichen Auftritten über den Sommer hinweg gab er nahezu keine Hinweise auf die künftige Geldpolitik. Während seiner Rede beim Symposium der Federal Reserve in Jackson Hole wurde der Euro zeitweise sogar über der Marke von 1,20 Dollar gehandelt, da Anleger sein Schweigen zur Aufwertung der Gemeinschaftswährung als stillschweigende Zustimmung interpretierten.

Was den Euro zuletzt nach oben getrieben hat

Für viele Ökonomen hat die Notenbank aber wenige Alternativen zur Verlangsamung ihrer Ankäufe im kommenden Jahr - ganz einfach deswegen, weil ihr bald die Anleihen ausgehen werden. Die Bestände sollen bis zum Jahresende annähernd 2,3 Billionen Euro erreichen, was nahezu einem Viertel der jährlichen Emissionen im Euroraum entspricht. Geldpolitiker haben dem entgegengehalten, dass weder die Entschlossenheit noch der Umfang unterschätzt werden sollten, die QE-Parameter anzupassen.

"Dass es bereits einige ’weiche’ Anpassungen des Programms gegeben hat, ohne dass die Märkte davon sonderlich Notiz genommen haben, sollte die EZB darin bestätigen, dass dies womöglich der Weg ist, der 2018 fortgesetzt werden sollte", sagte Marchel Alexandrovich, Ökonom bei Jefferies.

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