Freytags-Frage

Sollten wir die Unternehmenssteuer in Europa angleichen?

Die EU könnte auf ein Signal des Zusammenhalts setzen und die Unternehmenssteuer europaweit harmonisieren. Doch was zunächst gut klingt, hat diverse Nachteile. Und es lenkt von der eigentlichen Problematik ab.

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Sollten wir die Unternehmenssteuer in Europa angleichen? Quelle: REUTERS

In seiner aufsehenerregenden Rede hat der französische Präsident Emanuel Macron vieles gefordert, was in den kommenden Monaten noch für viel Zündstoff sorgen wird. Man denke nur an die einigermaßen realitätsfremde Idee des Eurozonen-Budgets. Etwas weniger kontrovers allerdings scheint sein Vorschlag zu sein, die Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union (EU) zu harmonisieren, wenigstens in einem etwas engeren Korridor als bisher üblich.

Dieser Vorschlag muss auch vor dem Hintergrund der Reformpläne des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump gesehen werden, die die hohen Unternehmenssteuersätze in den Vereinigten Staaten (USA) senken will. Denn der französische Präsident beklagt ja keineswegs zu hohe Steuersätze in anderen Mitgliedsländern.

Insofern ist zunächst grundsätzlich festzuhalten, dass eine Harmonisierung nach oben, also hin zu deutschen oder französischen Sätzen, die Wettbewerbsfähigkeit Europas als Investitionsstandort im Vergleich zur USA nicht verbessern dürfte, sofern es dort zur Umsetzung der Steuerreform kommt. Gegeben die bisherige Erfolgsbilanz des US-Präsidenten muss man allerdings nicht allzu viel Sorge haben.

Dennoch lohnt es sich, einmal über die Frage nachzudenken, wie eine Angleichung der Steuersätze für Unternehmen in der EU wirkt.

  • Zunächst einmal wirkt es in dem Sinne positiv, dass ein Signal ausgesandt würde, dass die EU sich gemeinsam entwickelt und dass Konvergenz stattfindet. Es würde sozusagen ein Aufholprozess dokumentiert.
  • Außerdem würde deutlich signalisiert werden, dass die EU sich nicht in einem internen Wettbewerb um Unternehmen zerfleischen lassen will. Erpressungspotential von Unternehmen könnte so verringert werden.

Allerdings gibt es auch mindestens drei überzeugende Argumente für Steuerwettbewerb.

  • Erstens sind Steuern oftmals proportional zu den Leistungen, die die öffentliche Hand damit finanziert; d.h. ein hohes Niveau geht einher mit guter öffentlicher Infrastruktur. Eine niedrige Belastung führt dann zu einer weniger leistungsfähigen Infrastruktur.
  • Darüber hinaus führt Wettbewerb zu Lösungen, die ohne Wettbewerb nicht entwickelt würden; das gilt sicherlich auch für den Steuerwettbewerb zwischen Regierungen. Harmonisierung verschenkt dieses Innovationspotential in der Politik.
  • Außerdem kann man Harmonisierung auch als Kartellierung begreifen. Denn bei harmonisierten Sätzen könnten Regierungen den Eindruck bekommen, sie müssten sich nicht mehr anstrengen, um Investoren anzuziehen und so etwas für ihre Bevölkerung zu tun. Wettbewerb sorgt der Schläfrigkeit und Gleichgültigkeit vor und ist damit im Sinne der Menschen. Dies wird von Politikern zwar regelmäßig bestritten; aber dies ist nur rational und wird auch von anderen Akteuren im Wettbewerb gerne vorgetragen.

Somit spricht nicht allzu viel für Harmonisierung. Dies gilt, wie oben angedeutet, umso mehr, wenn man sich darüber im Klaren ist, dass Investoren heute nicht auf die EU beschränkt sind, sondern gute Alternativen haben, beispielsweise eben die USA, aber natürlich auch andere europäische (Stichwort Brexit) und außereuropäische Standorte.

Damit ist die Frage aber noch nicht vollständig beantwortet. Denn die gesamte Diskussion um Unternehmens- oder Kapitalbesteuerung leidet unter einer gewissen Einäugigkeit. Es wird so getan, als könnte man international mobiles Kapital leicht besteuern. Schon allein deshalb, damit die Steuerpolitik nicht als sozial verzerrt wirkt. Es darf nicht der Eindruck entstehen, nur Arbeitnehmer zahlten Steuern.

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