Theresa May Warum es jetzt Neuwahlen geben soll

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Cameron hatte sich für Verbleib der Briten stark gemacht

Wie geht es danach weiter?

Erhält May die erforderliche Mehrheit zur Auflösung des Parlaments, so wird sie sich anschließend unverzüglich zu Königin Elisabeth in den Buckingham Palace fahren lassen. Denn rein formal ist die Queen diejenige, die den Regierungschef abberufen muss. Erst am 13. Juli 2016 – also vor acht Monaten – hatte May von der Queen den Regierungsauftrag erhalten. Sie war damals überraschend schnell zur Nachfolgerin von David Cameron ernannt worden, der am 24. Juni unmittelbar im Anschluss an das EU-Referendum zurückgetreten war.

Cameron hatte sich für den Verbleib der Briten in der EU stark gemacht. Der innerparteiliche Kampf um seine Nachfolge wurde unerwartet kurzfristig entschieden – die bisherige Innenministerin zog in die 10 Downing Street ein.

Was der Abschied der Briten bedeutet

Wie wird der Wahlkampf?

Extrem kurz. In nur sechs Wochen werden die Briten wählen – nach den französischen Präsidentschaftswahlen und noch vor den Bundestagswahlen in Deutschland. Der Brexit und die Zukunft Großbritanniens außerhalb der EU werden im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stehen. Man darf gespannt sein, ob May dafür plädieren wird, Großbritannien in ein Steuerparadies für internationale Konzerne und Banken umzufunktionieren. Innenpolitisch tritt sie nämlich für ein gerechteres und faireres Modell ein. Sie betont stets, sie wolle keine Regierungschefin für die Elite sein und stattdessen die Lage der weniger privilegierten Briten verbessern. Das dürfte dann auch im Wahlprogramm der Tories eine prominente Rolle spielen. Im Grunde aber wird sich alles um den Brexit drehen.

Welche Rolle spielt die Wirtschaft bei der Zeitplanung?

Allen Unkenrufen zum Trotz steht Großbritanniens Wirtschaft seit dem Brexit-Votum gut da. Dank des ungetrübten Optimismus der britischen Verbraucher und befeuert von der Pfundabwertung ist der erwartete Konjunktureinbruch bisher ausgeblieben. Aber es gibt bereits erste Anzeichen für ein Anziehen der Inflationsrate, auf die Dauer werden die Preise steigen und die Zuversicht der Verbraucher wird damit wohl gedämpft.

Sollten die Briten künftig keinen ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt erhalten – und darauf deutet alles hin – dann werden die Exporteure ungeachtet des schwachen Pfundes langfristig das Nachsehen haben. Das dicke Ende des Brexit für die britische Wirtschaft steht also noch bevor. May ist daher klug beraten, ihre Landsleute jetzt wählen zu lassen, wo es ihnen noch gut geht.

Wie riskant ist Mays Schritt?

In den vergangenen Monaten hatte die Premierministerin immerzu betont, sie werde sich auf die Brexit-Verhandlungen konzentrieren und sich vor allem darum bemühen, das bestmögliche Ergebnis für Großbritannien zu erzielen. Vorgezogene Wahlen hatte sie in mehreren Interviews nachdrücklich ausgeschlossen. Mit ihrer radikalen Kehrtwende, die selbst Insider überraschte, manche sogar schockierte, erwies sich May als typische Politikerin, die nach dem Motto agiert: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Damit büßt sie an Glaubwürdigkeit ein, auch wenn sie nun argumentiert, die mangelnde Geschlossenheit der Parteien in der Brexit-Frage sei der Grund dafür. Hinzu kommt: May setzt nun auf einen überzeugenden Sieg der Tories. Doch der könnte ihr verwehrt bleiben. Wahlforscher wie Professor John Curtice warnen May vor Illusionen – sie betreibe ein riskantes Spiel. Nicht zuletzt könnte sich nach dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2014, den Parlamentswahlen im Mai 2015, dem EU-Referendum im letzten Jahr und den Kommunalwahlen in diesem Mai, bei den Briten Wahlmüdigkeit breit machen.

Könnte der Brexit durch die Wahl rückgängig gemacht werden?

Damit sollte man nicht rechnen. Die Tories dürften als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgehen und selbst die Labour-Partei will den Brexit nicht mehr stoppen. Die europafreundlichen Liberaldemokraten sind heute lediglich eine schwache Splitterpartei und die SNP tritt ja nur in Schottland an. In ihrer Ansprache Dienstagvormittag sagte es May klipp und klar: „Großbritannien verlässt die EU. Einen Rückweg gibt es nicht.“

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