Angst vor Deflation

Sind fallende Preise ein Problem?

Martin Feldstein Quelle: Bloomberg, Montage
Martin S. Feldstein US-amerikanischer Ökonom, Professor für Wirtschaftswissenschaften und ehemaliger Oberster Wirtschaftsberater für US-Präsident Ronald Reagan Zur Kolumnen-Übersicht: Post aus Harvard

Die von den großen Notenbanken geschürte Angst vor einer deflationären Abwärtsspirale ist wenig stichhaltig. Und womöglich geht es der Geldpolitik um ganz andere Dinge als das Preisniveau.

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Zehn Tipps gegen die Deflation
Die Deflationsangst in der Euro-Zone ist weiterhin groß, in den vergangenen Monaten fiel die Inflationsrate eher mager aus. Doch für eine Panik gibt es keinen Grund. Wer die niedrige Teuerung ausschließlich verteufelt, tut ihr Unrecht. Quelle: AP
Deflation herrscht dann, wenn die Preise über einen längeren Zeitraum sinken. Eine wirtschaftliche Situation also, in der das Angebot an Waren und Dienstleistungen größer ist als die Nachfrage - das drückt die Preise. Verbraucher könnten dann eigentlich kaufen. Aber sie tun es nicht, weil sie annehmen, dass die Preise weiter sinken. Ein Einnahmeausfall ist die Folge. Was dagegen gemacht werden kann... Quelle: dpa
... der Staat sollte versuchen, durch eigene Investitionen die Nachfrage zu stimulieren. Das Sanieren von öffentlichen Gebäuden oder Investitionen in andere große Bauprojekte können ein erster Schritt sein. Quelle: dpa
Möglich wäre auch der Ausbau von neuen Bahnstrecken oder Autobahnen. Durch staatliche Investitionen sinkt zusätzlich die Arbeitslosigkeit, während der Konsum weiter steigt. Quelle: dpa
Ein weiteres Maßnahmenbündel wären Steuersenkungen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Im Detail bedeutet das: Die Senkung der Unternehmenssteuern schafft Anreize, um in die Produktion zu investieren; eine Senkung der Einkommenssteuer entlastet die Arbeitnehmer. Quelle: dpa
Die Senkung des Leitzinses könnte einer Deflation entgegen wirken, weil so günstigere Kredite vergeben werden können... Quelle: dpa
... aber es kann eben auch sein, dass das mal nicht klappt - wie in Japan. Der Staat kämpft bereits seit 1990 mit einer deflationären Entwicklung seiner Wirtschaft. Zinssenkungen sollten das eigentlich eindämmen, aber die Nachfrage hat sich dadurch trotzdem nicht verbessert. Der Leitzins liegt mittlerweile bei um die null Prozent. Quelle: REUTERS

Die großen Zentralbanken der Welt sind derzeit von einer fixen Idee besessen: Sie wollen ihre Inflationsraten auf etwa zwei Prozent jährlich nach oben treiben. Das gilt für die USA, wo die Inflationsrate in den vergangenen zwölf Monaten bei minus 0,1 Prozent lag, aber auch für Großbritannien (hier zeigen jüngste Daten ein Preiswachstum von 0,3 Prozent) und die Eurozone, wo die Verbraucherpreise zuletzt um 0,6 Prozent fielen. Aber ist dies wirklich ein Problem?

Notenbanken rund um den Globus lockern ihre Geldpolitik

Hauptgrund für den jüngsten Rückgang der Inflationsrate ist der dramatische Verfall der Energiepreise. In den USA betrug die Kerninflationsrate (also ohne die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise) in den vergangenen zwölf Monaten immerhin 1,6 Prozent. In den USA wird die Inflation auch durch den im Verhältnis zum Euro und zu anderen Währungen steigenden Dollarkurs gedämpft, weil dadurch die Importpreise sinken. Dabei handelt es sich um einen Niveaueffekt, der steigende Inflation verheißt, sobald der Dollar nicht mehr aufwertet.

Obwohl sich die Zentralbanken dieser Fakten bewusst sind, halten sie weiterhin an extrem niedrigen Zinssätzen fest, um die Nachfrage und damit die Inflation anzukurbeln. Hinzu kommt der Besitz großer Bestände an staatlichen und privaten Anleihen; in Europa und Japan kaufen die Notenbanken weiter Anleihen in großem Stil.

Die Zentralbanker rechtfertigen ihre Sorge vor niedriger Inflation mit dem Argument, ein negativer Nachfrageschock können in den Volkswirtschaften zu anhaltender Deflation führen, in Rahmen derer das allgemeine Preisniveau Jahr für Jahr weiter sinkt. Das hätte gravierende Folgen auf Gesamtnachfrage und Beschäftigung. Zunächst würde das sinkende Preisniveau für einen Anstieg des Wertes der realen Schulden von Haushalten und Unternehmen sorgen. Dadurch wären diese ärmer und ihre Sparbereitschaft würde leiden. Zweitens bedeutet negative Inflation, dass die Realzinsen steigen, weil die Zentralbanken den Nominalzinssatz nicht unter Null senken können. Höhere Realzinsen wiederum dämpfen die Investitionen der Unternehmen und die Aktivitäten im Wohnungsbau.

Die wichtigsten Fakten zur niedrigen Inflation

Theoretisch könnte die Kombination aus höheren realen Schulden und höheren Realzinsen aufgrund der gedämpften gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zu weiterem Preisverfall und in weiterer Folge sogar zu noch höheren negativen Inflationsraten führen. Infolge dieser Entwicklung würden die Realzinsen weiter ansteigen und die Wirtschaft noch tiefer in eine Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und sinkender Nachfrage geraten.

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