Konjunktur 2017 „In den USA droht ein protektionistischer Amoklauf“

Protektionismus, Euro-Krise, Investitionslücke: 2017 wird für die Wirtschaft zu einem Jahr der Risiken. Wohin driftet die deutsche Konjunktur? Und wie sollte Europa auf die Abschottungspolitik von Donald Trump reagieren? Im Rahmen des WirtschaftsWoche Clubs trafen sich in unserer Redaktion zwei renommierte Ökonomen zum Streitgespräch.

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Stefan-Kooths-und-Gustav- A.-Horn Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Professor Kooths, Professor Horn, die Politik von US-Präsident Donald Trump und die Brexit-Entscheidung der Briten wirbeln derzeit die Wirtschaftspolitik durcheinander. Wird das die deutsche Konjunktur bremsen?

Horn: Die Ereignisse gehen nicht spurlos an der deutschen Wirtschaft vorüber. Die Exporte laufen schlechter als in früheren Jahren. Aber der private Konsum, der vom Beschäftigungsboom und kräftigen Lohnzuwächsen profitiert, stützt die Konjunktur und schützt uns noch vor außenwirtschaftlichen Verwerfungen.

Kooths: Es sind nicht nur die neoprotektionistischen Tendenzen, die die deutsche Wirtschaft gefährden. Der Aufschwung geht mittlerweile in sein viertes Jahr. Doch unter der Oberfläche haben sich große Risiken angesammelt. Die Europäische Zentralbank (EZB) drückt die Zinsen seit Jahren künstlich nach unten und verzerrt so die Produktionsstrukturen. Setzt die EZB die lockere Geldpolitik fort, werden die Fehlinvestitionen zunehmen und das künftige Wachstumspotenzial gefährden.

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Derzeit halten sich die Unternehmen mit Investitionen aber zurück ...

Horn: ... weil sie extrem verunsichert sind. Sie fragen sich, ob es den Euro-Raum in einigen Jahren noch geben wird. Das hält sie davon ab, ihre Kapazitäten zu erweitern. Die EZB hält die Zinsen richtigerweise niedrig, weil sie hofft, dass die Unternehmen dann mehr investieren.

Sie tun es aber nicht.

Horn: Deshalb muss die Geldpolitik durch die Finanzpolitik unterstützt werden. Wir brauchen einen öffentlichen Investitionsschub im Euro-Raum.

Was die Schulden in die Höhe treibt.

Horn: Die EU-Schuldenregeln sind ökonomisch willkürlich gewählt. In keinem Lehrbuch steht, dass Haushaltsdefizite maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen dürfen. Die Regeln sind ein starres Korsett, in dem sich die Wirtschaft nicht entfalten kann. Daher benötigen wir mehr fiskalpolitische Flexibilität.

Kooths: Die Euro-Zone leidet darunter, dass es keine gemeinsame Vorstellung über die Bedeutung von Regeln gibt. Deutschland setzt auf Regelbindung, Staaten wie Frankreich und Italien lehnen Regeln ab, weil sie mehr Spielraum für Interventionismus wollen. Solange sich an diesem Dissens nichts ändert, bleibt der Euro-Raum ein fragiles Gebilde. Konjunkturprogramme, wie Herr Horn sie fordert, würden die Konjunktur in Deutschland überhitzen. Dem Boom folgt der Bust auf dem Fuße. Auch im übrigen Euro-Raum sind Konjunkturprogramme fehl am Platz. Die dort seit Jahren währende Schwächephase zeigt, dass die Länder unter strukturellen Problemen leiden – denen man mit Konjunkturprogrammen nicht beikommt.

Horn: Sie machen einen fundamentalen Denkfehler: Sie trennen zwischen Konjunktur und Wachstum. Wenn Unternehmen investieren, kurbelt das die Nachfrage nach Investitionsgütern und damit die Konjunktur an. Andererseits steigen dadurch die Produktionsmöglichkeiten, was das langfristige Wachstumspotenzial erhöht. Daher macht es in jedem Fall Sinn, die Investitionen zu steigern.

Kooths: Das ist reines Tonnendenken nach dem Motto: Mehr ist immer besser. Tatsächlich kommt es aber darauf an, einen marktfähigen Kapitalstock aufzubauen. Das können nur die Unternehmer leisten, die bei Investitionen nach Rentabilitätsgesichtspunkten entscheiden. Investitionen und Produktion müssen letztlich dem Konsum dienen. Das tun sie nur, wenn sie durch Marktsignale gesteuert werden.

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