Konjunkturbericht Fürchtet den Boom!

Die fünf Wirtschaftsweisen warnen vor einer Überhitzung der Konjunktur. Zu Recht. Wer, wenn nicht die Ökonomen, sollte vor diesem bösen Erwachen warnen?

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Quelle: dpa

Ein guter Ökonom muss zuweilen ein Spielverderber sein. Besonders dann, wenn er Politiker berät. Denn diese neigen dazu, sich und dem Publikum die Welt schön zu reden - vor allem wenn sie selbst in der Regierung sitzen. Gemessen daran haben die fünf Wirtschaftsweisen, die heute ihr Jahresgutachten vorgelegt haben, Lob verdient.

In ihrem Gutachten warnen die Ökonomen vor einer Überhitzung der deutschen Wirtschaft. Mit Wachstumsraten von 2,0 Prozent in diesem und 2,2 Prozent im nächsten Jahr wachse die deutsche Wirtschaft schneller als es ihren langfristigen Möglichkeiten entspricht, die die Weisen auf eine Wachstumsrate von 1,4 Prozent taxieren. Daher drohten eine Überauslastung der Produktionskapazitäten und steigende Preise.

Schon im nächsten Jahr werde die Inflationsrate bei 1,8 Prozent liegen.

Die Politiker dürften die Mahnadresse der Ökonomen nur ungern hören. Denn die boomende Konjunktur spült ihnen viel Steuergeld in die öffentlichen Kassen, das sie gern mit vollen Händen ausgeben, um ihre Wahlversprechen zu erfüllen und ihre Wählerklientel zu befriedigen. Sie werfen den Ökonomen vor, immerzu einen Grund zum Meckern zu finden, sei es, dass die Wirtschaft zu langsam, sei es, dass sie zu schnell wächst.  

Wirtschaftsweisen heben Konjunkturprognose an

Doch die Wirtschaftsweisen verfehlten ihren Auftrag, die Politik kritisch zu begleiten, wiesen sie nicht rechtzeitig auf Fehlentwicklungen hin. Dass die deutsche Wirtschaft derzeit boomt, ist vor allem  die Folge der viel zu lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).

Indem die Währungshüter die Zinsen künstlich nach unten drücken, verzerren sie die zeitliche Koordination von Sparen und Investieren. Die niedrigen Finanzierungkosten lassen Investitionen rentabel erscheinen, obwohl sie es unter normalen Bedingungen nicht sind. Zugleich mindern sie den Anreiz zum  Sparen. Das führt dazu, dass Konsumenten und Investoren gleichzeitig auf die Produktionsfaktoren zugreifen, die sich dadurch verknappen.

Deutlich zu erkennen ist dies am Arbeitsmarkt. Die Unternehmer suchen schon jetzt händeringend nach Arbeitskräften, die Löhne steigen schneller als die Produktivität. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die diese sich in den Reformjahren unter der Regierung  von Ex-Kanzler Gerhard Schröder erarbeitet hatten, schwindet.

Weil Arbeitskräfte, Boden und andere Produktionsfaktoren knapper und teurer werden, verzögern sich  Investitionsprojekte. Viele erweisen sich als unrentabel. Das zwingt die Unternehmen früher oder später, die Reißleine zu ziehen und die Fehlinvestitionen zu liquidieren. Dies muss nicht in diesem oder dem nächsten Jahr geschehen. Mittelfristig aber ist eine Korrektur unvermeidlich. Die Fehllenkungen der Ressourcen, die der Boom hervorgerufen hat, müssen durch den Bust bereinigt werden.  

Es ist gut, dass die Wirtschaftsweisen auf diese Gefahr hinweisen. Denn solange die Wirtschaft sich auf der Sonnenseite des Zyklus befindet, mag niemand so recht an das Desaster denken, das droht, wenn der künstlich herbei gezinste Boom plötzlich in den Bust umschlägt. Wer, wenn nicht die Ökonomen, sollte vor diesem bösen Erwachen warnen?

Der Hauptadressat ihrer Mahnadresse sitzt in Frankfurt. Dort, im Turm der EZB, aber denkt niemand daran, die Zinsen in absehbarer Zeit anzuheben, um der konjunkturellen Überhitzung in Deutschland und anderen Ländern der Eurozone entgegen zu wirken. Die Währungshüter haben sich längst in den Dienst der schuldenbesoffenen Regierungen in den südlichen Ländern der Eurozone gestellt, deren Staatsbankrotte sie durch obszön niedrige Finanzierungskosten abzuwenden versuchen.   

Platzt der Boom im Norden, steht die EZB mit dem Rücken zur Wand. Weil sie in ihrem Zinsgewehr keine Munition mehr hat, bliebe ihr nur, noch mehr Wertpapiere zu kaufen, um Banken und Wirtschaft mit Zentralbankgeld zu fluten. In diesem Fall  dürfte es nicht beim Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen bleiben. Die Währungshüter könnten ihre Käufe vielmehr auf den Aktienmarkt ausweiten und so Beteiligungen an den Unternehmen erwerben. Zur monetären Staatsfinanzierung träte die Verstaatlichung der Wirtschaft hinzu. Die Eurozone versänke endgültig im Sozialismus.

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