Geld macht frei. Über diesen Satz rümpfen die Moralisten der wahren freiheitlichen Werte gerne mal die Nase. Freiheit allein als Ergebnis wirtschaftlicher Unabhängigkeit? So simpel kann das ja wohl nicht sein.
Zugestanden, ganz so simpel ist es nicht. Allein wachsender wirtschaftlicher Wohlstand macht nicht frei. Von den knapp 1,4 Milliarden Menschen in China profitieren durchaus nicht alle vom Wirtschaftswachstum einer eigenwilligen sozialistischen Marktwirtschaft. Nur diejenigen, die richtig Geld verdienen, können sich aus dem Herren-Knecht-Verhältnis freikaufen, ins Ausland gehen oder über unternehmerische Aktivitäten ihre persönliche Freiheit absichern. Die anderen bleiben Sklaven eines Systems, das sie in Abhängigkeit halten will.
Das Zusammenspiel zwischen ökonomischer und individueller Freiheit könnte auch in Saudi-Arabien eskalieren. Soeben hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman seine Pläne verkündet, für 500 Milliarden Dollar eine Stadt am Roten Meer aus dem Boden zu stampfen. Das Projekt mit dem Namen Neom soll eine „free zone“ werden, ein Gebiet, in dem Menschen unabhängig von den ansonsten gültigen politischen Vorgaben des Landes leben können. „In Neom ... wird es keinen Platz für irgendetwas Traditionelles geben“, so der Kronprinz bei der Projektvorstellung. Im Werbevideo für die Zukunftsstadt joggen unverschleierte Frauen in Leggings durch die Straßen und arbeiten Seite an Seite mit Männern.
Wissenswertes über Saudi-Arabien
Saudi-Arabien ist mit den für Muslime bedeutenden Städten Mekka und Medina die Geburtsstätte des Islam.
Seit 1932 wird der Wüstenstaat auf der Arabischen Halbinsel von der Familie Al-Saud als absolute Monarchie geführt. Die Scheichs haben mit dem Wahhabismus eine konservative Auslegung des Islam im Land etabliert und vor allem Frauen mit strengen Regeln belegt. So ist Saudi-Arabien das einzige Land der Welt, in dem Frauen nicht Auto fahren dürfen.
In dem Land leben nach Angaben der UN rund 27 Millionen Menschen, ein Drittel von ihnen sind Gastarbeiter. Die Mehrheit der Saudis sind sunnitische Muslime. Im Osten des Landes lebt eine schiitische Minderheit, die jedoch immer wieder Repressalien ausgesetzt ist. Sunniten sprechen ihnen ab, wahre Muslime zu sein.
Als größter Produzent unter den Erdöl-Staaten (Opec) kann das Königreich einen großen Reichtum vorweisen. Die Staatsreserven werden auf 750 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Es mag sein, dass der Kronprinz vor allem daran denkt, sein Land wirtschaftlich auf die Zeit nach dem Öl vorzubereiten. Wenn das gelingen soll, muss er die Produktivkräfte der Bevölkerung heben. Bis zu einem bestimmten Punkt kann das, wie in China, im Korsett der politischen Zwänge gelingen. Irgendwann aber nicht mehr. Ein echter Wachstums- und Entwicklungsschub folgt nur aus der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Individuums. Wenn Frauen nicht nur Auto fahren, sondern sogar ihr eigenes Geld verdienen, können sie sich aus der Abhängigkeit einer radikal religiös und patriarchalisch geprägten Gesellschaft lösen.
Etwas Ähnliches steht nun, auf anderem Niveau, in den westlichen Gesellschaften an. Auch bei uns gibt es noch immer das Herren-Knecht-Verhältnis, wenn auch im schönen Mäntelchen der Filmrobe. Das zeigt der ganze Skandal um den Filmproduzenten Harvey Weinstein, seine sexuellen Übergriffe bis hin zur mutmaßlichen mehrfachen Vergewaltigung. All das hat sehr wenig mit Sex, aber ganz viel mit Macht und verkommenen Abhängigkeitsverhältnissen zu tun. Viele junge Schauspielerinnen und Schauspieler wissen, dass sie nie Geld verdienen werden, wenn sie die großen Filmbosse zurückweisen. Wer sich wehrt, geht ins ökonomische Exil. Das ist die Ökonomie der Zustimmung in der modernen Sklavenhaltung.
Geld ist die Voraussetzung für Freiheit. Mit ihm kommt die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Und die hilft gegen Kommunismus, religiösen Fanatismus und die Überheblichkeit einer selbst ernannten Elite. Wir können viele moralische Debatten führen. Wichtig wäre erst mal, jeder und jedem die Chance zu geben, wirtschaftlich unabhängig zu sein.