Akkus für Elektroautos Deutschland hat das Reichweiten-Rennen verloren

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Die gute alte Technik bleibt erhalten

Die in Asien gefertigte LIB-Zelle wird, anders als Kanzlerin und Industrie hoffen, noch lange nicht aus dem E-Auto verschwinden. Zumal es weiteres Optimierungspotenzial daran gibt. So dürften bald bessere Materialien für die Elektroden als das heute gebräuchliche Grafit eingesetzt werden. „Das Grundprinzip mit Li-Ionen aber bleibt uns noch auf viele Jahre im Auto erhalten“, sagt RWTH-Forscher Sauer. Sollten die deutschen Autobauer also nicht doch umschwenken? Selbst anfangen, Gigafactories für die LIB-Technologie zu bauen? Auch dafür ist es wohl zu spät. Nur die Asiaten haben eine industrielle Massenfertigung und das Know-how dafür aufgebaut; anders als etwa in der Computerchip- und Solarzellenfertigung, wo die Asiaten noch US-amerikanisches und deutsches Maschinenbau-Know-how benötigen, produzieren Japaner und Chinesen auch die Maschinen für die Akkufertigung selbst. Mindestens fünf Jahre, schätzt Tübke, würde es dauern, bis Deutschland das Prozess- und damit das Preisniveau der Japaner, Chinesen und Koreaner erreichen würde, wenn es heute voll auf die LIB setzte.

Ausgerechnet auf dem wichtigsten Markt, China, dürfte das Dilemma bald voll durchschlagen. Nirgendwo sonst werden schon so viele E-Autos verkauft. 2016 lief auf dem größten Markt der Welt eine halbe Million E-Autos und an der Steckdose aufladbare Hybride vom Band – rund die Hälfte der Weltproduktion. Um den Umbau der Antriebstechnik voranzutreiben, setzt Peking ausländischen Herstellern nun mächtig zu: Wer in China E-Autos verkaufen will, muss vor Ort produzieren, importierte Teile werden mit Einfuhrsteuern belegt. Schon ab 2019 müssen E-Autos zudem einen fixen Anteil des Absatzes jedes Herstellers ausmachen. Wer gar keins im Programm hat, wird bestraft, droht gar, ganz seine Lizenzen zu verlieren. Noch sind die Regeln nicht festgezurrt, auf Drängen Angela Merkels wurde der Start der für 2018 geplanten Maßnahmen um ein Jahr verschoben.

China forciert die eigene Zellproduktion: BYD aus Shenzhen wird seine Kapazität bis 2019 verdoppeln. Die erst 2011 gegründete CATL plant bis 2020 sogar eine Verzehnfachung ihrer Kapazitäten. US-Pionier Tesla verhandelt bereits mit Peking über eine Gigafactory vor Ort. VW verbündete sich jüngst mit dem chinesischen Hersteller Anhui Jianghuai Auto. Ab 2018 will das Joint Venture 400 000 E-Autos bauen, die dafür benötigten LIB-Zellen werden in China produziert, von chinesischen Herstellern.

Partnerschaften, bevor alle Hersteller mit konkurrenzfähigen LIBs vergeben sind – das ist am Ende der einzige realistische Weg für die deutschen Konzerne heraus aus ihrer E-Zellenmisere. Nur hört sich so ein Plan nicht ganz so verführerisch an wie die Ankündigung neuer Supertechnologien. Die wichtigste deutsche Industrie wird damit in den nächsten zehn Jahren von Japanern und Chinesen abhängen.

Nur: Die Alternative, auf wundersame Durchbrüche in Labors zu warten, ist noch schlimmer.

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