Wann eine Technologie ihren Durchbruch erfahren hat, weiß man oft erst im Nachhinein. Bei der Künstlichen Intelligenz (KI) und dem Maschinellen Lernen (ML) ist es anders. ML ist der Teil der KI, der Regeln beschreibt und Muster in großen Datenmengen erkennt, um auf der Basis künftige Daten zu prognostizieren. Beide Begriffe sind allgegenwärtig und nehmen in den Buzzword-Rankings Spitzenplätze ein.
Ich persönlich denke, dass es nie eine bessere Zeit gab, um intelligente Anwendungen zu entwickeln und sie zu nutzen, als heute – und das steht klar im Zusammenhang mit dem Durchbruch von KI und ML. Warum? Weil drei Dinge zusammenkommen:
Erstens: Überall auf der Welt erfassen Nutzer heute die Daten digital, sei es beispielsweise in der physischen Welt über Sensoren oder GPS, oder online über Click-Verläufe. Damit verfügen wir über eine kritische Masse an Daten. Zweitens sind in der Cloud genügend bezahlbare Rechenkapazitäten vorhanden, so dass Unternehmen und Organisationen jeder Größe intelligente Anwendungen nutzen können. Und drittens hat eine „algorithmische Revolution“ stattgefunden. Wir sind in der Lage, Billionen von Algorithmen gleichzeitig zu trainieren und den Prozess des ML maßgeblich zu beschleunigen. Auf diese Weise können wir mehr Forschung betreiben und eine „kritische Masse“ an Wissen aufbauen, das nötig ist, um ein exponentielles Wachstum bei der Entwicklung neuer Algorithmen und Architekturen anzustoßen.
Zum Autor
Dr. Werner Vogels ist CTO bei Amazon.com, wo er seit 2004 beschäftigt ist und kundenorientierte Technologievisionen vorantreibt.
Auch zuvor bekleidete er bereits zahlreiche Führungspositionen im Technologiebereich. Vogels, der an der Freien Universität in Amsterdam promovierte, hat außerdem zahlreiche Artikel über verteilte Systemtechnologien im Enterprise Computing verfasst.
Wir sind heute beim Thema KI relativ weit – allerdings kam der Fortschritt leise. In den vergangenen 50 Jahren waren KI und ML Felder, die nur einem exklusiven Kreis an Forschern und Wissenschaftlern zugänglich waren Das ändert sich gerade. Heute sind KI und ML als Pakete von Diensten, Frameworks und Werkzeugen für alle möglichen Unternehmen und Organisationen verfügbar, auch für diejenigen, die keine speziellen Forschungsteams in diesem Feld haben. Die Unternehmensberatung McKinsey erwartet, dass der globale Markt für KI-basierte Services, Software und Hardware jährlich um 15 bis 25 Prozent wächst und im Jahr 2025 ein Volumen von rund 130 Milliarden US-Dollar erreicht.
Eine Reihe von Startups nutzen KI-Algorithmen für alles Mögliche – um Tumoren in medizinischen Aufnahmen zu suchen, Menschen beim Erlernen von Fremdsprachen zu helfen, oder die Schadensbearbeitung bei Versicherungen zu automatisieren. Gleichzeitig entstehen auch ganz neue Kategorien von Anwendungen, bei denen eine natürliche Konversation zwischen Mensch und Maschine in den Vordergrund rückt.
Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz
Der britische Informatiker entwickelt den nach ihm benannten Test. Er soll ermitteln, ob eine Maschine denken kann wie ein Mensch. Ein russischer Chat-Roboter soll ihn 2014 erstmals bestanden haben.
Experten einigen sich auf den Begriff "Künstliche Intelligenz". Der Rechner IBM 702 dient ersten Forschungen.
Katerstimmung bei den Forschern: Die Fortschritte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Computer sind zu langsam, ihre Speicher zu klein, um die Daten von Bildern oder Tönen zu verarbeiten. Budgets werden gestrichen, erst ab 1980 geht es wieder voran.
Der Supercomputer von IBM siegt im Schachduell gegen Weltmeister Garry Kasparov. Die Maschine bewertete 200 Millionen Positionen pro Sekunde. 2011 siegt IBMs Software Watson in der Quizsendung "Jeopardy".
Der KI-Forscher sagt in einem Buch für das Jahr 2045 den Moment der "Singularität" voraus: Die Rechenleistung aller Computer erreicht die aller menschlichen Gehirne. Seit 2012 arbeitet Kurzweil für Google an KI-Systemen.
Ein Google-Programm beschreibt präzise in ganzen Sätzen, was auf Fotos zu sehen ist. Nahrungsmittelkonzern Nestlé kündigt an, 1000 sprechende Roboter namens Pepper in seinen Kaffeeläden in Japan als Verkäufer einzusetzen. Physiker Stephen Hawking warnt: KI könne eines Tages superschlau werden – und die Menschheit vernichten.
Computer sind schlau wie Menschen – und machen sogar Witze. Fabriken, Verkehr und Landwirtschaft sind nahezu komplett automatisiert.
Fortschritt durch Maschinelles Lernen
Ist der Hype um AI und ML überhaupt gerechtfertigt? Unbedingt, denn sie bieten Wirtschaft und Gesellschaft faszinierende Möglichkeiten. Dank Digitalisierung und Hochleistungsrechnern können wir die menschliche Intelligenz in einigen Bereichen wie dem „Sehvermögen“ von Computern nachahmen und sogar übertreffen. Wir schaffen inzwischen vielfältigste Algorithmen für eine Vielzahl von Anwendungsgebieten und machen aus diesen Einzelteilen Dienste, so dass ML für jedermann verfügbar ist. Verpackt in Anwendungen und Geschäftsmodelle hilft ML dabei, unser Leben angenehmer oder sicherer zu machen. Beispiel autonomes Fahren: 90 Prozent der Autounfälle in den USA gehen heute auf „menschliches Versagen“ zurück. Man geht davon aus, dass sich die Zahl der Unfälle langfristig reduziert, wenn Fahrzeuge autonom fahren. In der Luftfahrt ist das längst Realität.