"Ich weiß auch nicht, warum das Auto da einen Kratzer hat..."
"Das Essen schmeckt toll, Schatz."
"Wie schön, Sie hier zu treffen!"
Jeder Mensch lügt. Sei es, um andere nicht zu verletzten, im Unklaren zu lassen oder um sich Vorteile zu verschaffen: Laut dem Regensburger Psychologen Helmut Lukesch lügen Menschen im Schnitt ein- bis zweimal am Tag. Dabei fühlen sich die meisten Menschen unwohl, weil sie Lügen als moralisch verwerflich empfinden.
Doch es zeigt sich immer wieder ein Phänomen: Ob Finanzbetrug, Fälschung von wissenschaftlichen Studien oder Plagiate - wenn Betrüger auffliegen, berichten sie häufig, wie kleine Flunkereien mit der Zeit kaskadenartig zu immer größeren Lügengebäuden anwuchsen. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass die Reaktion auf einen Gefühle-hervorrufenden Stimulus, etwa Bilder von Katastrophen, nachlässt, je häufiger man ihm ausgesetzt ist - man stumpft ab.
Könnte dieser Mechanismus auch für Schummeleien gelten? Eine neue Studie, die am Montag im Magazin "Nature Neuroscience" veröffentlicht wurde, geht dem biologischen Mechanismus hinter den Lügenspiralen auf den Grund.
Diese körperlichen Signale deuten auf eine Lüge hin
Laut den CIA-Agenten Philip Houston, Michael Floyd und Susan Carnicero - Autoren des Buches "Erkenne den Lügner" - gibt es einige körperliche Signale, die helfen, eine Lüge zu enttarnen. Eine häufige Diskrepanz zwischen verbalem und nichtverbalem Verhalten, auf die Sie achten sollten, besteht darin, dass Ihr Gesprächspartner bestätigend nickt, während er gleichzeitig "Nein" sagt, oder umgekehrt: Er sagt "Ja" und schüttelt dabei den Kopf.
Wenn sich jemand die Hand vor den Mund hält, während er eine Frage beantwortet, hat das etwas zu bedeuten. Außerdem neigen wir alle von Natur aus dazu, uns vor der Reaktion eines Menschen abzuschirmen, den wir belügen. Wenn jemand bei der Antwort auf Ihre Frage also seine Augen abschirmt, verrät er damit auf unterbewusster Ebene womöglich, dass er Ihre Reaktion auf die faustdicke Lüge, die er Ihnen gerade erzählt, nicht mitansehen kann.
Wenn jemand sich vor seiner Antwort auf eine Frage räuspert oder deutlich spürbar schluckt, liegt hier womöglich ein Problem vor. Tut er das erst nach seiner Antwort, so brauchen wir uns keine Gedanken darüber zu machen.
Achten Sie auf alles, was Ihr Gegenüber als Reaktion auf Ihre Frage mit seinem Gesicht oder Kopf anstellt. Vielleicht beißt oder leckt er sich die Lippen oder er zieht an seinen Lippen oder Ohren. Oder die betreffende Person ringt die Hände oder reibt sie sich.
Wenn wir nervös sind, zeigt unser Körper das, beispielsweise durch sogenannte "Ankerpunkt"-Bewegungen. Die Ankerpunkte eines Menschen sind jene Körperteile, die ihn an einem bestimmten Punkt oder in einer bestimmten Position verankern. Wenn er steht, sind die Füße seine primären Ankerpunkte. Wer von einem Fuß auf den anderen tritt, gibt so seiner Anspannung ein Ventil. Wenn jemand auf einem Stuhl sitzt, sind die primären Ankerpunkte sein Gesäß, sein Rücken und seine Füße. Rutscht er im Stuhl hin und her oder wippt vor und zurück?
Manche Menschen versuchen ihre Nervosität auch durch Gesten zu vertreiben: Sie streichen oder zupfen an sich selber oder an irgendwelchen Gegenständen in ihrer unmittelbaren Umgebung herum.
Dass jemand schwitzt, ist unerheblich, aber wenn er sich bei seiner Antwort den Schweiß mit einem Taschentuch oder mit der Hand von der Stirn wischt, ist das ein Alarmsignal.
Manchmal räumt jemand, der eine Lüge erzählt, auch plötzlich sein näheres Umfeld auf: Man stellt ihm eine Frage und plötzlich muss das Telefon zurechtgerückt werden, das Glas Wasser steht zu nah oder der Bleistift liegt nicht am richtigen Ort.
Hirnscans während des Lügens
Forscher um Neil Garrett vom University College London konnten darin zeigen, dass sich das Gehirn an Unehrlichkeiten anpasst, die dem Lügenden einen Vorteil verschaffen. Mithilfe von Hirnscans untersuchten sie in einem Experiment 80 Probanden. Das Ziel: zu sehen, ob im Hirn nachvollziehbar ist, dass die Hemmschwelle durch wiederholtes Lügen nachlässt. In dem Versuch wurden die Probanden zu Zweierteams zusammengestellt und sollten die Menge von Münzen in einem Glas möglichst genau schätzen, während ihre Hirnaktivität mithilfe eines Magnetresonanztomografen überwacht wurde.
Mit diesen Fragen bringen Sie Lügen ans Licht
In Situationen, in denen wir nicht die Antwort bekommen, mit der wir gerechnet haben, greifen wir oft zu negativ formulierten Fragen. Angenommen, Sie fragen eine Autofahrerin, ob sie schon einmal die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, und sie antwortet darauf: "Nein, noch nie." Diese Antwort wird Sie vermutlich überraschen, also haken Sie spontan noch einmal nach: "Sie haben noch niemals die Höchstgeschwindigkeit überschritten? Wirklich noch nie?" Doch damit bestärken sie Ihren Gesprächspartner, bei seiner Antwort zu bleiben.
Beginnen Sie Ihre Frage mit einer Einleitung: "Als Nächstes möchte ich Sie nach XYZ befragen. Bevor wir auf dieses Thema eingehen, will ich Ihnen erklären, warum diese Frage wichtig ist und worum es uns geht." Legitimierungen führen dazu, dass Menschen die Frage ehrlicher beantworten. Auch Rationalisierungen eignen sich sehr gut als Prolog zu einer Frage. Zum Beispiel: "Niemand ist perfekt" oder "Jeder macht einmal etwas falsch". Das kann enorm dazu beitragen, Ihren Gesprächspartner für die Frage zu öffnen, die Sie ihm stellen möchten. Auch durch Minimierung können Sie verhindern, dass sich jemand hinter seiner Lüge verschanzt – zum Beispiel mit Äußerungen wie: "Wir möchten diese Angelegenheit ja nicht unnötig aufbauschen."
Es ist wichtig, zwischen Verdachtsfragen und Suggestivfragen zu unterscheiden. Mit einer Suggestivfrage versucht man den Gesprächspartner zu beeinflussen und ihm eine bestimmte Antwort in den Mund zu legen: "Sie haben doch gestern Abend das Geld genommen?" Eine Verdachtsfrage ist: "Was ist gestern Abend mit dem Geld passiert?" Der Unschuldige sagt "Keine Ahnung." Wer schuldig ist, muss nachdenken und sagt also eher: "Sie fragen mich, was da passiert ist? Woher soll ich denn das wissen?"
Eine klassische Köderfrage wäre "Könnte es einen Grund geben, warum jemand behauptet, Sie hätten das Geld genommen?" Es handelt sich um eine hypothetische Frage, die auf einem psychologischen Prinzip namens "Gedankenvirus" beruht. Wenn der Kollege auf Sie zukommt und sagt: "Die Chefin möchte dich sofort in ihrem Büro sprechen", schlägt ein solches Gedankenvirus zu. Wir machen uns nämlich sofort Gedanken darüber, was wir angestellt haben könnten, was uns jetzt droht und spielen alle Konsequenzen durch.
Fragen Sie: "Was sollte Ihrer Meinung nach mit der Person passieren, die das getan hat?" Wenn Sie jemanden befragen, der kein reines Gewissen hat, fordern Sie die verdächtige Person mit dieser Frage im Grunde genommen dazu auf, sich selbst zu verurteilen. Dahinter steht die Theorie, dass jemand, der schuldig ist, naturgemäß eine ziemlich milde Strafe vorschlagen wird. Wer unschuldig ist, wird sich dagegen wohl für eine strengere Bestrafung aussprechen.
Das Problem mit dieser Theorie ist nur, dass Lügner und Betrüger immer nach Möglichkeiten suchen, unsere Wahrnehmung ihres Charakters zu manipulieren: Ignorieren Sie also die Forderung nach einer harten Strafe, aber werden Sie bei zu milden Strafen hellhörig.
Mit solchen Fragen kann man Lügen vom Weglassungstyp auf die Schliche kommen. "Gibt es noch irgendetwas Wichtiges zu Ihrer Beziehung mit dieser Person, das wir bisher nicht besprochen haben?" oder "Gibt es noch irgendetwas, was ich wissen sollte und worüber wir bisher nicht gesprochen haben?"
Fünf verschiedene Versuchsaufbauten wurden angesetzt: In einem profitierten beide davon, wenn die Schätzung gut war. In einem zweiten Versuchsaufbau bekam der Teilnehmer eine Belohnung und schadete seinem Partner, wenn er eine zu hohe Schätzung der Münzmenge angab. In den weiteren schadete entweder der erste Teilnehmer sich selbst, und der Partner erhielt einen Vorteil; der Partner erhielt einen Vorteil, ohne dass der erste Teilnehmer sich selbst schadete; der erste Teilnehmer erhielt einen Vorteil, ohne dem anderen zu schaden. Die Probanden gingen dabei immer davon aus, dass ihr jeweiliger Partner nichts von den Anreizen, die Unwahrheit zu sagen, weiß.
Dabei beobachteten die Forscher einen speziellen Teil des Gehirns, die sogenannte Amygdala (Mandelkern), die eine besondere Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt. Die wichtige Rolle dieser Hirnregion bei der Gefühlsverarbeitung wurde zuvor bereits in vielen Menschen- und Tierstudien nachgewiesen. Im Experiment zeigte sich: Die Amygdala wurde immer dann besonders aktiv, wenn die Versuchspersonen zu ihrem eigenen Vorteil logen. Diese Reaktion war am Anfang des Experiments besonders deutlich - ließ dann aber immer stärker nach.
Die Lügen eskalieren
Die Forscher interpretieren ihre Beobachtung so: Anfangs schummelten die Probanden nur wenig: Sie setzten ihre Schätzwerte nur leicht höher an, um einen Vorteil zu erlangen. Mit der Zeit nahm die Unehrlichkeit zu: Die Testpersonen gaben immer ungehemmter falsche Werte an, wenn sie dadurch einen Vorteil hatten. Gleichzeitig war auf den Hirnscans zu sehen, dass die Reaktion der Amygdala auf die Lügen sich immer weiter abschwächte.
Diese Antworten weisen auf eine Lüge hin
Wer beschuldigt wird, etwas bestimmtes getan zu haben, wird sich in einem besseren Licht dastehen lassen. Auf die Frage: "Haben Sie das Geld gestohlen?" antwortet der Lügner nicht mit "nein", sondern mit: "Ich arbeite schon seit 20 Jahren in diesem Unternehmen und stehe kurz vor der Pensionierung. Wieso sollte ich jetzt auf die Idee kommen und so etwas tun?"
Wer etwas nicht getan hat, sagt: Nein, das war ich nicht. Sagt das Gegenüber dagegen: "Ich habe doch gar nichts gemacht" oder "So etwas würde ich nie tun" sollten Sie hellhörig werden.
Wenn jemand Ihre Frage nach einem Fehlverhalten verneint, dieses "Nein" aber in eine weitschweifige Antwort kleidet, sollten Sie hellhörig werden. Wenn der Prozentsatz der Antwort, der sich auf die Verneinung bezieht, relativ klein ist, so ist das ein ausgesprochen schlechtes Zeichen. So etwas können Sie getrost als Lügenindiz werten.
Dahinter steckt ein ganz ähnlicher psychologischer Mechanismus wie hinter der Wiederholung einer Frage: Ihr Gegenüber möchte peinliches Schweigen vermeiden und Zeit gewinnen, um sich eine Antwort zu überlegen. Typische Floskeln, mit denen man die Antwort auf eine Frage umgeht, sind zum Beispiel: "Das ist eine gute Frage" oder "Ich bin froh, dass Sie diese Frage gestellt haben."
Wer eine Frage wiederholt, will Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Durch diese Wiederholung kann man zwar nur zwei bis drei Sekunden herausschinden. Aber wenn jemand zehnmal so schnell denkt, wie er spricht, dann hat er de facto 20 bis 30 Sekunden gewonnen, in denen er sich hoffentlich eine gute Antwort zurechtlegen kann. Aber Vorsicht: Es gibt durchaus legitime Gründe dafür, eine Frage zu wiederholen – vielleicht hat Ihr Gesprächspartner sie nicht gehört oder möchte sich vergewissern, ob er Sie richtig verstanden hat. Und manchmal ist das auch einfach nur eine Angewohnheit.
Wenn jemand sich durch die Fakten einer Situation in die Enge getrieben fühlt, empfindet er das normalerweise als ziemlich belastend. Oft sieht so jemand sich dann gezwungen, zum Angriff überzugehen. Vielleicht versucht er Ihre Glaubwürdigkeit oder Kompetenz anzuzweifeln, und zwar normalerweise mit Fragen wie: "Warum vergeuden Sie meine Zeit, indem Sie mir das erzählen?" Kinder versuchen es bei Auseinandersetzungen mit ihren Eltern sehr oft mit dieser Strategie. Fragen wie "Warum hackst du immer auf mir herum?" oder "Warum hast du kein Vertrauen zu mir?" fallen zum Beispiel in diese Kategorie.
Wenn jemand als Reaktion auf eine Frage plötzlich übertrieben höflich wird, ist das ein Alarmsignal. Vielleicht sagt diese Person dann bei einer bestimmten Antwort: "Ja, mein Herr" oder baut ein Kompliment in ihre Antwort ein: "Das ist aber eine schöne Krawatte, die Sie da anhaben." Welche Strategie dahintersteckt, liegt auf der Hand: Je mehr Sympathien wir für unseren Gesprächspartner haben, umso eher sind wir geneigt, ihm zu glauben.
Wer etwas zu verbergen hat, befindet sich in einem Dilemma, aus dem er sich befreien muss: Die Tatsachen sprechen gegen ihn, also wird er vielleicht versuchen, die Bedeutung der Sache, um die es geht, herunterzuspielen: "Wieso ist denn das so wichtig?" oder "Warum regen sich die Leute so sehr darüber auf?" Unter Umständen wird er sogar versuchen, die Sache ins Lächerliche zu ziehen.
Manche Menschen, die ein schlechtes Gewissen haben, greifen ihren Gesprächspartner nicht direkt an, sondern erheben Einwände gegen seine Vorgehensweise. In diese Kategorie fallen Sätze wie: "Warum fragen Sie mich danach?" oder "Wie lange wird diese Befragung dauern?"
Manchmal weisen Menschen, die etwas zu verbergen haben, darauf hin, dass sie die betreffende Frage früher schon einmal beantwortet haben: "In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf meine frühere Stellungnahme verweisen, in der ich gesagt habe …" oder "Wie ich schon beim letzten Mal erklärt habe …" oder "Wie wir in unserem Geschäftsbericht bereits mehrfach erwähnt haben …"
Wenn jemand Gott ins Spiel bringt, ist das eine extreme Form von Verschleierungstaktik. Also lassen Sie sich von Redensarten wie "Ich schwöre bei Gott" nicht beeindrucken, sondern erkennen Sie sie als das, was sie höchstwahrscheinlich sind: den Versuch Ihres Gesprächspartners, eine Lüge in ihrem besten Sonntagsanzug herauszuputzen, ehe er sie Ihnen auftischt.
Es gibt zwei verschiedene Arten von Einschränkungen, die auf eine Lüge hindeuten: verschleiernde Einschränkungen und der Glaubwürdigkeit dienende Einschränkungen. Mithilfe verschleiernder Einschränkungen kann jemand eine Frage ehrlich beantworten, ohne die heikle Information preisgeben zu müssen. Beispiele für solche Floskeln sind: "im Grunde genommen", "größtenteils", "im Prinzip", "wahrscheinlich", "eigentlich", "so etwas Ähnliches wie" oder "meistens". Mit der Glaubwürdigkeit dienenden Einschränkungen will Ihr Gesprächspartner glaubwürdig erscheinen, zum Beispiel, indem er Floskeln wie "offen gesagt", "um ganz ehrlich zu sein" oder "um die Wahrheit zu sagen" nutzt.
Laut den Wissenschaftlern sprechen die Erkenntnisse dafür, dass das exzessive Wiederholen von Lügen unser Gefühlszentrum regelrecht abstumpfen lässt. Die Hemmschwelle, die wir empfinden, wenn wir zum eigenen Vorteil lügen, wird abgebaut. "Die Eskalation der Lügen nimmt zu, je weiter die Aktivität in Emotions-assoziierten Regionen den Gehirns, vor allem der Amygdala, nachlässt", heißt es in der Studie. Anfänglich unscheinbare Abweichungen könnten so eskalieren und zu immer schwereren Lügen führen.
Der Effekt zeigte sich aber nur, wenn die Probanden einen Vorteil von ihrer Unehrlichkeit hatten. Waren die Probanden zum Vorteil des Versuchspartners unehrlich, hatten selbst aber keine Vorzüge dadurch, eskalierten die Lügen auch nicht.
Die Forscher empfehlen, die Erkenntnisse auch in anderen Bereichen zu überprüfen: "Das gleiche Prinzip könnte auch bei gewalttätigem oder riskantem Verhalten zur Eskalation führen, wenn wiederholt Entscheidungen anstehen".