Eigentlich wollte ich die Apple Watch mit dem Metallarmband haben. Aber bei dem albernen Preis von 1150 Euro (das Armband kostet alleine 500 Euro), bestellte ich mir damals wie die meisten die dunkle Alu-Uhr mit Plastikarmband für 450 Euro.
Am ersten Juni öffnete ich entzückt den riesigen, weißen Karton der gerade gelieferten Uhr. Da lag sie: wie Schneewittchen in seinem Sarg. Still, lang gestreckt und irgendwie - harmlos. Ich war etwas bedröppelt. Für eine 450-Euro-Uhr sah sie erschreckend popelig aus. Es hätte auch eine 10-Euro-Prämie für ein Zeitschriftenabo sein können.
Nach mehreren Wochen Alltagserfahrung weiß ich: von wegen harmlos. Gegen die Apple Watch ist selbst die böse Königin vor den sieben Bergen ein guter Engel.
Wollen Sie wissen warum? Hier:
Die Apple Watch manipuliert dich
Die Watch macht zum einen, was sie soll. Sie motiviert einen zu mehr Bewegung. Wenn man selbstbewusst genug ist, sich von einer mickrigen Armbanduhr sagen zu lassen, wann es mal wieder Zeit ist, sich die Füße zu vertreten, und wenn man sich nicht geniert, sich über das Lob einer mickrigen Armbanduhr zu freuen, sobald man die vorher selber eingestellte Tageskalorienzahl verbrannt hat, dann kann die Uhr dem Herzinfarkt vorbeugen. Immerhin! Denn ähnlich effektiv arbeitende Maschinen in der Größe kosten ein Vielfaches und müssen implantiert werden.
Und wenn die Uhr mal wieder freundlich darauf hinweist, dass man faul ist, kränkt es keinen, wenn man antwortet: "Halt's Maul."
Die Uhr dressiert einen allerdings auch dazu, ihre eingebauten Defizite zu kompensieren. Und da komme ich mir dämlich vor. Aber was soll ich machen? Beispiel: Die Uhrzeit lässt sich nur ablesen, wenn man das Handgelenk mit Verve gesichtswärts eindreht. Nur dann kapiert die feine Dame: Aha, mein Träger, der ein Schweinegeld für mich gelatzt hat, will jetzt also tatsächlich von mir wissen, wie viel Uhr es ist. Und nur dann lässt die Uhr für ein paar Sekunden das Display automatisch aufleuchten. Dauerbetrieb geht ja nicht, wegen des Akkus.
Dreht man den Arm nur langsam, oder dreht man ihn aus einer Position heraus, die dem Gerät nicht passt, dann bleibt das Display schwarz und man muss mit der anderen Hand darauf tippen. Da habe ich erstmal gemerkt, in welchen verbotenen Situationen ich gerne wüsste, wie viel Uhr es ist. Etwa, wenn ich mir im Fitnessstudio die Schuhe zubinde. Ich gucke mal eben beiläufig auf die Watch. Keine Info.
Ich halte mich in der U-Bahn an der Schlaufe in Kopfhöhe fest. Keine Info. Ich winde das Handgelenk verzweifelt an der Schlaufe. Trotzdem nichts. Und keine Hand zum Tippen frei. Ich hätte den sicheren Halt loslassen müssen, hätte mich und andere Fahrgäste bei einem plötzlichen Bremsmanöver in Gefahr für Leib und Leben gebracht, für einen Blick auf die Armbanduhr. Das ist die neue Welt der Apple Watch.
Fitnesstracker und Handyersatz: Was Smartwatches können
Bis vor wenigen Jahren waren Telefone und Computer in der Größe einer Armbanduhr nur Fiktion – „Knight Rider“ lässt grüßen. Doch die Chips werden immer kleiner, leistungsfähiger und billiger. Damit werden Geräte wie Smartwatches überhaupt erst technisch möglich und erschwinglich.
Smartwatches sind Teil eines Trends: Computer werden immer kleiner und damit komfortabler im Transport. Neben intelligenten Uhren gibt es etwa auch Fitnessarmbänder und Brillen, die mit Informationstechnologie aufgerüstet sind. Google Glass ist ein bekanntes Beispiel. Die Technologiebranche spricht vom "Wearable Computing" – und hofft auf einen Wachstumsmarkt.
Was ist überhaupt eine Smartwatch? Der Begriff ist schwierig zu fassen. Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien. Die meisten Modelle funktionieren nicht eigenständig, sondern als Erweiterung zum Smartphone und zeigen Termine, E-Mails oder eingehende Anrufe an. Die Daten werden in der Regel per Bluetooth übertragen.
Während die meisten Smartwatches eine Erweiterung fürs Smartphone sind, sollen ein paar Modelle das Handy ganz ersetzen. Sie haben ein Mobilfunk-Modul, das Telefonate und die Übertragung von Daten erlaubt. Das gilt etwa für die Gear S von Samsung.
Die Geräte sind unterschiedlich ausgestattet. Einige fungieren als diskrete Sekretäre – sie erinnern an Termine, zeigen eingehende E-Mails an und vermelden Telefonanrufe. Andere eignen sich auch als Freisprecheinrichtung oder als kompaktes Navigationsgerät. Unter Sportlern beliebt sind Spezialgeräte, die den Puls und die Laufstrecke messen.
Die Laufzeit ist bei allen Smartwatches ein Problem: Weil die Geräte so klein sind, lässt sich darin kein großer Akku unterbringen. Daher sind viele Modelle nicht besonders ausdauernd – je nachdem welche Display-Technologie zum Einsatz kommt.
Diverse Unternehmen haben bereits Smartwatches auf den Markt gebracht – Start-ups wie Weltkonzerne. Zu den kleinen Anbietern zählt das Unternehmen Pebble, das über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter seine Anschubfinanzierung gesichert hat. Der IT-Riese Sony brachte bereits die dritte Generation seiner Computer-Uhr heraus, Samsung hat die Galaxy Gear entwickelt, der Chiphersteller Qualcomm stellt die Toq her. Im April 2015 kommt auch die Apple Watch heraus.
Wie sich junge Märkte entwickeln, ist schwierig zu prognostizieren – die Vorhersagen für Smartwatches gehen weit auseinander. Während etwa die Marktforschungsfirma IDC ein rapides Wachstum voraussagt, erwarten Forrester und NPD Displaysearch eine baldige Abkühlung des Marktes.
Die Apple Watch lügt
In Woche zwei war ich stolz. Ich hatte mich nach Lust und Laune von meiner neuen Uhr gängeln lassen und um ihr zu zeigen, dass ich ihre ständigen Belehrungen und Lobhudeleien gar nicht nötig hatte, war ich spontan vier Kilometer gejoggt und drei Kilometer kreuz und quer durch den Tiergarten spaziert. Am Ende des Tages explodierten bei der Guten fast die Statistiken. Alle Solls deutlich übererfüllt. Da staunte sie nicht schlecht. Ha!
Abends gegen Mitternacht prahlte ich bei einem Glas Wein einem Freund gegenüber und zeigte ihm vor glimmendem Display, wie gut ich war. Und wie ich so prahlte, begann der neue Tag. Ab null Uhr sprangen alle Tageszähler zurück auf Start. Meine Leistungen des Vortages waren jetzt tief im Innern meiner Uhr abgelegt. Und jetzt passierte es: Wir saßen und tranken und plauderten, da sah ich gegen viertel nach zwölf: Ich hatte gerade dreiundsechzig Schritte getan. Im Sitzen. "Guck! Die Alte lügt mich an!"
"Und wie lange musstest du gestern herumsitzen für acht Kilometer?"