Solarenergie auf dem Acker Oben Energie, unten Kartoffel

Landwirtschaftliche Flächen dienen zunehmend der Energiegewinnung. Einen möglichen Ausweg aus der Konkurrenz mit der Lebensmittelproduktion testen Wissenschaftler jetzt am Bodensee: eine Solaranlage in luftiger Höhe.

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Auf dem Feld sollen Getreide und Gemüse angebaut werden, während die Solaranlage Strom erzeugt. Quelle: Patrick Seeger

Thomas Schmid steht auf seinem Feld und schaut sich den Winterweizen an. Im Oktober wurde gesät, inzwischen sind die kleinen Pflänzchen rund zehn Zentimeter hoch. Wie sie sich entwickeln und wie viel Ertrag sie bringen, das wird der Landwirt ganz genau beobachten - und mit ihm Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg und der Uni Hohenheim in Stuttgart. Denn der Winterweizen ist Teil eines Pilotprojektes in Herwangen: Über den Pflänzchen ist in fünf Metern Höhe eine riesige Solaranlage angebracht. Die Idee dahinter: Über dem Acker soll Energie erzeugt und am Boden Weizen, Kartoffeln, Kleegras und Sellerie geerntet werden.

Die Versuchsfläche umfasst nach Angaben des ISE-Projektleiters Stephan Schindele rund 2,5 Hektar, die Forschungsanlage beansprucht etwa ein Drittel eines Hektars. Die restliche Fläche dient als Vergleich, dort werden die gleichen Pflanzen angebaut - aber ohne Solarpaneele. Gefördert wird der Versuch, der seit September 2016 läuft, vom Bundesforschungsministerium mit 2,8 Millionen Euro. Neben der Behörde sind noch weitere Partner dabei, zum Beispiel das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Elektrizitätswerke Schönau.

Die Stromerzeugung liege derzeit im grünen Bereich, sagt Schindele. „Was wir vorhergesehen haben, hat sich auch bestätigt.“ Für den Test wurden sogenannte bifaziale Module verwendet - sie können nicht nur die Sonneneinstrahlung von oben in Strom umwandeln, sondern über die Rückseite auch reflektierte Strahlung aufnehmen. „Derzeit haben wir acht Prozent mehr Stromertrag als bei herkömmlichen Modulen. Das ist ein Ergebnis, mit dem wir zufrieden sind.“

Für Thomas Schmid von der Hofgemeinschaft Heggelbach ist aber ebenso wichtig, dass die Landwirtschaft unter den Solarpanels möglichst störungsfrei funktioniert. Als die Forscher mit der Projektidee auf sie zugekommen seien, hätten sie erstmal diskutiert, sagt der 61-Jährige. „Wie sieht das überhaupt aus, was für Folgen hat das für die Pflanzen, behindert uns das bei der Arbeit?“

Auch die Wissenschaftler mussten einige Fragen klären: Ist die Anlage sturm- und hagelfest, welche Kulturen kann man darunter anbauen und wie wirken sich Schatten und Niederschlag aus? Mit den letzten Fragen befasst sich auch Petra Hoegy: „Wir sind im Moment im Feld unterwegs und erfassen die Luft- und Bodenklimadaten auf dem Acker“, sagt die Professorin im Fachbereich Pflanzenökologie und Ökotoxikologie an der Universität Hohenheim.

Bislang gebe es noch keine konkreten Ergebnisse. „Wir sind in der Vegetationsperiode noch ganz am Anfang“, sagt Hoegy. Rein vom Aussehen der Pflanzen her sehe man aber bislang keine Unterschiede zwischen dem Winterweizen unter und neben den Solarpaneelen. „Falls es doch Unterschiede gibt, würden wir schauen: Woher kommen sie? Zum Beispiel ist der Boden ja nicht an jeder Stelle gleich, auch die Saatmaschine läuft nicht überall exakt gleich.“

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