Nitrat im Trinkwasser EU-Subventionen für Verschmutzung des Grundwassers

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Verbraucher zahlen die Kosten

Das Umweltbundesamt hat jetzt in einer Studie errechnet, dass Wasserpreise in Tierfabrik-Regionen in den kommenden Jahren um 32 bis 45 Prozent steigen könnten. Wenn nicht deutlich wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um die Gülle zu reduzieren. Für einen Vier-Personen-Haushalt könnte das Trinkwasser damit um 134 Euro pro Jahr teurer werden, schätzen die Experten vom Umweltbundesamt.

Im südlichen Niedersachsen zum Beispiel. Im dortigen „Schweinegürtel” werden geschätzt 80 Millionen Hühner und acht Millionen Schweine gehalten. Die Folge: das Grundwasser ist in einigen Regionen so stark mit Nitrat belastet, dass es gemischt oder gereinigt werden muss, bevor es beim Verbraucher als Trinkwasser aus der Leitung kommt.

CORRECTIV hat alle 16 Bundesländer nach ihren Nitratdaten im Grundwasser angefragt und die Werte in eine interaktive Deutschlandkarte übertragen. Die Länder führen regelmäßig Messungen des Nitratgehalts im Grundwasser durch. Die Zahl der Messtellen unterscheidet sich teilweise erheblich, weil es verschiedene Messsysteme gibt. Einige Bundesländer wie Niedersachsen haben sehr viele Messstellen übers Land verteilt.

Doch nicht die Tierfabriken werden dafür zur Kasse gebeten. Die Kosten für die Reinigung schlagen die Wasserbetriebe auf den Preis für ihr Trinkwasser.

Der Trend auf dem Bauernhof geht in Richtung Hightech. Das macht nicht nur die Arbeit einfacher - auch umweltfreundlicher. Verschärfte Umweltvorschriften werden sie deshalb voraussichtlich noch beschleunigen.

„Am Ende zahlen die Bürger doppelt“, sagt Friedhelm Taube, Agrarexperte der Universität Kiel. Einmal durch die Agrarsubventionen und dann die höheren Kosten zum Beispiel für die Trinkwasseraufbereitung. Laut Schätzungen der EU entstehen Kosten durch zu viel Stickstoff in Höhe von etwa 300 Euro pro Hektar und Jahr.

Die Bundesregierung rechtfertigt die pauschalen Subventionen an die Massentierhalter. „Die Direktzahlungen tragen in dieser Situation wesentlich zur Einkommens- und Liquiditätssicherung der Betriebe bei“, lässt Bundesagrarminister Schmidt (CSU) auf Anfrage mitteilen.

Das klingt, als sei der Landwirt, der von seinem Betrieb lebt, Ziel der Subvention. Tatsächlich fließt der größte Teil der Subventionen aus Brüssel aber an große Tierbetriebe und Agrargroßbetriebe. Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, kritisiert, „dass 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Gelder erhalten“.

Regierung für pauschale EU-Gelder

Bei den letzten Verhandlungen über die Agrarsubventionen im Jahr 2012 wollte die EU-Kommission unter dem damaligen Agrarkommissar Dacian Ciolos (Rumänien) das irrationale System ändern: Subventionen sollten an Umweltstandards geknüpft werden. Direktzahlungen sollten ab einer bestimmten Betriebsgröße gekappt werden. Und wer gegen Umweltauflagen verstieß, sollte härter bestraft werden.

Diese vernünftige Idee der Kommission wurde komplett verwässert – unter maßgeblicher Beteiligung der damaligen CSU-Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner.

CORRECTIV liegt ein interner Bericht über ein Treffen der Agrarminister am 26. und 27. April 2012 vor. Es ging dort um die Reform der Agrarsubventionen. Ein deutscher Regierungsvertreter hielt in dem Protokoll fest: „Von Deutschland wurde die vorgeschlagene Degression bzw. Kappung einzelbetrieblicher Direktzahlungen – auch unter Berücksichtigung der Lohnsummen – mit Nachdruck abgelehnt.“ Die Großen sollten auch weiterhin besonders viel erhalten.

Schon heute könnte Deutschland die EU-Agrar-Subventionen im Sinne des Umweltschutzes verteilen. Rund 15 Prozent der Gelder darf jeder EU-Staat dafür abzweigen. Doch das deutsche Agrarministerium hat noch nicht mal 5 Prozent der Gelder ökologisch sinnvoll umgeschichtet.

Der Grund: „Große Teile der deutschen Landwirtschaft befinden sich derzeit in einer schwierigen Einkommenssituation“, lässt Agrarminister Schmidt wissen. „Eine Erhöhung des Umschichtungsprozentsatzes auf 15 Prozent hätte entsprechend negative Auswirkungen auf die Gewinn- und Liquiditätssituation zur Folge“, schreibt sein Sprecher.

Der Agrarhaushalt wird durch den Brexit deutlich kleiner werden. Inzwischen fordert deshalb auch die SPD, die Subventionen für Großbetriebe zu drosseln: „Öffentliche Gelder nur für öffentliche Leistungen“. Das heißt, Gelder an Betriebe sollen vor allem nach ökologischen und sozialen Kriterien vergeben werden.

Auf Nachfrage von CORRECTIV teilt das Ministerium nun mit: Subventionen sollen nicht mehr an „Investoren in der Landwirtschaft, deren Haupttätigkeit vorwiegend in anderen Branchen liegt und die regional nicht verankert sind“ gehen. Mehr als eine schwammige Ankündigung ist das jedoch nicht.

Der Deutsche Bauernverband ist mit der bestehenden Situation der Landwirte zufrieden: „Die Umweltvorgaben werden ständig nachgeschärft wie zuletzt mit der neuen Düngeverordnung. Dies gilt auch für die Tierhaltung mit umfangreichen Regelungen im Tierschutz, im Baurecht und Vorgaben in verschiedenen Umweltgesetzen“, sagt Steffen Pingen, Fachbereichsleiter beim Deutschen Bauernverband.

Auch die Förderung der Landwirte über direkte Flächenzahlungen der EU will der Verband nicht aufgeben: „Die Forderung des Bundesumweltministeriums, die Direktzahlungen abzuschaffen und nur noch Naturschutzleistungen zu fördern, würde die Existenz vieler bäuerlicher Betriebe gefährden. Grund ist, dass nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO für Agrarumweltmaßnahmen keine finanziellen Anreize geschaffen werden und diese nicht einkommenswirksam sein dürfen, sondern nur eine Erstattung zusätzlicher Kosten oder Mindererträge“, schreibt Pingen. Das deutsche Landwirtschaftsministerium liegt damit genau auf Linie des einflussreichen Verbandes.

Die Autoren sind Redakteure des Recherchezentrums CORRECTIV. Die Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: Mit gründlicher Recherche Missstände aufzudecken und unvoreingenommen darüber zu berichten. Wenn Sie CORRECTIV unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied. Informationen finden Sie unter correctiv.org

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