CO2-Skandal bei VW Volkswagen droht neuer Ärger wegen des CO2-Skandals

Volkswagen legte 2015 den drohenden CO2-Skandal offenbar voreilig zu den Akten – und das Verkehrsministerium war eingebunden. Die Staatsanwaltschaft prüft jetzt einen Anfangsverdacht auf Marktmanipulation.

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Quelle: dpa

Volkswagen hat Ende 2015 offenbar einen drohenden Skandal um geschönte Verbrauchs- und CO2-Angaben bei hunderttausenden Fahrzeugen voreilig aus dem Weg geräumt. Das Bundesverkehrsministerium war in den Vorgang eingebunden. Diesen Verdacht legen dutzende vertrauliche Unterlagen nahe, die der WirtschaftsWoche vorliegen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft, ob wegen des Vorgangs ein Ermittlungsverfahren wegen Marktmanipulation eingeleitet werden muss.

Volkswagen hatte am 3. November 2015 bekannt gegeben, dass es bei der Bestimmung des CO2-Wertes für die Typ-Zulassung von 800.000 Fahrzeugen zu nicht erklärbaren, niedrigen CO2-Werten gekommen sei, die jetzt nicht mehr erreichbar seien. Am 9. Dezember meldete VW dann jedoch, dass nur Autos mit einer Jahresproduktion von etwa „36.000 Einheiten“ betroffen seien. Die Rede war dabei auch von „internen Nachmessungen“. Der CO2-Wert, der sich aus dem Spritverbrauch ableitet, ist maßgeblich bei der Festlegung der Kfz-Steuer.

Unterlagen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, legen nun den Verdacht nahe, dass VW bis zum 9. Dezember 2015 offenbar nur bei einem Bruchteil der Autos neu gemessen haben könnte. So heißt es in einem Aktenvermerk zu einem Treffen im Verkehrsministerium am 19. November 2015: „Hinsichtlich des Zeithorizontes gibt VW zu bedenken, dass ein Abschluss der Messungen für das Modelljahr 2016 noch im Dezember 2015 möglicherweise aus Kapazitätsgründen nicht zu erreichen ist.“ Verdächtigte Autos aus den Jahren 2013 bis 2015 waren dabei noch nicht inbegriffen.

VW selbst stufte noch am 1. Dezember 2015 in einer vertraulichen Präsentation für das dem Verkehrsministerium unterstehende Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) rund 80 Prozent der fraglichen VW-Modelle als kritisch ein. Doch schon zwei Tage später, am 3. Dezember, teilte VW dem Verkehrsministerium mit, dass sich die ursprünglich genannte Zahl von hunderttausenden Autos nicht bestätigt habe. Nur noch neun Modellvarianten statt zuvor weit über 100 seien auffällig. Das Verkehrsministerium weist sämtliche Vorwürfe als falsch zurück. Volkswagen wollte den Vorgang nicht kommentieren.

Laut einem Schreiben von VW an das Ministerium war für den Sinneswandel bei VW „von entscheidender Bedeutung“, dass „die internen Überprüfungen der Messverfahren und Messstandards bei Volkswagen“ keine Beweise für illegale oder manipulative Maßnahmen ergeben hätten. Als Beleg legte VW dem Ministerium zwei Entwürfe von Gutachten der Kanzlei Freshfields vor. Die rechtfertigten die Messverfahren, mit denen VW einst die CO2-Werte für die Zulassung der Autos ermittelt hatte.

Noch wenige Wochen zuvor klang das anders: „Die weiteren Untersuchungen“, teilte VW dem Ministerium noch am 4. November 2015 mit, hätten ergeben, dass „bei bestimmten Fahrzeugen selbst bei weiter Interpretation der legalen Handlungsspielräume die ursprünglich angegebenen Werte nicht reproduzierbar waren“. Die früher angegebenen Verbrauchswerte waren also bei Nachmessungen nicht mehr erreichbar.

Die Behörden hinterfragten den alten Sachvortrag von VW offenbar nicht mehr. VW teilte dem KBA am 4. Dezember mit, dass sich „die Großwetterlage ändern“ werde. So hielt es ein VW-Mitarbeiter am 7. Dezember in einer E-Mail an das Amt fest. Gleichzeitig teilte er den Beamten mit, dass die angehängte Liste mit den noch kritischen Fahrzeugen „dann gegenstandslos wäre“.

Ebenfalls am 7. Dezember bat VW per Fax das KBA, den Bescheid zur Neuermittlung der CO2-Werte aufzuheben. „Umfangreiche interne Prüfungen“ hätten ergeben, dass fast alle Modelle nun doch den angegebenen Werten entsprächen. Und Thomas Steg, Cheflobbyist von VW und Ex-Vizeregierungssprecher von Kanzlerin Angela Merkel, ließ schon den Entwurf einer Pressemitteilung an Staatssekretär Odenwald schicken. Zwei Tage später hieß es darin tatsächlich: „CO2-Thematik weitgehend abgeschlossen“.

Ob die Börsenmitteilungen von Volkswagen über das CO2-Problem (Adhoc-Meldungen vom 3. November und 9. Dezember 2015) korrekt waren, beschäftigt nun auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig. „Es wird derzeit geprüft, ob ein Anfangsverdacht wegen des Vorwurfes der Marktmanipulation in Betracht kommen könnte“, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft der WirtschaftsWoche mit. Zur Marktmanipulation könnte es gekommen sein, wenn die Adhoc-Mitteilungen fehlerhaft waren oder zu spät kamen.

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