Diesel-Fahrverbote Es führt nur ein Weg aus dem Diesel-Dilemma

Während Stuttgart und München noch über Diesel-Fahrverbote nachdenken, sperrt Hamburg jetzt einige Hauptverkehrsadern für ältere Diesel. Fahrverbote sind aber keine nachhaltige Lösung – im Gegenteil.

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Viele Diesel sind im Winter dreckig

Nun also auch Hamburg: Der neue Luftreinhalteplan des Senats der Hansestadt sieht vor, dass bald nur noch Diesel, die die Euro-6-Norm erfüllen, über wichtige Hauptverkehrsadern fahren dürfen. Die Mehrheit der Diesel-Autos und -Lkw, die nur die Norm Euro-5 oder älter erfüllen, dürfen diese Straßen nicht mehr nutzen – unter anderem Teile der Max-Brauer-Allee in Altona.

Warum Hamburg diesen Schritt geht, ist klar: Die Luftqualität in der Innenstadt ist anhaltend schlecht. Dafür mitverantwortlich sind Diesel-Autos, keine Frage. Ob es richtig ist, Euro-5-Diesel auszusperren und neuere (und zumindest auf dem Prüfstand saubere) Euro-6-Diesel zu erlauben, muss hingegen in Frage gestellt werden. Nicht nur die Tests des ADAC haben gezeigt, dass so mancher Euro-6-Diesel auf der Straße dreckiger ist als ein älteres Euro-5-Modell. Auch das Umweltbundesamt kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

Ohne Frage ist: Die Hamburger Lösung ist falsch. Die partiellen Fahrverbote lösen das Problem nicht, sie verschärfen es nur. Die Stadtregierung sieht in ihrem Plan keinen „gravierenden Eingriff“. Es sei „vertretbar, weil für den Durchfahrtverkehr leistungsfähige Alternativrouten existieren“. Soll heißen: Ältere Diesel-Autos sollen einen Umweg fahren.

Welche Schadstoffe im Abgas stecken

Und genau das wird zum Problem: Euro-6-Diesel sind erst seit wenigen Jahren auf dem Markt, entsprechend gering ist ihr Anteil am Fahrzeugbestand. Der große Teil der Diesel-Fahrer in Hamburg müsste dann Umwege fahren. Damit fallen die Emissionen zwar nicht mehr an den Hauptverkehrsadern (und den dort aufgestellten Messstationen) an. Umso mehr aber in den Nebenstraßen und Wohngebieten, durch die ihre neue Pendelstrecke dann führen wird.

Selbst ein komplettes Innenstadt-Verbot hilft kaum

Wegen der Umwege, und sei es nur ein Kilometer, wird nicht nur die gesamte Feinstaub- und Stickoxid-Belastung im Stadtgebiet steigen, sondern das auch noch direkt vor der Haustüre der Hamburger Bürger.

Selbst ein komplettes Fahrverbot in der Innenstadt ist nur ein Teil der Lösung – denn auch hier werden die Emissionen nicht verhindert, sondern nur verlagert. Eine dauerhafte Lösung kann nur erzielt werden, wenn die dreckigsten Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen werden.

Doch das ist – wen wundert es – von heute auf morgen nicht möglich. Es kommt einer Enteignung gleich. Und bei den Euro-5-Dieseln reden wir nicht von irgendeiner in die Jahre gekommenen Technologie: Noch im Jahr 2015 durften solche Autos neu zugelassen werden. Soll heißen: Die Behörden haben ihre Zustimmung gegeben, dass der Wagen und die verbaute Technologie in Ordnung sind und den Vorgaben entsprechen.

Wenn dieses Versprechen jetzt nicht mehr gelten soll, machen es sich Politik und Gesetzgeber zu einfach, indem sie mit dem Finger auf die böse Autoindustrie zeigen. Die Vorschriften und Kontrollen sowie der über Jahre geprägt Fokus auf den Schadstoff CO2 haben die aktuellen Motoren samt ihren Emissionen begünstigt, wenn nicht gar verursacht.

Das soll die Autobauer nicht von ihrer Mitschuld freisprechen. Sie haben jahrelang in Grauzonen gearbeitet, haben Schlupflöcher in den Normtests ausgenutzt und damit unrealistisch niedrige Verbrauchs- und Emissionsangaben erzielt. Hauptsache mit möglichst wenig (finanziellem) Aufwand die Vorgaben erfüllt. Und kein bisschen mehr.

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Dass es inzwischen möglich ist, die Grenzwerte auch bei niedrigen Außentemperaturen einzuhalten, zeigen unter anderem zwei von der betont kritischen Deutschen Umwelthilfe (DUH) getestete Diesel-Autos – eines von Mercedes, eines von Audi. Das heißt aber noch nicht, dass die inzwischen diskutierten Nachrüst-Lösungen für ältere Diesel praktikabel sind. Denn die neuen Motoren wurden konsequent auf diese Anforderungen hin entwickelt. Nachträgliche Änderungen bei älteren Motoren können kaum ähnliche Effekte bringen. Es ist zudem gar nicht bei allen Motoren möglich – und selbst wenn, ist die Entwicklung teuer und zeitaufwändig.

In die Lage, in die sich Gesetzgeber und Autoindustrie gemeinsam manövriert haben, kommen sie auch nur gemeinsam wieder heraus. Eine nachhaltige Lösung kann nur aus einer ideologiefrei geführten Diskussion entstehen – zwischen den Unternehmen, der Bundespolitik und den Städten. Eine zwei Jahre alte Technologie plötzlich auszusperren, kann keine nachhaltige Lösung sein – und Fahrverbote auf einigen wenigen Straßen genauso wenig.

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