Dieseldebatte auf der IAA Wie die Autoindustrie das E-Auto ins Rampenlicht schiebt

Auf der IAA zeigen sich die deutschen Autoriesen geläutert und zeigen viele Elektro-Konzepte. Den Diesel zu Grabe tragen wollen und können sie aber nicht. Chinas Politiker könnten den Wandel beschleunigen.

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IAA: Elektroautos statt Diesel Quelle: imago images

Wenn Angela Merkel am Donnerstag die 67. Ausgabe der Internationalen Automobilausstellung offiziell eröffnet, wird die Kanzlerin von Daimler, VW und Co vor allem eines zu sehen bekommen: Elektroautos. Wer auf der Messe nach den großen Neuheiten sucht, wird kaum eine finden, die keinen Stromstecker hat.

In Zeiten des Abgasskandals und der Diskussion um Fahrverbote für ältere Diesel-Autos will die Branche in Frankfurt klar und deutlich machen, wie die Message an Politik und Kunden lautet. „Wir haben verstanden, und wir werden liefern“, sagte etwa VW-Chef Matthias Müller. Bis 2025 will der Volkswagen-Konzern 80 neue Modelle mit Elektromotor auf den Markt bringen, rund 50 reine Elektroautos und 30 Plug-in-Hybride. „Das ist keine unverbindliche Absichtserklärung, sondern eine Selbstverpflichtung, an der wir uns ab heute messen lassen.“

Große Worte, und die Konkurrenz bläst ins selbe Horn: Daimler-Chef Dieter Zetsche verspricht für seinen Konzern, der in der Summe deutlich weniger Autos verkauft als das Wolfsburger Multi-Marken-Reich, bis zum selben Jahr 50 elektrifizierte Fahrzeuge. „Doch jedes Elektroauto ist nur so nachhaltig, wie der Strom, den es tankt“, schränkt Zetsche ein. Wenn der Daimler-Boss davon spricht, dass es „bei uns kein entweder oder“ gebe und man „das eine“ mache, „ohne das andere zu lassen“, wird klar: Aus Sicht der Industrie hat der Verbrenner, auch mit Dieselkraftstoff, weiter eine Zukunft.

Die Fakten zur 67. Internationalen Automobilausstellung

Der Wandel, den die Branche aber auf der Messe vermitteln will, schlägt sich auch im Aufbau der Stände nieder. Wenn die Kanzlerin bei ihrem Rundgang durch die Frankfurter Festhalle den Stand mit den Daimler-Modellen aufsucht, passiert sie auf dem Weg zahlreiche Elektro-Smarts und Mercedes-Modellen mit Plug-in-Hybrid. Die Autos mit reinem Verbrennerantrieb stehen ein wenig am Rand.

VW verzichtet auf TDI-Logos

Ähnliches Spiel bei Volkswagen in Halle 3: Im Fokus steht die kommende Elektrofamilie namens ID. Die Studie eines Elektro-SUV, ID Crozz, wurde neu aufgelegt, die großen Brüder ID Lounge und ID Aero sind bereits bekannt – genauso wie der bereits als Serienfahrzeug bestätigte Elektro-Bulli. Der komplett neue T-Roc, der als Golf-SUV vorerst ohne Elektromotor auskommen muss, hat zwar auch seinen prominenten Platz auf dem Messestand. So präsent, wie er als potenzieller Bestseller vor einigen Jahren gewesen wäre, ist er aber nicht.

Zudem fällt auf, dass Volkswagen bei seinen Exponaten auf die typischen TDI-Embleme verzichtet hat. Entweder steht auf dem Stand die Benziner-Variante oder man hat schlichtweg auf das Diesel-Kürzel weggelassen. Auch, wenn es technisch dafür kaum noch einen Grund gibt: Die auf der IAA gezeigten Modelle haben eine neue Generation an Dieselmotoren, die bei jüngsten Tests als sehr sauber bezeichnet wurde. Zur Schau stellen will man das bei VW aber offenbar derzeit nicht.

Auch in Halle 11 bei BMW stehen die E-Mobile im Vordergrund. Neuheiten wie die Verbrenner-Bestseller X3, der bullige X7, der elegante 8er und die Studie für den kommenden Roadster Z4 werden weit weniger auffällig zur Schau gestellt als das vergleichsweise kleine Facelift des Elektroautos i3, der neuen Studie i Vision Dynamics (Serienreife nicht von 2021) oder des Mini Electric Concept, das frühestens 2019 auf den Markt kommt.

Elektroautos (wenn auch noch oft als Studien) auf der einen, Diesel-SUV in sämtlichen Größen auf der anderen Seite: Nicht nur die Autobauer sind in der aktuellen Situation zwiegespalten, sondern auch die Experten. So bezeichnete Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland die Auftritte als „schizophren“. Zwar hätten die Autobauer zahlreiche neue E-Autos angekündigt, an den Ständen seien SUV und Sportwagen für das Publikum, das die Autos kaufen solle, aber die eigentlichen Stars. „Das ist purer Anachronismus“, sagt Lottsiepen. „Das ist kalter Kaffee, der verkauft wird.“

Verbrenner, Elektro, Brennstoffzelle: Antriebstechniken im Vergleich

Moderater äußerte sich Norbert Dressler von Roland Berger. „Wir brauchen Elektroautos, um bis 2025 die CO2-Emissionsgrenze einhalten zu können“, sagt der Unternehmensberater. „Selbst wenn wir auf Elektroautos setzen, heißt das noch lange nicht, dass wir aus der Verbrenner-Technologie komplett aussteigen.“

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