Katrin Wiendl liebt das Zusammenspiel zwischen Mensch und Industrie-Roboter. Und auch Merve Celik kann viel mit Technik anfangen. Die beiden 20-Jährigen haben aber noch mehr gemeinsam: Sie absolvieren ihre Ausbildung bei BMW in Regensburg. Wiendl wird Mechatronikerin – sie lernt, wie man die Roboter in der Werkshalle programmiert und Störungen behebt. Und Celik ist in einem Jahr fertige IT-Systemelektronikerin.
Die beiden jungen Frauen haben ihr ganzes Berufsleben noch vor sich. Und das in einer Phase, in der die Autoindustrie vor nicht weniger als einer Zeitenwende steht. Autos sollen in wenigen Jahren nicht nur elektrisch, sondern auch vernetzt und autonom fahren.
Angst vor der Zukunft haben Wiendl und Celik trotzdem nicht: BMW hat ihre Ausbildung gerade an die herausfordernde Zukunft angepasst. Die 300 Azubis in Regensburg lernen jetzt mehr über vernetzte Anlagen und wie sie mit Daten umgehen. „Künftig brauchen wir in allen Teilen der Produktion IT-Kompetenz“, sagt der Regensburger Betriebsratschef Werner Zierer. Wiendl und Celik glauben daher heute fest daran, dass sie bis zur Rente bei BMW arbeiten können.
Doch ist BMW wirklich gut für die Zukunft gerüstet? Stellt Vorstandschef Krüger den Autobauer so auf, dass BMW den Wandel schafft? Die WirtschaftsWoche hat daher bei Krüger persönlich nachgefragt, wie er mit BMW den Wandel meistern will. Doch auch bei aktuellen Fragen stand der Konzernchef Rede und Antwort. Zum Vorwurf manipulierter Abgasreinigung sagte er etwa: „Wir schummeln nicht. Ich habe das immer wieder gesagt und es gilt weiterhin.“
Doch damit nicht genug: Die WirtschaftsWoche hat sich auch auf eine Reise durch die neue Welt von BMW begeben. Sie ist dabei genauso auf einen 500 Millionen Euro schweren BMW-Fonds für Start-up-Investments getroffen, wie auf junge Softwareentwickler, die in Jeans und Turnschuhen am selbstfahrenden Auto tüfteln (siehe Printausgabe Heft 53/2017).
Nicht jedem Gesprächspartner geht der Wandel bei BMW dabei immer schnell genug: „Ob Klimawandel oder Schadstoffausstoß: Die Autoindustrie hat viele Signale zu lange nicht gehört“, sagt Jürgen Wechsler, Chef der IG Metall in Bayern. BMW habe die Signale zwar lauter gehört als andere – aber nicht laut genug.
Zu langsam geht es ihm heute zum Beispiel bei den Batteriezellen. „Der Kern einer Batterie ist die Zelle – und die fertigen die Deutschen nicht selber. BMW etwa will weiter Zellen in Asien kaufen. Ich fordere daher, dass die Forschung, Entwicklung und Fertigung von Batteriezellen in Bayern durch die Unternehmen selber geleistet wird. Das gilt für alle Automobilhersteller“, sagt Wechsler, der auch im Aufsichtsrat von BMW sitzt. Er sei unzufrieden, dass bei der „wichtigsten Kerntechnologie der Zukunft", den Batteriezellen, noch nicht genug zustande gekommen sei – „zu Lasten von Arbeitsplätzen“, sagt der Gewerkschafter.
Meilensteine der BMW-Geschichte
Gründung der Bayerischen Flugzeugwerke in München
Umbenennung in Bayerische Motorenwerke (BMW)
Bau des ersten Motorrads, der R32
Übernahme der Fahrzeugwerke in Eisenach und Bau des ersten BMW-Autos Dixi, mit Lizenz des englischen Autobauers Austin
BMW entwickelt den 303 – mit der seither charakteristischen Niere als Kühlergrill.
BMW baut Motoren für die Luftwaffe und beschäftigt rund 25.000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge. Nach Kriegsende verliert das Unternehmen das Werk Eisenach.
Erstes Nachkriegsauto ist 1952 der große „Barockengel“ 501, 1955 folgt die winzige Isetta.
BMW steckt tief in den roten Zahlen, die 6500 Mitarbeiter fürchten um ihre Arbeitsplätze, Daimler will BMW übernehmen. Überraschend steigt der Batteriefabrikant Herbert Quandt als Sanierer ein.
Das Mittelklasse-Auto BMW 1500 bringt den Durchbruch.
Eberhard von Kuenheim wird Vorstandschef. In seiner 23-jährigen Amtszeit expandiert BMW weltweit.
Start der 3er-Reihe – bis heute das meistverkaufte BMW-Modell
Das US-Werk Spartanburg wird eröffnet, zudem wird der englische Autohersteller Rover (Land-Rover, MG, Mini) gekauft.
Nach Milliardenverlusten mit Rover zieht BMW die Reißleine, nur der Mini bleibt im Konzern. Joachim Milberg löst als Vorstandschef Bernd Pischetsrieder ab.
BMW startet das erste Joint Venture in China
BMW verkauft mehr Autos als der bisherige Marktführer Mercedes – auch dank des 2003 erstmals eingeführten Kompaktmodells der 1er Baureihe.
Im BMW-Werk Leipzig läuft das Elektroauto i3 vom Band – mit einer modernen Kohlefaser-Karosserie.
Krüger kontert das Im Interview. „Um auch die Beurteilungskompetenz im Haus zu halten, haben wir eine eigene Batteriezellen-Forschung“, sagte er. Im letzten Monat habe BMW gerade den Grundstein für ein Batteriekompetenzzentrum gelegt, investiere 200 Millionen Euro. Jede Zellgeneration werde „an den technologisch und betriebswirtschaftlich führenden Hersteller vergeben“. „Wir sehen deshalb momentan keine Veranlassung, uns über den Bau eigener Zellfabriken Gedanken zu machen“, sagt Krüger.
Doch so leicht lässt ihn Wechsler nicht auskommen: „Um all die Zukunftsthemen zu bearbeiten, brauchen wir viel mehr Beschäftigte und Qualifikationen – die heutigen Qualifikationen werden nicht verschwinden, aber sie werden sich weiterentwickeln. Auch BMW muss weiter in Menschen investieren.“ Bei IT-Berufen etwa werde es „auch für BMW eng, genügend gute Mitarbeiter zu finden – denn ITler werden mittlerweile überall gesucht“.