Klagen gegen Daimler und BMW Werkvertrags-Arbeiter proben den Aufstand

Neben dem Abgasskandal und dem Kartellverdacht droht Daimler eine weitere teure Baustelle: Dutzende von Werkvertragskräften wollen sich in die Stammbelegschaften einklagen. Am Dienstag starten fünf Verfahren vor Gericht.

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Daimler in Stuttgart. Quelle: imago images

Der Stuttgarter Arbeitsrechtler Stefan Nägele ist ein guter Bekannter für die Juristen von der Rechtsabteilung des Daimler-Konzerns. Für rund 50 ehemalige Daimler-Werkvertragskräfte und scheinselbständige Testfahrer hat Nägele in den vergangenen Jahren Arbeitsverträge und Lohn-Nachzahlungen in teilweise sechsstelliger Höhe erstritten.

Jahrelange strafrechtliche Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart endeten im Februar 2016 damit, dass Daimler und sein Dienstleister MB Tech „zur Abschöpfung des geschätzten wirtschaftlichen Schadens" 9,5 Millionen Euro an die Staatskasse zahlten. Ebenso hoch waren die Nachzahlungen an die Rentenversicherung.

Pfusch bei den Arbeitsverhältnissen

Wenn Nägele und der ebenfalls in Stuttgart tätige Arbeitsrechtler Walter Törmer richtig liegen, gibt es bei Daimler nach wie vor Pfusch an den Arbeitsverhältnissen. Die beiden Anwälte vertreten mehr als 30 Mitarbeiter des Dienstleisters ISS Automotive Services, der zur ISS-Group mit weltweit 500.000 Mitarbeitern gehört. Die Kläger wollen Teil der Daimler-Stammbelegschaft werden, der sie bis 2007 regulär angehörten.

Damals hatte Daimler eine 1996 ausgelagerte Gebäudeservice-Tochter an ISS verkauft. Die vorher konzerninternen Aufträge wurden nun an ISS fremd vergeben. Nach Auffassung von Nägele und Törmer waren die Hausmeister im neuen ISS-Dress aber weiterhin eng in die Daimler-internen Arbeits- und Weisungsstrukturen integriert – und blieben dadurch faktisch und rechtlich Mitarbeiter von Daimler. Das sollen ihnen nun das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht in Stuttgart bestätigen.

Vier der Verfahren hat Daimler zwar in erster Instanz gewonnen – sie gehen aber in die zweite Runde. Fünf neue Fälle verhandelt das Arbeitsgericht Stuttgart am Dienstag. Daimler beziffert auf Anfrage die Gesamtzahl der bekannten Verfahren auf 24. Nach Informationen unserer Redaktion sind es aber schon über 30 – und es werden immer mehr. Ein Sprecher des Konzerns teilt scheinbar gelassen mit: „Wir sind überzeugt, dass die Arbeitsverhältnisse werkvertragskonform sind.“

Die wichtigsten Fakten zu Werkverträgen

Werkvertragskräfte proben den Aufstand – nicht nur bei Daimler. Auch bei BMW verschärft sich aktuell der Streit um fragwürdige Werkverträge. Im Mai berichteten wir über zwei Mitarbeiter des Dienstleisters iPremium Service (iPS), die seit 2014 im BMW-Beschwerdemanagement arbeiten und nun auf Festanstellung bei dem Autohersteller klagen.

Während die Verhandlung ihrer Klagen vor dem Arbeitsgericht München auf September verschoben wurden, vertritt der Münchner Arbeitsrechtler Thies Lindacher inzwischen sechs weitere Mandanten aus der iPS-Crew, die ebenfalls davon ausgehen, dass sie viel enger als für Werkvertragskräfte zulässig in die Strukturen des bayrischen Autokonzerns eingebunden waren. Gut möglich, dass die Klagewelle gegen BMW noch anwächst. Die gkk Group, die wiederum zum weltweit größten britischen Werbekonzern WPP gehört, arbeitet seit 16 Jahren für BMW und hat diesen Teil ihres Geschäfts in der 2013 gegründeten Münchner gkk-Tochter iPS gebündelt. „Rund ein Drittel“ der 1200 gkk-Leute arbeiten nach Unternehmensangaben „für BMW“, also schätzungsweise 400.

Preisdruck ist Auslöser der Klagewelle

Wie Daimler war auch BMW gewarnt. Zum einen gab es bei Bayerns Vorzeige-Arbeitgeber jahrelangen Streit um die externen Mitarbeiter des Dienstleisters PR Hofer im Markentempel BMW-Welt. Und auch die via Werkvertrag etwa bei der Biennale in Berlin eingesetzten Hofer-Chauffeure beschäftigen derzeit Rentenkasse und Staatsanwaltschaft.

Die Fälle weisen Unterschiede auf, aber die Probleme ähneln sich. Um Tariflöhne und die konzerninternen hohen Sozialstandards nicht zahlen zu müssen, beauftragen insbesondere Autokonzerne, aber auch andere Unternehmen, in hohem Maß billig arbeitende Subunternehmen. Die agieren auf dem Werksgelände oft aber viel unselbständiger als es bei einem Werkvertrag erlaubt ist. Nicht selten sind sie in die Urlaubs- und Personalplanung des Auftraggebers integriert, arbeiten mit den Arbeitsmitteln des Auftraggebers, haben interne Mailadressen und folgen den Anweisungen der dortigen Manager – kaum anders als die konzerninternen Kollegen. Ob sie faktisch Stammarbeitskräfte oder doch Externe sind, das entscheiden dann die Arbeitsgerichte – sofern einer klagt.

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