Kulturwandel bei VW Das Märchen von Volkswagen

Wo sich Hybris festsetzt, hat Kulturwandel keine Chance: Was die Deutsche Bank nach Skandalen und milliardenschweren Vergleichen gelernt hat, steht VW erst noch bevor.

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Bei einem Protest von Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace vor dem VW Werk in Wolfsburg (Niedersachsen) ist eine Pinocchio-Figur mit langer Nase zu sehen. Quelle: dpa

Vieles im Leben ist eine Frage der Perspektive: Die Deutsche Bank zum Beispiel, um die es hier nicht geht, ist gemessen an ihren Wettbewerbern in der Finanzbranche ziemlich weit hinten. Gemessen an anderen Wirtschaftsgrößen wie VW, um die es hier geht, liegt sie aber ganz weit vorn.

Was der abstruse Vergleich soll? Ganz einfach: Die Bank war in Skandale verwickelt – wie VW. Sie hat lange ihre Ergebnisse künstlich hochgeputscht – wie VW. Sie hat ihr Führungspersonal mehrmals zurechtgestutzt und ausgetauscht – wie VW. Und dennoch liegt der Autokonzern meilenweit zurück.

Es ist oft die Hybris der führenden Köpfe, die ein Unternehmen zu Fall bringt. Bei Volkswagen ist es der Anspruch, die Nummer eins auf der Welt zu sein, verbunden mit dem Problem, die technischen Anforderungen für ein modernes Produkt nicht in den Griff zu bekommen. Weil die Emissionen bestimmter Motoren zu hoch waren, manipulierten die VW-Ingenieure sie mit illegalen Methoden nach unten. Die Konzernleitung regte vielleicht zu diesem Vorgehen an, sie deckte es möglicherweise, sie sah auf jeden Fall zu lange zu. Ob sich der Vorstand durch tatkräftige Mithilfe oder untätiges Gewährenlassen schuldig gemacht hat – darüber werden die Richter entscheiden müssen.

Wo sich Hybris festsetzt, hat der Kulturwandel keine Chance. VW reagierte nirgendwo so, dass dem Unternehmen Einsicht oder gar Besserung unterstellt werden kann. Was die Personen anbelangt: Es gibt keinen glaubwürdigen Neuanfang. Der oberste Aufklärer des Skandals heißt nach wie vor Hans Dieter Pötsch und war vor seiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender Finanzchef des Konzerns.

Konzernchef Matthias Müller, der Martin Winterkorn abgelöst hat, stand als Chef der Konzerntochter Porsche während des Skandals zwar nicht im Rampenlicht, aber er saß zumindest in der zweiten Reihe. Auch Porsche leistete sich VW-Motoren, die nicht sauber waren.

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Daneben gebärdet sich ein Betriebsrat wie Bernd Osterloh nun als Aufklärer im Aufsichtsrat, wo er doch schon während der Hochphase des Skandals gesessen hatte. Stephan Weil, SPD-Ministerpräsident und ebenfalls Aufsichtsratsmitglied ist auch kein Held, seitdem er Personalrochaden der beschriebenen Art mitträgt.

Selbst auf ihre Millionengehälter und Boni wollen diese Vorstände nur höchst ungern verzichten. Die aktuell diskutierte Deckelung bei zehn Millionen ist angesichts des Zustands des Unternehmens und des Verrufs, in den der Konzern die deutsche Industrie gebracht hat, ein Witz.

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