Nachrüstungen Wo die Grenzen des sauberen Diesels liegen

Daimler holt drei Millionen Diesel in die Werkstatt, in Stuttgart wird über Fahrverbote verhandelt. Die Debatte um den dreckigen Diesel reißt nicht ab. Was bringen Nachrüstungen, ist der saubere Diesel überhaupt möglich?

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Daimler OM654 Quelle: Daimler AG

Das lief anders als geplant: Eigentlich wollte Daimler am Dienstagabend mit der Premiere eines neuen Modells in die Schlagzeilen: In Südafrika stellten die Stuttgarter die X-Klasse vor, der erste Pick-up der Marke. Doch anstatt über Sinn und Unsinn eines Pritschenwagens mit Stern im Kühlergrill zu diskutieren, dominiert eine andere Nachricht: Daimler holt drei Millionen Autos in die Werkstätten, um deren Abgasverhalten zu verbessern.

Daimler – der Konzern, der stets am lautesten betont hatte, dass in Stuttgart-Untertürkheim nicht getrickst werde. Von einem (teilweisen) Schuldeingeständnis will man in der Unternehmenszentrale aber trotz der millionenfachen Service-Aktion nichts wissen. „Die öffentliche Debatte um den Diesel sorgt für Verunsicherung – allen voran bei den Kundinnen und Kunden“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. „Wir haben uns deshalb für weitere Maßnahmen entschieden, um den Dieselfahrern wieder Sicherheit zu geben und um das Vertrauen in die Antriebstechnologie zu stärken.“

Dass Daimler ausgerechnet jetzt den Quasi-Rückruf bekannt gibt, kommt nicht von ungefähr: Die Druck wurde zuletzt immer größer. Laut verschiedenen Medienberichten vermuten die Stuttgarter Staatsanwälte, dass Daimler bei den Abgaswerten von mehr als einer Million Autos getrickst haben könnte. Das Kraftfahrt-Bundesamt will im Auftrag des Verkehrsministeriums weitere Daimler-Diesel testen – mehrere Modelle waren bereits auffällig und werden mit einem Software-Update versehen. Und nicht zuletzt verhandelt ein Gericht in der baden-württembergischen Landeshauptstadt am Mittwoch über mögliche Fahrverbote für ältere Dieselautos.

Die Diskussion um den dreckigen oder sauberen Diesel reißt nicht ab. Was bringen die Nachrüstungen wirklich? Und ist der saubere Diesel überhaupt möglich?

Daimler und Audi haben bereits saubere Diesel

Während es bei der ersten Frage komplex wird, ist die zweite einfach zu beantworten: mit einem Ja. Den Beweis dafür liefert unter anderem ausgerechnet Daimler. In einem Straßentest der betont kritischen Deutschen Umwelthilfe (DUH) haben ein Audi A5 Sportback mit Zwei-Liter-Diesel und eine neue Mercedes E-Klasse, ebenfalls mit einem Zwei-Liter-Diesel, mit je 40 und 43 Milligramm Stickoxid pro Kilometer die Grenzwerte klar eingehalten. Vorgeschrieben ist ein Maximum von 80 Milligramm auf dem Prüfstand, auf der Straße dürfen sie vorerst um den Faktor 2,1 höher liegen, also bei 168 Milligramm pro Kilometer.

Dass die E-Klasse den Grenzwert so locker einhält, liegt an einem komplett neuen Dieselmotor. In der 2016 vorgestellten Business-Limousine arbeitet der OM654, beim Vorgänger und den meisten anderen Modellen kommt als Vierzylinder-Diesel noch der ältere OM651 zum Einsatz. Dieser gehört – neben dem Sechszylinder-Diesel OM642 – zu den beiden Motoren, die die Stuttgarter Staatsanwälte im Verdacht haben.

Dass der OM654 jetzt plötzlich zu den saubersten Diesel-Aggregaten auf dem Markt zählt, liegt weniger an dem verkleinerten Hubraum (2,14 auf 1,95 Liter), den leichteren Stahlkolben oder dem gewichtsparenden Motorblock aus Voll-Aluminium – sondern an einer von Grund auf neu entwickelten Abgasnachbehandlung.

Wie die Adblue-Technik funktioniert

Spritkonsum, CO2 und vor allem Feinstaub machen den Motorenentwicklern keine Sorgen. Das Diesel-Problem sind die Stickoxide, kurz NOx, die sich wirklich effizient nur mit einem SCR-Katalysator reduzieren lassen (SCR steht für das Verfahren „selective catalytic reduction“, das unter dem Namen „AdBlue“ vermarktet wird). Das Problem: Das System muss regelmäßig mit AdBlue, also Harnstoff, befüllt werden und nimmt relativ viel Platz weg. Deswegen wird die Technik in der Regel entlang des Abgasstrangs unter dem Auto verbaut – bei Mercedes in etwa auf Höhe der Vordersitze.

Bereits vor knapp sechs Jahren – lange vor Bekanntwerden des VW-Dieselskandals – haben die Ingenieure erkannt, dass diese Einbaulage alles andere als ideal ist. Die Abgasnachbehandlung braucht eine gewisse Temperatur, um richtig zu funktionieren. Deshalb wurden beim OM654 die Positionen des Partikelfilters und AdBlue-Systems verlegt – weg vom exponierten Unterboden, hinein in den warmen Motorraum. Das ganze System, das im Bild oben zu sehen ist, schließt sich jetzt direkt an den Motor an – zwischen dem Turbolader und dem ersten Filter liegen nur wenige Zentimeter.

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