Noch längst keine Entwarnung für die mehr als 18 000 Opel-Beschäftigten in Deutschland: Der französische Autobauer PSA Peugeot-Citroën hat sich gegenüber Politik und Gewerkschaften noch nicht festnageln lassen, was bei der sich abzeichnenden Übernahme mit den deutschen Standorten und Arbeitsplätzen passiert. Schriftliche Zusagen aus Paris stünden noch aus, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte aber auf Anfrage, die Gespräche mit den Franzosen verliefen „sehr konstruktiv“.
Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ hat Peugeot der Bundesregierung zwar signalisiert, Opel bei einer Übernahme eigenständig weiterzuführen und alle deutschen Standorte zu erhalten. Demnach könnten bis Ende 2018 in Deutschland betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden, bis mindestens 2020 würden Investitionszusagen für die Werke in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach sowie das Ersatzteilzentrum in Bochum gelten. Dazu hieß es am Wochenende aus mit den Gesprächen vertrauten Kreisen aber, nun müsse sich zeigen, ob diese Botschaft von PSA-Generalsekretär Olivier Bourges, der am Donnerstag im Kanzleramt war, am Ende auch in den Verträgen stehe.
Bis spätestens zum Genfer Autosalon in zweieinhalb Wochen sollen laut „Bild am Sonntag“ die Verträge unterzeichnet sein. Über einen ähnlichen Zeitrahmen berichtete auch die „Welt am Sonntag“. Der Opel-Mutterkonzern General Motors verhandelt seit längerem mit Peugeot, bekannt wurden die Gespräche aber erst vor wenigen Tagen. Opel schreibt seit 1999 rote Zahlen. Bereits 2008/2009 wollte GM Opel loswerden, behielt die Deutschen dann aber doch.
Hintergründe zur PSA Group
Der vom Staat gestützte französische Autobauer PSA Peugeot Citroën hat im vergangenen Jahr weltweit über 3,1 Millionen Fahrzeuge abgesetzt. Der französische VW-Konkurrent mit den Marken „Peugeot“, „Citroën“ und „DS“ sieht sich in Europa schon länger als Branchenzweiter.
Konzernchef Carlos Tavares fuhr in den vergangenen Jahren einen harten Sanierungskurs unter anderem mit Werkschließungen und Jobabbau. Um das vor drei Jahren stark angeschlagene Unternehmen zu retten, schoss unter anderem der französische Staat Geld zu und hielt zuletzt rund 14 Prozent der Anteile.
Auch der staatlich kontrollierte chinesische Hersteller Dongfeng stieg 2014 bei dem Traditionsunternehmen mit 14 Prozent ein. Der Einfluss der Peugeot-Familie sank im Zuge der Sanierung hingegen beträchtlich.
Der Umsatz betrug im vorvergangenen Jahr 54,7 Milliarden Euro; neuere Jahreszahlen liegen nicht vor. Der Konzern beschäftigte 184.000 Mitarbeiter.
Unlängst schaltete die französische Antibetrugsbehörde nach Untersuchungen zu Diesel-Abgasen bei PSA die Justiz ein. Ein entsprechendes Dossier ging an die Staatsanwaltschaft. Es liegt nun an der Justiz, über eventuelle Folgen zu entscheiden. Der Konzern betonte, er habe seine Fahrzeuge niemals mit Betrugs-Software ausgestattet.
Unklar ist, ob die Franzosen - wie intern angekündigt - bereits an diesem Donnerstag Eckpunkte für die bevorstehende Übernahme des traditionsreichen Rüsselsheimer Autoherstellers vorlegen. Zunächst will auch Großbritanniens Premierministerin Theresa May mit PSA-Vorstandschef Carlos Tavares beraten. Die Briten fürchten bei dem Deal um die Standorte der Opel-Schwestermarke Vauxhall.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist für Gespräche mit Tavares ebenfalls offen. Bereits am Freitag hatte sie betont, es werde alles politisch Mögliche getan, „dass die Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland gesichert sind“. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der „Bild am Sonntag“, die Bundesregierung werde „die Gespräche sorgfältig begleiten und darauf dringen, dass die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Opel gewahrt bleiben“.
Opels Produktionsstandorte in Europa
Am Opel-Hauptsitz arbeiten 14.850 Beschäftigte, davon gut die Hälfte im Entwicklungszentrum. Die Produktion hat rund 3000 Arbeitnehmer. Sie bauen den Mittelklassewagen Insignia in mehreren Varianten, den Zafira sowie Getriebe und Komponenten.
Quelle: Reuters, Stand: 19. April 2018
Der Standort in Rheinland-Pfalz hat 2130 Beschäftigte. Sie produzieren Motoren und Fahrwerkskomponenten.
In Thüringen laufen die Kleinwagen Corsa und Adam vom Band. Im Werk Eisenach arbeiten 1790 Menschen.
In dem polnischen Werk sind knapp 3050 Mitarbeiter beschäftigt. Sie bauen den Kompaktwagen Astra und das Cabrio Cascada und den Sportwagen Opel GTC. In Tychy stellen 400 Beschäftigte Motoren her.
In dem spanischen Standort bei Saragossa laufen Corsa, Meriva, der SUV Mokka und der Stadtgeländewagen Crossland X vom Band. Der Standort hat 5170 Arbeitsplätze.
Im Werk Ellesmere Port arbeiten 1470 Beschäftigte. Hier werden ebenfalls Astra-Modelle produziert.
Der Standort Luton nördlich von London hat 1240 Arbeitnehmer und baut den Kleintransporter Vivaro.
In dem österreichischen Werk nahe Wien arbeiten 1330 Menschen. Dort werden Motoren und Getriebe hergestellt.
Die Fabrik in Ungarn produziert mit 1160 Arbeitnehmern Motoren und Komponenten.
Die „Automobilwoche“ zitierte einen Mitarbeiter aus dem Umfeld von PSA-Chef Tavares mit den Worten: „Opel ist eine deutsche Industrie-Ikone. PSA wird sie nicht zerstören, sondern pflegen.“ Der Konzern wolle nicht nur die Marke erhalten, sondern deren Bedeutung international ausbauen. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann hatte den möglichen Eigentümerwechsel bereits als „prinzipiell sinnvoll“ bezeichnet.
Am Donnerstag fliegt Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) nach Paris, um mit ihrem Amtskollegen Michel Sapin auch über Opel zu reden. Der Opel-Koordinator von Bund und Ländern, Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD), sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und dem „Spiegel“, er sehe große Chancen. „Durch den Zusammenschluss würde der zweitgrößte Autokonzern Europas entstehen. Dadurch ergeben sich auch zusätzliche Möglichkeiten für Investitionen, Innovationen und Wachstum.“