Selbst wenn alle Betroffenen zustimmen und über die Aufteilung der Kosten einig sind, droht noch eine weitere Hürde: Gerade in älteren Häusern sind die Stromleitungen nicht für das Laden von Elektroautos ausgelegt – egal ob per Wallbox oder einfach an der Haushaltssteckdose. Ein einzelnes E-Auto ist meist noch kein Problem, bei mehreren Autos am Stromnetz könnte der alte Anschluss schnell überlasten. Ein Ladelastmanagement, das den Strom gezielt an die angeschlossenen Autos verteilt, ist teuer. Und regelmäßiges Umparken ist keine praktikable Lösung. Bleibt die Möglichkeit, ein neues Stromnetz in das Haus einzubauen – doch auch das treibt die Kosten in die Höhe.
Eine andere Möglichkeit wäre es, bereits vorhandene Stromquellen entlang der Straßen zu nutzen: die Straßenlaterne. Abgesehen vom nordrhein-westfälischen Düsseldorf (eine der wenigen Städte weltweit, die ihre Straßen noch mit Gaslaternen beleuchtet) steht theoretisch alle paar Meter ein Stromanschluss parat, der angezapft werden kann.
Das Berliner Start-up Ubitricity hat dazu eine Steckdose entwickelt, mit der eine Laterne nachgerüstet werden kann. Der Anschluss ist bewusst simpel gehalten, verfügt anders als gängige Ladesäulen über keinen Strommesser und Internetanschluss. Der aufwändigere Teil der Technik sitzt in dem „SmartCable“ genannten Kabel, das sich per Mobilfunk mit dem Internet verbindet und die Abrechnung erledigt. Der Kunde schließt einen Vertrag mit Ubitricity ab, bekommt dann das SmartCable zugeschickt und kann sich dann an den bereits nachgerüsteten Laternen Strom zapfen. Abgerechnet wird automatisch. Die Kosten liegen je nach Modell zwischen 500 und etwa 1800 Euro.
Inzwischen hat auch Siemens in Ubitricity investiert. „Die Ubitricity-Technologie hat uns überzeugt“, sagte Siemens-Elektroauto-Manager Moritz Ingerfeld im November. „Sie nutzt gezielt die Digitalisierung im Energiebereich und erlaubt völlig neue Geschäftsmodelle im Zukunftsmarkt der Energiedienstleistungen für die Elektromobilität.“ Die Technik selbst ist nicht auf Straßenlaternen beschränkt. Mit dem Ansatz, die aufwändige Technik in das Kabel zu verlegen, könnten auch Parkplätze vor Supermärkten oder öffentliche Parkhäuser deutlich günstiger nachgerüstet werden als mit teuren Ladesäulen.
Technische Hintergründe zu Akkus
Eine Batterie hat die Aufgabe, beim Aufladen möglichst viele Elektronen aufzunehmen und diese mit möglichst wenigen Verlusten zu speichern. Beim Entladen gibt sie die Elektronen dann wieder ab, um mit diesem Strom zum Beispiel einen Elektromotor oder ein Handy zu betreiben.
Im Akku übernehmen die sogenannten Lithium-Ionen diese Speicheraufgabe: Diesen Atomen fehlt ein Elektron. Daher sind sie elektrisch positiv geladen. Beim Aufladen strömen negativ geladene Elektronen in den Akku und sammeln sich in einem dichten Geflecht aus dem leitfähigen Kohlenstoff Graphit. Dorthin wandern dann auch die positiv geladenen Lithium-Ionen. Jedes von ihnen bindet ein Elektron – man könnte auch sagen, dass jedes Ion ein Elektron festhält, um die Ladungsneutralität zu gewährleisten. Beim Entladen des Akkus verlassen die Elektronen das Graphit nach und nach wieder. Damit wandern auch die positiv geladenen Lithium-Ionen aus dem Graphit-Netzwerk heraus. Später kann der Ladezyklus dann von neuem beginnen.
Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden. Daher arbeitet Bosch schon länger unter anderem daran, den Graphit-Anteil zu reduzieren oder ganz auf das Graphit zu verzichten. Dies würde die Energiedichte des Akkus deutlich steigern. Das scheint jetzt dem Start-up Seeo, das Bosch gekauft hat, gelungen zu sein.
Eine etwas aufwändigere Lösung hat der Energieversorger EnBW bereits vor einiger Zeit entwickelt. „SM!GHT“ ist eine Kombination aus Straßenlaterne, Ladesäule, WLAN-Sender, Verkehrssensor und Notrufsäule. Die smarten Laternen, die ebenfalls aus einem Start-up hervorgegangen sind, stehen bereits im australischen Caloundra, in Prag und in Stavanger. Es muss aber nicht immer die teure Komplettlösung sein: Die Module sich auch einzeln erhältlich und sollen auch in vorhandene Laternen nachgerüstet werden können. Eine solche EnBW-Straßenlaterne mit 4,50 Meter Höhe kostet 8500 Euro. Bei einer Höhe von sechs Metern beträgt der Preis 9500 Euro.
Mit einigen 100 Millionen Euro aus dem Fördertopf für die Kaufanreize könnte also bei der privaten Infrastruktur einiges bewegt werden – sofern sie für diesen Zweck freigegeben würden.