Schlechte Karten für Volkswagen Der Pokerspieler, der VW an die Wand drängt

Der Anwalt der Affentest aufdeckte. Quelle: imago images

Michael Melkersen hat die misslungenen Abgastests an Affen entdeckt. Ende des Monats will der Provinzanwalt vor Gericht daraus Profit schlagen. Der ehemalige Pokerspieler glaubt: Er hat die bessere Hand. Ein Ortsbesuch.

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Michael Melkersen hat ein Problem. Es gibt keine guten Porträtbilder von ihm. Mehrmals am Tag rufen derzeit Journalisten aus aller Welt in seinem Anwaltsbüro an. Sie wünschen Zitate von dem Mann, der die skandalösen Abgastests an Affen von Volkswagen entdeckt hat – und bitten um Fotos. Doch der Ruhm kommt für den 43-jährigen Anwalt aus New Market, einer Kleinstadt in Virginia, zwei Autostunden westlich von Washington, völlig überraschend. Die einzigen professionellen Bilder, die von Melkersen existieren, zeigen ihn am Pokertisch.

Melkersen, verheiratet, zwei Kinder im Alter von ein und drei Jahren, hat an Turnieren im ganzen Land teilgenommen. Er saß an Tischen in den Glücksspielmetropolen Atlantic City und Las Vegas, spielte eine sechsstellige Summe ein – und rangierte mal unter den besten 2000 Pokerspielern in den USA. Seit dem Ausbruch des Volkswagen-Dieselskandals aber ruht das gewinnträchtige Hobby. Melkersen vertritt 334 Klienten, die sich vom deutschen Autobauer betrogen und geschädigt fühlen, weil sie ein Auto mit manipuliertem Dieselmotor gekauft haben. Jetzt fordern sie Entschädigung.

Volkswagen hat in den USA bereits mit rund einer halben Million Ex-Kunden einen Vergleich geschlossen und Zahlungen von insgesamt über zehn Milliarden zugesagt. Doch dem Deal haben längst nicht alle ehemaligen VW-Käufer zugestimmt. Fast 2000 Geschädigte versuchen in Einzelklagen mehr für sich herauszuholen. Die erste Klage dieser Art soll ab dem 26. Februar vor dem Bezirksgericht Fairfax County in Virginia verhandelt werden. Es klagt ein Jetta-Käufer aus North Carolina – vertreten durch Michael Melkersen.

Es ist kurz vor 15 Uhr am Freitagnachmittag. Melkersen, grauer Anzug, schwarze glänzende Lackschuhe, steht bereits auf der Veranda vor seinem Büro. „Meine Kollegen ziehen mich schon auf und nennen mich den neuen David Hasselhoff“, sagt Melkersen über seine steigende Popularität in Deutschland. Dann führt er zu einem Seiteneingang, im Haupthaus wohnen die Eltern, und hinein in sein Büro.

Auf dem Boden stehen Kisten wild in der Gegend herum, Ausdrucke und Klebezettel sind über seinen Schreibtisch verteilt. „Inzwischen arbeite ich 18 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche“, erklärt der Anwalt das Chaos in seinem Büro. Seine Augenringe belegen die Aussage. Ebenso sein angeworbenes Fachwissen. Wie kaum ein Zweiter hat sich Melkersen in die Abgasaffäre eingearbeitet. Er hat Zehntausende von Dokumenten durchwühlt, immer auf der Suche nach belastendem Material gegen Volkswagen.

„Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen einem Rechtsstreit und einem Pokerspiel“ sagt Melkersen. Beides Mal ginge es primär darum, so viele Informationen wie möglich zusammenzutragen. „Je mehr du über deinen Gegner und seine Hand weißt, desto besser sind deine Siegchancen.“ Gewinnen sei weder hier noch dort Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit und einer realistischen Chancenbewertung, so der leidenschaftliche Zocker. Er ist davon überzeugt, inzwischen eine sehr gute Hand im Streit mit Volkswagen zu haben – spätestens seit der Entdeckung der misslungenen Studie über Abgastests mit Affen.

Im Juni 2017 recherchierte der 43-Jährige rund um den inzwischen verhafteten VW-Ingenieur James Liang. Melkersen wollte wissen, welche Stellung der langjährige VW-Angestellte hatte, was er über die Dieselaffäre wusste, und wer ihn möglicherweise Anweisungen gegeben hatte. „In dem Zusammenhang bin ich auf ein Dokument gestoßen, dass ein VW Beetle für James Liang in die USA importiert wurde“, sagt Melkersen. Er wurde misstrauisch und wühlte tiefer.

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