Liebevoll streicht der Verkäufer in dem Kölner Autohaus über den weißen Lack des Tiguan. So einen sportlichen Geländewagen, einen SUV, hätte er auch gerne, schwärmt er. Satte 220 PS Leistung! „Damit sind Sie der König der Landstraße“, meint er und rückt seine Brille zurecht.
Einen kleinen Makel der Renommierkarosse will er bei aller Begeisterung aber nicht verschweigen. Mit bis zu 9,7 Liter Sprit, die VW angibt, komme der Tiguan „im echten Leben nicht hin“. 13 Liter in der Stadt, auf der Autobahn bei Vollgas könnten es auch schon mal 18 Liter sein.
Schwere SUVs, PS-Protzerei, Spritverbrauch im zweistelligen Bereich – an der Basis zeigt sich, wie viel VW noch von der von Konzernchef Matthias Müller feierlich proklamierten grünen Zukunft trennt. Dem Dieselskandal zum Trotz steckt der Konzern noch in der alten Autowelt fest, in der sparsame Elektroautos kaum mehr als Spinnerei verwirrter Ökoaktivisten sind. Ökonomisch spielt die neue Technik bis heute praktisch keine Rolle. Stattdessen bedient VW hemmungslos die unverändert hohe Nachfrage nach Motorleistung.
Schon bald dürfte sich das ändern, notgedrungen. Der Konzern kann es sich nicht leisten, die weltweiten Klimaschutz-Vorgaben zu ignorieren – bei Verstößen werden Milliarden fällig. Müller muss das Steuer schnell herumreißen, um nicht mehr nur Autos mit maximalem Profitpotenzial, sondern auch sparsame Varianten an den Kunden zu bringen. Erste Schritte dazu laufen. So berichten Insider, dass der Vertrieb der Marke VW zum Vorteil der E-Autos umgebaut wurde.
Zeitenwende in Wolfsburg
Der Zeitpunkt ist günstig. Denn just als der Kölner VW-Händler versucht, den weißen Tiguan loszuwerden, findet im Konzern eine Zeitenwende statt. Am Montag vergangener Woche um 16.14 Uhr geht die Eilmeldung über die Ticker: „Piëch besiegelt Verkauf eines Großteils seines VW-Anteils.“ Damit endet die Ära eines der letzten Patriarchen alter Schule. Zwei Wochen vor seinem 80. Geburtstag überlässt Ferdinand Piëch den Konzern den restlichen Anteilseignern des Familienclans. Er ist der Architekt des Zwölf-Marken-Reichs, Jahrzehnte hat er dafür gelebt und gestritten. Einen Generationswechsel hat Piëch aber nicht angestoßen, sein Bruder Hans Michel übernimmt vorerst das Gros seiner Anteile. Klar aber ist, dass der Konzern möglichst schnell die grüne Kehrtwende vollführen muss. Sonst wird es für Volkswagen vor allem in Europa schon bald eng.
Ab 2021 darf die verkaufte Neuwagenflotte eines Herstellers laut EU-Regeln im Schnitt nur noch maximal 95 Gramm Kohlendioxid (CO2)pro Kilometer ausstoßen. Nach Berechnungen der Beratung PA Consulting wird VW diese Marke deutlich reißen, jährliche Strafzahlungen von rund einer Milliarde Euro wären die Folge. Auch BMW könnte mit rund 350 Millionen Euro dabei sein, nur Daimler würde dank des starken Absatzes der kleinen A-Klasse und sparsamer Hybridmodelle ohne Strafe davonkommen.
Elektroautos im Kostenvergleich
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
BMW i3 | Strom | 36.150 Euro | 598 Euro | 47,8 Cent |
Mini Cooper S | Super Plus | 26.600 Euro | 542 Euro | 43,4 Cent |
Mini Cooper SD | Diesel | 28.300 Euro | 519 Euro | 41,5 Cent |
Quelle: ADAC
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Citroën C-Zero | Strom | 19.800 Euro | 433 Euro | 34,6 Cent |
Citroën C1 Vti 68 | Super | 13.900 Euro | 388 Euro | 31,0 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Ford Focus Electric | Strom | 34.900 Euro | 665 Euro | 53,2 Cent |
Ford Focus 1.5 EcoBoost | Super | 25.500 Euro | 618 Euro | 49,4 Cent |
Ford Focus 2.0 TDCi | Diesel | 28.100 Euro | 623 Euro | 49,8 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Hyundai IONIQ Elektro | Strom | 33.300 Euro | 587 Euro | 47,0 Cent |
Hyundai i30 1.6 GDI | Super | 22.630 Euro | 562 Euro | 45,0 Cent |
Hyundai i30 1.6 CRDi blue | Diesel | 24.030 Euro | 548 Euro | 43,8 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Kia Soul EV | Strom | 28.890 Euro | 526 Euro | 42,1 Cent |
Kia Soul 1.6 GDI | Super | 19.990 Euro | 529 Euro | 42,3 Cent |
Kia Soul 1.6 CRDi | Diesel | 23.490 Euro | 539 Euro | 43,1 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Mercedes-Benz B250e | Strom | 39.151 Euro | 713 Euro | 57,0 Cent |
Mercedes-Benz B220 4Matic | Super | 34.076 Euro | 773 Euro | 61,8 Cent |
Mercedes-Benz B220d | Diesel | 36.521 Euro | 728 Euro | 58,2 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Nissan Leaf | Strom | 34.385 Euro | 632 Euro | 50,6 Cent |
Nissan Pulsar 1.2 DIG-T | Super | 22.290 Euro | 574 Euro | 45,9 Cent |
Nissan Pulsar 1.5 dCi | Diesel | 22.690 Euro | 535 Euro | 42,8 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Renault Zoë | Strom | 34.700 Euro | 580 Euro | 46,4 Cent |
Renault Clio TCe 90 | Super | 16.790 Euro | 433 Euro | 34,6 Cent |
Renault Clio dCi 90 | Diesel | 20.290 Euro | 454 Euro | 36,3 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Tesla Model S 60 | Strom | 71.020 Euro | 1206 Euro | 96,5 Cent |
Mercedes-Benz CLS 400 | Super | 63.427 Euro | 1198 Euro | 95,8 Cent |
Mercedes-Benz CLS 350d | Diesel | 62.178 Euro | 1156 Euro | 92,5 Cent |
Hinweis: Da Tesla selbst keine Autos mit Diesel- oder Benzinmotor verkauft, hat der ADAC zum Vergleich den Mercedes-Benz CLS herangezogen.
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
VW e-up! | Strom | 26.900 Euro | 472 Euro | 37,8 Cent |
VW up! 1.0 | Super | 14.255 Euro | 375 Euro | 30,0 Cent |
Zu lange hatten sich die Hersteller darauf verlassen, dass sie die Grenzwerte passieren würden. Tatsächlich sanken die Emissionen ihrer Flotten beständig – zumindest auf Basis der in Zulassungstests gemessenen Abgaswerte. „So viel Klimaschutz wie nötig, nicht so viel wie möglich“, lautete die Devise in Wolfsburg, sagt ein VW-Manager.
Doch nun läuft der Trend auf einmal gegen sie. Schuld daran ist vor allem die hohe Nachfrage nach Geländewagen. Eine hohe, über gewöhnlichen Autofahrern schwebende Sitzposition und Geräumigkeit locken Kunden, statusbewusste Eltern lieben es, ihre Kinder damit vor der Privatschule abzusetzen. Der Anteil der SUVs an den deutschen Neuwagen hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf 21 Prozent verdreifacht. Für die Autobauer ist das ein zweischneidiger Erfolg. Denn die Wagen bringen viel Geld ein, verbrauchen aber auch enorm viel Sprit. Im Schnitt stößt ein Geländewagen 20 Prozent mehr Kohlendioxid aus als ein vergleichbares Mittelklassemodell.