Volkswagen VW verliert gegen Toyota weiter an Boden

VW-Chef Matthias Müller kann das Dieselgate-Chaos nicht stoppen. Toyota hängt Müller bei dessen „Zukunftsthemen“ wie Hybrid- und Elektroautos weiter ab – ein Strategievergleich in sechs Punkten.

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Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. Quelle: dpa

Es ist ein weiteres unrühmliches Kapitel im Abgasskandal bei Volkswagen: Der beurlaubte frühere Entwicklungsvorstand der Marke VW, Heinz-Jakob Neußer, hatte den Konzern wegen ausstehender Boni-Zahlungen in Millionenhöhe verklagt. Eine Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Braunschweig kam am Donnerstag jedoch zu keinem Ergebnis.

Laut der in den USA veröffentlichten Klageschrift gegen sieben VW-Manager und dem vom Konzern unterzeichneten „Statement of Facts“ gilt Neußer als einer der Schlüsselakteure in der Affäre. Er soll seine Untergebenen angewiesen haben, ab 2012 den Betrug gezielt zu vertuschen.

In dem Rechtsstreit geht es Neußer konkret um die Zahlung des persönlichen Leistungsbonus. Dabei handelt es sich um eine von drei Komponenten, aus denen sich der Gesamtbonus laut Arbeitsvertrag zusammensetzt. Zwei davon hat das Unternehmen wie im Vorjahr überwiesen. Die Zahlung für die persönliche Leistung blieb aber aus. 2014 hatte Neußer für diesen Bereich etwas mehr als eine Million Euro erhalten. Für das Jahr 2015 fordert er jetzt die Nachzahlung von 1,4 Millionen Euro. Außerdem will er eine Auskunft über die Kriterien, nach denen die Höhe der Boni festgelegt wurde.

Dieselgate und kein Ende. Dabei kann Volkswagen solche Scharmützel am Rand eigentlich nicht gebrauchen: Im ganzen Konzern stehen Reformen und Einschnitte an. Was Volkswagen noch bevorsteht, zeigt der Blick auf den Erzrivalen Toyota. Beim Absatz liegen die beiden 80-jährigen Konzerne mit rund zehn Millionen Autos pro Jahr zwar Kopf an Kopf. Doch auf den Feldern, auf denen über die automobile Zukunft entschieden wird, liegt Toyota vorn. Der Kampf erinnert an den Wettlauf zwischen Hase und Igel: Toyota ist schon da, wo der Dieselgate-geschüttelte VW-Konzern hin will.

1. Moderner Hybrid statt gefährlichem Diesel

Der Diesel? „Eine lästige Pflicht.“ Wenn Karl Schlicht über den Dieselmotor redet, diesen in Deutschland ausgetüftelten und mit Milliarden perfektionierten Selbstzünder, gibt er sich wenig Mühe, höflich zu bleiben. Schlicht ist Toyotas Vertriebschef in Europa. Den frechen Spruch kann er sich leisten. In Westeuropa, wo jedes zweite verkaufte Auto ein Diesel ist, müssen beim Toyota-Händler immer auch ein paar Diesel stehen. Aber eben nur als Pflichtübung. Toyota hat mit seinen Hybridautos eine überzeugende Alternative.

Der Diesel aber hat schon seit 124 Jahren ein notorisches Schadstoffproblem. Seit Jahren ist absehbar, dass ihm wegen immer schärferer Umweltauflagen die Puste ausgehen wird – weil die Abgasreinigung zu teuer ist oder nicht funktioniert (Tschüss, Diesel! WirtschaftsWoche 22/2012).

Der Dieselskandal wäre VW erspart geblieben, hätte man den Toyota-Weg gewählt: Hybrid statt Diesel, Innovation statt Betrug. Seit 20 Jahren hat Toyota Hybride im Programm. Die Autos mit kombiniertem Benzin-Elektro-Antrieb sind ebenso sparsam wie Diesel und für Toyota nicht teurer in der Herstellung, die Abgase aber wesentlich weniger gesundheitsschädlich. Der Stickoxidausstoß ist auch bei modernen Dieseln sechs Mal so hoch wie bei Benzin-Hybriden.

Plug-in-Hybride im Kostenvergleich

So kommt Dieselgate für Toyota wie gerufen. Drohende Fahrverbote in Innenstädten und die Angst vor Verlusten beim Wiederverkauf drücken die Zulassungszahlen: In Deutschland brachen die Dieselverkäufe in den letzten Monaten jeweils gegenüber Vorjahr um rund zehn Prozent ein. In Frankreich verlor der Diesel 20 Prozentpunkte Marktanteil in den vergangenen fünf Jahren. Spanien: minus zwölf Punkte. Belgien: minus 18 Prozentpunkte.

Hybride dagegen boomen in Europa. 40 Prozent mehr hat Toyota 2016 verkauft. Jeder dritte verkaufte Toyota war ein Hybrid. Ein Hybridanteil zwischen 50 und 60 Prozent 2020 – die interne Toyota-Vorgabe – rückt näher. Und in Wolfsburg, wo der Hybridantrieb ein Schattendasein fristet, reift eine bittere Erkenntnis: „Wir haben“, sagt ein hoher Manager aus der Fahrzeugentwickung, „auf das falsche Pferd gesetzt.“

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