VW-Führungskrise Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Der Machtkampf bei VW ist vorerst entschieden, Piëch muss eine Niederlage einstecken. Doch der 67-jährige Winterkorn wird nicht ewig VW-Chef bleiben – die möglichen Kronprinzen müssen jetzt ihre Aufgaben lösen. Ein Blick auf die Kandidaten.

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Diese Sätze zerstörten Manager-Karrieren
Paul Singer: „Kleinfeld hat eine einzigartig charismatische Persönlichkeit, er nutzt seine Beziehungen dazu, weiterhin angestellt zu sein“Elliott-Chef Paul Singer hielt den Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, der 2016 den Metallspezialisten vom Aluminiumkonzern Alcoa  abgespalten hat, schon lange für eine Fehlbesetzung. Seit Anfang 2017 hat der Hedgefonds-Manager alles daran gesetzt, den Deutschen an der Spitze von Arconic loszuwerden. Es herrsche eine hierarchische Kultur im „schicken New Yorker Konzernsitz“, weit weg vom Kunden, was schon bei der Vorgängerfirma Alcoa zu „dramatischer Minderleistung“ geführt habe. Kleinfeld habe eine „einzigartig charismatische Persönlichkeit“, er nutze seine Beziehungen dazu, „weiterhin angestellt zu sein“, stellte er zuletzt fest. Die Schlammschlacht zwischen Singer und Kleinfeld hatte die gesamte Wall Street in den Bann gezogen. Elliott durchkämmte jede Börsenpflichtmitteilung, sprach von Fabrikarbeitern bis zu Aufsichtsräten mit Mitarbeitern von Arconic. Der schwerste Vorwurf: Kleinfeld habe mit dem Geld von Arconic Stimmen von Aktionären gekauft, es soll gar eine Verbindung mit der Schmiergeldaffäre von Siemens  geben, wo Kleinfeld bis 2007 die Geschäfte führte. Quelle: Reuters
Klaus Kleinfeld: „Das erinnert mich an diese Mafia-Filme, wo es heißt: ‚Das ist nicht persönlich gemeint‘“Erst war er Siemens-Chef, dann machte er in den Vereinigten Staaten weiter Karriere: Klaus Kleinfeld (Mitte) gilt als einer der bekanntesten deutschen Manager in den USA. Nun hat er seinen Posten als Vorstandschef und Chairman beim Metallkonzern Arconic aufgegeben. Mit diesem Rücktritt hat sich Hedgefonds-Manager Paul Singer im erbitterten Streit gegen den Manager durchgesetzt. Singers Fonds Elliott Management ist Aktionär bei Arconic – und drängte seit Monaten auf eine Ablösung des ehemaligen Siemens-Mannes. Auf eine Frage nach dem Clinch mit dem Hedgefonds antwortete Kleinfeld Anfang des Jahres auf dem Podium einer New Yorker Finanzkonferenz mit einem Scherz. „Das erinnert mich an diese Mafia-Filme, wo es heißt: ‚Das ist nicht persönlich gemeint.‘“ Fast alle Gäste im Saal lachten. Nur zwei im Publikum verzogen keine Miene: Sie arbeiten für Elliott. Am Ende war der Druck wohl doch zu groß. Kleinfeld kommentiert seinen Rückzug nun wie folgt: „Wir haben eine Menge erreicht. Heute ist Arconic in guter Position für die nächste Phase.“ Nur künftig ohne den Manager aus Deutschland. Quelle: dpa
Paul Achleitner: „Es geht bei diesen Fragen um die Zukunft der Institution Deutsche Bank, nicht um die von Individuen.“Ein Vertrauensbeweis liest sich anders, als das Interview, das der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Paul Achleitner, kurz vor der Hauptversammlung im Mai 2015 der Wirtschaftswoche gab. Statt sich deutlich hinter die Vorstandsdoppelspitze aus Anshu Jain und Jürgen Fitschen zu stellen, ging er auf Distanz. „Niemand ist unersetzbar“, sagt er. Quelle: dpa
Ferdinand Piëch: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn"Mit einfachen Worten machte VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch (rechts) im April 2015 klar, dass er von seinem langjährigen Weggefährten und VW-Chef Martin Winterkorn (links) abrückt. „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn", ließ Piëch verlauten und verdeutlichte damit, dass er mit der Arbeit des Konzernchefs nicht mehr zufrieden ist. Winterkorns Vertrag läuft im kommenden Jahr aus. Dass er spätestens im Frühjahr 2017 als Aufsichtsratsvorsitzender auf Piëch folgen würde, galt bislang als ausgemacht. Ob es wirklich so kommt, ist nun äußerst fraglich. Quelle: dpa
Berthold Beitz: „Cromme bleibt"Der Industriekonzern Thyssen-Krupp kämpfte Anfang 2013 um die Existenz. Aufgrund von gut fünf Milliarden Euro Verlust durch Fehlinvestitionen, Korruption und Kartellabsprachen, stand auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme vor dem Aus. Viele Jahre hatte Patriarch Berthold Beitz nicht mit der Presse gesprochen, doch in dieser Situation griff er zum Hörer und rief beim Handelsblatt an: „Cromme bleibt“, sagte er und wollte damit Spekulationen um das Aus von Cromme ein Ende setzen. In Wahrheit offenbarte der Satz, in welcher prekärer Situation das Unternehmen war. Nur vier Monate später musste der Aufsichtsratschef Cromme den Konzern trotzdem verlassen. Quelle: dpa
Josef Ackermann: „Die richtige Persönlichkeit kann alles lernen, Persönlichkeit aber kann man nicht lernen."Josef Ackermann verkündete im Jahr 2011, dass er zwei Jahre später als Chef der Deutschen Bank ausscheiden würde. Gleichzeitig machte er Angaben dazu, wie er sich das Profil seines Nachfolgers vorstellte: „Die richtige Persönlichkeit kann alles lernen, Persönlichkeit aber kann man nicht lernen." Damit verdeutlichte Ackermann seine Abneigung gegen den designierten Nachfolger Anshu Jain. Vor allem warb er auch für seinen eigenen Favoriten, den Bundesbank-Chef Axel Weber. Doch all das nützte Ackermann wenig: Bereits Ende Mai 2012 musste er seinen Posten zugunsten einer Doppelspitze aus Anshu Jain und Jürgen Fitschen räumen. Axel Weber ging zur Schweizer Großbank UBS. Quelle: dapd
Metro-Aufsichtsratsmitglied: „Soweit ich das übersehe, gibt es keine Mehrheit mehr für ihn."Zwar ist unklar, wer genau der Urheber dieses Zitats war, die Botschaft vom Aufsichtsrat der Metro AG für den damaligen Vorstandsvorsitzenden Eckhard Cordes war dennoch eindeutig. „Soweit ich das übersehe, gibt es keine Mehrheit mehr für ihn", hieß es im Jahr 2011. Für Eckhard Cordes war das der Anfang vom Ende. Zu eindeutig hatte sich eine Mehrheit gebildet, die sich gegen eine Verlängerung seines 2012 auslaufenden Vertrages aussprach. Grund dafür waren charakterliche Zweifel, nachdem sich Cordes in einer Bar im russischen St. Petersburg beleidigend über Aufsichtsratsmitglieder geäußert hatte. Hinzu kamen Zweifel, ob Cordes seine Verkaufspläne für die Konzerntöchter je würde umsetzen können. Zum 31. Dezember 2011 legte Cordes sein Amt als Vorstandschef der Metro AG nieder. Quelle: dpa

Der Machtkampf bei VW ist vorerst entschieden. Der „Göttervater“, wie ein Aktionär Ferdinand Piëch einst bezeichnete, hat eine herbe Niederlage kassiert. Vorstandschef Martin Winterkorn bleibt, sein Vertrag soll sogar über 2016 hinaus verlängert werden. Doch aufgeschoben ist in der Wolfsburger Führungskrise nicht aufgehoben: Selbst Winterkorn wir nicht ewig VW-Boss bleiben, schließlich ist der Schwabe bereits 67 Jahre alt.

Für einige hochrangige Mitarbeiter die beste Zeit, sich zu positionieren. Dass ein externer Manager das Ruder in Wolfsburg übernimmt, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Nicht nur die bei Volkswagen mächtige Arbeitnehmerseite favorisiert einen Vorstandsvorsitzenden aus den eigenen Reihen. Zumal es im Konzern mehr als genügend fähige Manager gibt, die als potenzielle Kronprinzen in Betracht kommen.

von Sebastian Schaal, Rebecca Eisert

Seit VW-Patriarch Piëch seinen einstigen Ziehsohn Winterkorn öffentlich angezählt hatte, geisterten die verschiedensten Namen durch die Medien – dieses Magazin nicht ausgenommen. Ein Name fiel immer wieder: Matthias Müller, Porsche-Chef.

Müller will nicht, würde aber

Müller brächte zahlreiche Qualitäten mit, zweifelsohne. Er gilt als äußerst loyal, gab ohne Murren seinen Posten als oberster VW-Produktstratege auf, um den eigenwilligen Sportwagenbauer Porsche nach der Übernahmeschlacht in den VW-Konzern zu integrieren. Eine Aufgabe, die Müller mit Bravour meisterte – was ihm in Wolfsburg und Salzburg großen Respekt einbrachte. Wegen seiner Loyalität würde er wohl auch zusagen, wenn er gebeten würde.

Doch Müller selbst legt auf den Chefsessel bei Europas größtem Autobauer gar keinen Wert. Noch auf dem Genfer Autosalon Anfang März hatte er sich offen dagegen ausgesprochen. „Wenn man über einen Generationswechsel spricht, dann denke ich nicht, dass ich dafür dann noch der richtige Mann bin“, sagte Müller im Interview mit der WirtschaftsWoche. Was gegen den Porsche-Chef spricht: Müller ist schon 61 Jahre alt. Wenn Winterkorns bis 2016 laufender Vertrag wie angekündigt verlängert wird, geht Müller ebenfalls auf das Rentenalter zu. Ob er dann noch für eine ähnlich lange Amtszeit wie Winterkorn, der VW dann über zehn Jahre führen würde, in Frage kommt, darf stark bezweifelt werden.

Piëch und seine Figuren

Die Bühne ist also für die jüngeren Spitzenkräfte bei Volkswagen geebnet. Herbert Diess ist einer von ihnen – oder besser gesagt wird einer von ihnen: Denn der ehemalige Entwicklungsvorstand von BMW muss erst einmal seinen Dienst in Wolfsburg antreten.

Diess muss die Kernmarke reformieren

Als das Duell um die Nachfolge von Norbert Reithofer als BMW-Boss für den Produktionsvorstand Harald Krüger und gegen Diess ausging, setzte sich dieser zu Volkswagen ab. Im Juli 2015 – früher erlaubt es die Kündigungsfrist nicht – übernimmt er den Vorstand der Marke Volkswagen von Martin Winterkorn, der sich dann voll auf die Leitung des Konzerns konzentrieren kann.

Zu den Projekten, die Diess in München bis zuletzt betreute, gehört unter anderem der 2er Active Tourer. Mit einem Van, Fronttriebler und Dreizylinder-Motor betrat BMW in gleich drei Gebieten Neuland. Besonders bei den Fahreigenschaften und dem Motor bekam der B-Klasse-Konkurrent von der Fachpresse ausgesprochen gute Noten.

Die Baustellen des VW-Konzerns
VW in den USA Quelle: dpa
Winterkorn mit dem Chinesischen Vize-Premier Ma Kai Quelle: obs
VW Quelle: dpa
MAN Quelle: dapd
Hauptwerk in Wolfsburg Quelle: dpa

Auch bei der Entwicklung der skalierbaren BMW-Architektur – ähnlich den VW-Baukästen – war der studierte Fahrzeugtechniker und Maschinenbauer federführend. Gerade bei der Einführung des Baukasten-Systems hatte es bei VW immer wieder gehakt – unter anderem deswegen musste im August 2014 der damalige Produktionsvorstand Michael Macht seinen Schreibtisch in Wolfsburg räumen –, während bei BMW die Umstellung weitgehend reibungslos vonstatten ging.

Dazu kommt: Zulieferer fürchten den gebürtigen Münchner, Diess gilt als rücksichtsloser Kostenkiller – ein Ruf, den auch Ferdinand Piëch in seiner Zeit als VW-Chef hatte.

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