Nein, es ist nicht nur wegen des Abgasskandals. Eine neue Strategie für die kommenden Jahre stand bei Volkswagen ohnehin an. Die „Strategie 2018“, die der damalige VW-Chef Martin Winterkorn im Jahr 2008 ausgerufen hatte, läuft bald aus – die meisten Ziele hatte der Konzern ohnehin früher als geplant erreicht.
Trotz des Erfolgs, Toyota als weltgrößten Autobauer zu überholen, waren die Probleme im Mehr-Marken-Reich der Wolfsburger unübersehbar. Die Produktion ist inzwischen zu komplex, der Konzern zu träge und ineffizient, die Rendite gerade bei der wichtigen Kernmarke VW-Pkw viel zu niedrig.
All das mündete in dem Machtkampf zwischen Konzernpatriarch und Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und Vorstandsboss Winterkorn im Frühjahr 2015 – mit bekanntem Ergebnis. Piëch zog sich zurück, Winterkorns Vertrag wurde verlängert. Der Schwabe sollte VWs Weg in die Zukunft ausarbeiten – bis ihn im September der Dieselskandal aus dem Amt fegte.
Der neue VW-Chef Matthias Müller konnte seine neue Strategie also auf ein Fundament bauen. Die größte Krise des Konzerns mit Milliardenverlust und hohen Rechtsrisiken in den USA ermöglichte Müller vermutlich sogar größere Änderungen, als sie ohne Dieselgate möglich gewesen wären.
Die wichtigsten Eckpunkte aus „TOGETHER – Strategie 2025“ im Überblick:
Was ist das Ziel der neuen Strategie?
Volkswagen selbst spricht vom größten Veränderungsprozess in der Geschichte des Unternehmens. Im Kern zielt die Strategie auf eine „nachhaltige Zukunftssicherung und profitables Wachstum“ – sprich: Die Grundlagen dessen, womit VW in einer sich schnell verändernden Welt der Digitalisierung und der umweltfreundlichen Mobilität künftig Geld verdienen will.
Was sagt VW-Chef Matthias Müller?
„Mit dem Zukunftsprogramm wird der Volkswagen-Konzern fokussierter, effizienter, innovativer, kundennäher, nachhaltiger – und konsequent auf profitables Wachstum ausgerichtet“, sagte der Vorstandschef bei der Vorstellung der neuen strategischen Ausrichtung in Wolfsburg. „Das Volkswagen der Zukunft wird seine Kunden mit faszinierenden Fahrzeugen, bedarfsgerechten Finanzdienstleistungen und smarten Mobilitätslösungen begeistern. Wir werden technologisch führend und ein Vorbild bei Umwelt, Sicherheit und Integrität sein. Der Konzern wird eine wettbewerbsfähige Ertragskraft haben. Volkswagen wird ein Unternehmen sein, auf das wir alle gemeinsam stolz sein können.“
Wie VW im ersten Quartal abgeschnitten hat
Im Auftaktquartal 2016 hat Volkswagen 2,577 Millionen Fahrzeuge abgesetzt – zum ersten Quartal 2015 ein Rückgang von 1,2 Prozent (2,607 Millionen Fahrzeuge).
Zum Stichtag 31. März 2016 haben 613.075 Menschen für VW gearbeitet. Gegenüber dem Jahr 2015 sind das 0,5 Prozent mehr – damals waren es 610.076 Menschen.
In Deutschland sinkt jedoch die Zahl der VW-Mitarbeiter, zuletzt um 800 auf rund 277.900 Stellen. Der Zuwachs kommt aus dem Ausland, wo VW um fast 4.000 Stellen auf 335.200 Jobs zulegte.
Beim Umsatz musste VW im Vergleich zum Vorjahresquartal ein Minus von 3,4 Prozent hinnehmen. Die Umsatzerlöse sanken von 52,735 Milliarden Euro auf aktuell 50,964 Milliarden Euro.
Das operative Ergebnis (Ebit) stieg um 3,4 Prozent auf 3,44 Milliarden Euro – zum Jahresauftakt 2015 waren es noch 3,328 Milliarden Euro. Die operative Rendite stieg von 6,3 auf 6,8 Prozent.
Das Ergebnis nach Steuern ging deutlich zurück – von 2,932 Milliarden Euro im Q1 2015 auf aktuell 2,365 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang von 19,3 Prozent.
Die Marke Volkswagen Pkw verzeichnete in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Volumen- und Umsatzrückgang. Der Umsatz von VW-Pkw sank von 26,3 Milliarden Euro auf 25,1 Milliarden Euro, der Absatz fiel von knapp 1,12 Millionen auf 1,07 Millionen Fahrzeuge. Infolge dessen ging das Operative Ergebnis vor Sondereinflüssen auf 73 (514) Millionen Euro zurück, die operative Marge erreichte im ersten Quartal 0,3 Prozent.
Mit 1,3 Milliarden Euro erreichte Audi annähernd wieder das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen des Vorjahres. Bei einem nahezu stabilen Umsatz sank die operative Marge leicht von 9,7 auf 9,0 Prozent.
Bei Skoda stieg das operative Ergebnis aufgrund positiver Mixeffekte und geringerer Materialkosten um gut 30 Prozent auf 315 (242) Millionen Euro. Die operative Marge legte bei deutlich gestiegenem Umsatz auf 9,3 (7,6) Prozent zu.
Seat verbesserte sein Operatives Ergebnis aufgrund von Kostenoptimierungen auf 54 (33) Millionen Euro. Dies entspricht einer Steigerung der Operativen Rendite auf 2,6 (1,5) Prozent.
Gemessen am operativen Ergebnis ist Bentley im ersten Quartal in die roten Zahlen gerutscht. Statt einem Gewinn von 49 Millionen Euro im Vorjahresquartal steht 2016 ein Minus von 54 Millionen Euro zu Buche. Volkswagen begründet das mit gesunkenen Auslieferungen.
Porsche blieb auch zum Auftakt des laufenden Geschäftsjahres in der Erfolgsspur. Das Operative Ergebnis stieg weiter auf 895 (765) Millionen Euro und damit deutlich überproportional zum Umsatz, der aufgrund eines signifikant höheren Absatzes spürbar zulegte. Die operative Marge kletterte auf 16,6 (15,1) Prozent.
Das operative Ergebnis von Volkswagen Nutzfahrzeuge sank volumenbedingt auf 142 (165) Millionen Euro, die operative Marge ging auf 5,2 (6,1) Prozent zurück. Scania verbuchte einen leichten Anstieg des operativen Ergebnisses auf 244 (237) Millionen Euro und eine stabile operative Marge von 9,6 Prozent. Trotz des anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Umfelds in Südamerika verbesserte MAN Nutzfahrzeuge das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen unter anderem aufgrund des höheren Absatzes in Europa auf 65 (minus 13) Millionen Euro. Bei MAN Power Engineering belief sich das operative Ergebnis auf 48 (52) Millionen Euro.
Die Volkswagen Finanzdienstleistungen konnten ihr operatives Ergebnis deutlich auf 492 (403) Millionen Euro steigern. Insbesondere Volumeneffekte wirkten sich positiv aus.
Müller will die langjährige VW-Erfolgsgeschichte fortsetzen und die Auto-Mobilität für künftige Generationen maßgeblich mitgestalten. Neben diesen ambitionierten Zielen zeigt sich der VW-Chef aber auch selbstkritisch. „Voraussetzung dafür ist, dass wir – nach dem schweren Schlag durch die Dieselthematik – aus den gemachten Fehlern lernen, Defizite beheben und eine offene, werteorientierte, auf Integrität aufbauende Unternehmenskultur bei uns etablieren“, so Müller.
Ist Müllers Strategie eine Abkehr von dem Kurs seines Vorgängers Winterkorn?
Bei der Strategie 2018 wurden vier Ziele definiert, um VW zum „erfolgreichsten, faszinierendsten und nachhaltigsten Automobilunternehmen der Welt“ zu machen: führend bei Qualität und Kundenzufriedenheit; mehr als zehn Millionen verkaufte Fahrzeuge pro Jahr; eine Umsatzrendite von acht Prozent und der attraktivste Arbeitgeber der Autobranche zu sein.
Müllers Strategie soll Volkswagen zu einem „weltweit führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität“ machen. Unter Winterkorn schwebte über allem die große Marke von zehn Millionen Autos – zur Erinnerung: 2008 verkaufte VW lediglich 6,3 Millionen Fahrzeuge. Diesem Ziel wurde viel untergeordnet, was bis heute Auswirkungen auf Konzernstruktur, Marken und Personal hat.
Ein solches Absatzziel nennt Müller ausdrücklich nicht. Stattdessen sollen das Kerngeschäft umgestellt und neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Sprich: Solange Kennzahlen wie Ebit, Rendite und Aktienkurs stimmen, ist Müller auch bereit, weniger Fahrzeuge zu verkaufen. Wenn junge Großstädter kein Auto mehr besitzen wollen, VW aber immer noch mit Gett als Mobilitätsdienstleister daran verdienen kann, will Müller dieses Potenzial erschließen. Er sieht darin ein nachhaltigeres Geschäft, als um jeden Preis vor Toyota bleiben zu wollen. Winterkorn hätte das wohl anders gesehen.