Einst führte die Blockchain ein Schattendasein. Alle Augen waren auf den Bitcoin gerichtet, die Kryptowährung, die auf der Blockchain basiert und deren rasante Berg- und Talfahrten sie nach wie vor zur Risikoanlage machen. Doch diese Zeiten sind vorbei, mittlerweile ist die Blockchain eines der heißesten Themen in der Technologiebranche.
Über eine Billion US-Dollar flossen laut Marktforschungsagentur CBInsights in den vergangenen zwei Jahren in Blockchain-Startups, die wie Pilze aus dem Boden sprießen. Es mehren sich die Stimmen, die der Blockchain größere Bedeutung für die Zukunft der Finanzwelt zumessen als dem Bitcoin. Wenn es um Kryptowährungen, Smart-Contracts und Private-Chains geht, sitzt das Geld bei den Investoren locker. Aber was macht die Blockchain so besonders? Was kann sie? Und warum gilt sie als "Gefahr für die bestehenden Finanzmärkte“?
Hochleistungsfähige Buchhaltung bis Schachpartie: Was kann die Blockchain?
Die Blockchain ist eine Art verteilter Datenbank. Wie Perlen auf einer Schnur kann man nur neue Daten hinzufügen, die sich auf bereits vorhandene beziehen („distributed ledger“ genannt). Die Daten in der Kette sind nicht veränderbar.
Die „Bitcoin-Blockchain“ wird verwendet, um ein Buchhaltungssystem aufzubauen. Man könnte aber genauso gut per Blockchain eine Schach-Partie abbilden oder kollektiv eine Geschichte (fort)schreiben. Denn die große Stärke dieser Technologie ist es, allen Teilnehmern Auskunft darüber zu geben, was zu einem bestimmten Zeitpunkt wem gehörte, und nachzuweisen, wie es dazu kam.
Zur Kolumne
Jahrhundertelang haben sich Finanzgeschäfte kaum verändert. Heute scheinen fast täglich neue Innovationen und Trends die Märkte umzuwälzen. Experten der CFA Society Germany geben hier alle zwei Wochen Einblick in den Wandel der Finanzwelt.
Was zunächst recht lapidar klingt, erweist sich in der Praxis als beeindruckende Leistung: Im Fall Bitcoin wird eine Währung mit einer Marktkapitalisierung von inzwischen über 21 Milliarden US-Dollar weltweit gehandelt – ohne Zentralbanken, ohne jegliche Art von Regulierung. Und die Kontostände stimmen alle auf den Cent genau. Jeder gelernte Buchhalter hat einmal im Jahr damit zu kämpfen, alle Posten präzise zu verrechnen und auf die glatte Null unterm Strich zu kommen. Die Blockchain macht das alles ‚von Haus aus‘. Und das auch noch global.
Was einfach scheint, ist es nur selten
Nun lässt sich erahnen, wo die "Gefahr" herkommt: Momentan gibt es für jeden Währungsraum eine zentrale Verwaltungsstelle, die sich darum kümmert, dass die eingehenden und abfließenden Finanzströme korrekt verrechnet werden – die Zentralbanken. Analog funktioniert die Abwicklung im Wertpapierbereich durch Zentralverwahrer. Diese als "Clearing & Settlement" bezeichneten Prozesse sind aufwändig und kosten nach einer Schätzung von Oliver Wyman global jährlich zwischen 60 und 85 Milliarden US-Dollar.
Kein Wunder also, dass die Finanzwelt aufhorcht, wenn von einer vermeintlich einfachen und kostengünstigen Software-Lösung die Rede ist, welche diese Aufgabe bewältigen kann.
Doch ganz so einfach ist es dann leider doch nicht. Denn die Blockchain verdankt ihre Vorteile einigen essentiellen Eigenschaften: Sie ist im Kern ihres Wesens dezentral, das macht es auch schwer, sie zu regulieren. Darüber hinaus ist der „distributed ledger“ offen und transparent. Die Kontostände aller Teilnehmer sind für jeden einsehbar, jeder Marktteilnehmer hat zu jedem Zeitpunkt das gleiche „Buch“. Doch sind ein gewisser Grad an Vertraulichkeit sowie eine zentrale, regulierende Instanz bisher Kernbestandteile des Finanzsystems gewesen. Eine neue dezentrale Lösung müsste von allen Marktteilnehmern akzeptiert werden – sozusagen basisdemokratisch. Das braucht Zeit.