Geldinstitute Neustart der Deutschen Bank lässt auf sich warten

Deutsche Bank unter Druck Quelle: dpa Picture-Alliance

Der Neustart der Deutschen Bank lässt auf sich warten. Querelen in der Führung und schlechte Stimmung blockieren das Institut. Wann verlieren die Aktionäre die Geduld?

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Auf zwei Stockwerke verteilt sitzen die 60 Angestellten in Anzügen und Kostümen vor ihren Bildschirmen, viele sprechen in Telefone, es geht um Kredite, Anlagen, Immobilien. Die Räume in dem Zweckbau im Mainzer Industriegebiet sind hell, an einer Wand hängt ein Schmuckteppich, der wie eine länger nicht gemähte Rasenfläche aussieht. Bunte Papierbuchstaben über einer Tür wünschen „Happy Birthday.“ Der Auftritt ist der Deutschen Bank wichtig, alles soll standesgemäß wirken. Und bloß nicht wie ein Callcenter.

Schließlich soll es hier nicht nur um Produktverkauf, sondern um persönliche Beratung gehen. „Unsere Kunden wollen die auch außerhalb der Öffnungszeiten der Filialen“, sagt Knut Straeter, der das Geschäft der Bank in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland leitet, während er durch das im April eröffnete Beratungscenter führt. Telefonisch sind die Leute abends bis 20 Uhr erreichbar, auch samstags stehen sie bis 15 Uhr bereit. Und wenn in einer Filiale mal ein Experte fehlt, kann er per Videochat aus Mainz zugeschaltet werden. Straeter zeigt, wie das geht, klickt zwei Mitarbeiter auf den Bildschirm, die winken und ein paar nette Worte sagen. „Die technische Qualität ist so hoch, dass es so wirkt, als ob die Experten mit im Raum sitzen würden“, sagt Straeter. Und nickt zufrieden.

Die Beratungscenter sind eine Initiative mit hohem Symbolwert. Rückzug, Sparen und Abbauen – damit soll es nun vorbei sein. Die Offensive soll zeigen, dass sich die Bank endlich wieder mit ihren Chancen beschäftigt, auf ihre Kunden zugeht, in die digitale Zukunft startet. Das Schlimmste, so haben es Vorstandschef John Cryan und seine Kollegen im Führungsteam jetzt schon mehrmals verkündet, habe das Institut nun hinter sich.

Wie sich die Erträge der Deutschen Bank unter John Cryan entwickelt haben.

Tatsächlich sind die größten Rechtsfälle abgeschlossen, mit der im April abgeschlossenen Kapitalerhöhung sind zudem die ärgsten Sorgen um die Stabilität verflogen. Doch von einem unbelasteten Neustart ist die Bank weit entfernt.

Die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist auf einen Tiefstwert gefallen, viele wirkten „gelähmt und seltsam teilnahmslos“, wie ein hochrangiger Insider formuliert. In allen Sparten haben wichtige Führungskräfte die Bank verlassen und ihre Kunden offenbar gleich mitgenommen. Im Wettbewerb ist die Bank fast überall zurückgefallen. Viele Manager, die noch da sind, verbeißen sich zudem in internen Rangeleien. Deutschlands wichtigste Bank wirkt blockiert, „von Aufbruchstimmung ist bisher wenig zu spüren“, sagt ein Insider.

Und dann fürchten manche auch noch, dass die Bank auf eine Führungskrise zusteuert. Dabei geht es um die Zukunft Cryans. Ein hochrangiger Deutschbanker berichtet, dass Aufsichtsratschef Paul Achleitner in kleiner Runde angekündigt habe, der Brite werde seinen Platz räumen. Als Nachfolger stünden der fürs Investmentbanking zuständige Vorstand Marcus Schenck und Privatkundenchef Christian Sewing bereit. Beide hat Achleitner im März zu Vize-Chefs befördert, beide reagieren bisher sehr zurückhaltend, wenn sie auf ihre Rolle als Kronprinzen angesprochen werden.

Slogans der Deutschen Bank

Cryan selbst hat einen Rückzug kürzlich öffentlich ausgeschlossen und erklärt, dass er noch viele Jahre für das Institut tätig sein wolle. Sein Vertrag läuft bis 2020. Dabei gibt es die Vermutungen über ein vorzeitiges Ende seines Engagements schon ewig. Eigentlich schon, seit er vor gut zwei Jahren, aus dem Aufsichtsrat kommend, die Nachfolge Anshu Jains übernahm. Cryan, so die Vermutung, werde sich auf die Aufräumarbeiten konzentrieren und nach deren Abschluss gehen. Ähnlich hatte er es schon als Finanzchef bei der Schweizer UBS gehalten.

Bei den meisten Mitgliedern des Aufsichtsrats gilt das Personaltableau in seiner aktuellen Form als sinnvoll. Und doch meinen einige Insider, dass sich Cryan den stressigen Chefjob „nicht ewig antun“ werde.

Bei vielen Investoren würde Unruhe an der Spitze nicht gut ankommen. Cryan sei zwar kein Visionär, aber, anders als seine Vorgänger, ehrlich und verlässlich, heißt es bei einem Großaktionär. So hat der Brite die Bank von Anfang an zum Restrukturierungsfall erklärt, der erst mal keine Traumrenditen liefern wird. Konsequent verfolgt er die Linie, dass es erst mal schlechter werden muss, bevor es wieder besser werden kann. So hat er den einst so selbstbewussten Deutschbankern etwa einen weitgehenden Bonusverzicht zugemutet.

Cryans Problem: Die Geduld der Investoren dürfte endlich sein – und könnte letztlich auch Achleitner zum Handeln zwingen. Vor allem die Großaktionäre aus Katar und China wollen in absehbarer Zeit positive Ergebnisse sehen. Solche lieferten zuletzt nicht nur die übermächtigen US-Banken, sondern auch europäische Konkurrenten wie die französische BNP Paribas und die Schweizer UBS. Die Deutsche Bank dagegen machte 2016 abermals einen Milliardenverlust, in diesem Jahr soll das Ergebnis immerhin positiv sein.

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