Eigentlich hätten die Anwälte der Deutschen Bank in gut drei Wochen, am 9. Juni, mal wieder als Beklagte vor dem Landgericht Köln erscheinen müssen. Dort sollte entschieden werden, ob frühere Postbank-Aktionäre, die sich von der Deutschen Bank im Zuge der Übernahme rausgedrängt fühlen und deshalb Schadenersatz verlangen, mit ihrer Klage recht haben.
Dazu wird es aber erst mal nicht kommen, denn nachdem einige der Kläger ein Musterverfahren beantragten, hat die Bank nun auch noch ein Musterverfahren beantragt - quasi gegen sich selbst. Das geht aus einem Schreiben des Landgerichts hervor, welches der WirtschaftsWoche vorliegt. Mit dieser Taktik hat die Bank vor allem Zeit gewonnen. Statt im Juni wird die Runde nun erst wieder Ende September in Raum 1511 des Kölner Landgerichts zusammen kommen.
Die Bank bestätigt, aus Gründen der Prozessökonomie die Einleitung eines Musterverfahrens beantragt zu haben, als sich abzeichnete, dass die für Musterverfahren nötige Anzahl an Anträgen zusammenkommen werde. So solle die Einleitung eines solchen Verfahrens beschleunigt werden, erklärte ein Sprecher der Bank auf Anfrage. Die Bank hält die Klagen für unbegründet.
Die Kläger dürften sich über diese Verzögerung ärgern. Zumindest diejenigen, die auch Aktien der Deutschen Bank haben, könnten die morgige Hauptversammlung in der Frankfurter Festhalle schon mal für Beschwerden nutzen.
Die teuersten Rechtsstreitigkeiten der Deutschen Bank
In der Affäre um Geldwäsche von Kunden bei Wertpapiergeschäften in Moskau, London und New York muss die Deutsche Bank umgerechnet knapp 600 Millionen Euro an Aufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien zahlen. Deutsche-Bank-Kunden kauften zwischen 2011 und 2015 bei der Moskauer Filiale Aktien großer Konzerne in Rubel - um diese dann an westlichen Handelsplätzen in dortiger Währung wieder zu verkaufen. So sollen rund 10 Milliarden Dollar Rubel-Schwarzgeld gewaschen worden sein. Die Deutsche Bank habe wegen Aufsichtsversagens zahlreiche Gelegenheiten ungenutzt gelassen, das Komplott zu unterbinden, urteilte die New Yorker Finanzaufsicht DFS und verhängte ein Bußgeld von 425 Millionen Dollar. An die britische Finanzaufsicht FCA muss die Deutsche Bank 163 Millionen Pfund zahlen.
Kurz vor Weihnachten einigt sich die Deutsche Bank mit den US-Behörden auf einen Vergleich über 7,2 Milliarden Dollar (6,7 Mrd Euro) für dubiose Hypothekengeschäfte aus Zeiten vor der Finanzkrise 2007/2008. 3,1 Milliarden Dollar werden als Zivilbuße fällig, 4,1 Milliarden Dollar muss die Bank über fünf Jahre verteilt an „Erleichterungen für Verbraucher“ zur Verfügung stellen. Wie sich das auf die Bilanz auswirkt, ist noch offen. US-Justizministerin Loretta Lynch kritisiert das Institut harsch: „Die Deutsche Bank hat nicht nur Investoren getäuscht, sie hat direkt zu einer internationalen Finanzkrise beigetragen.“ Ursprünglich hatte US-Justizministerium mit 14 Milliarden Dollar Strafe gedroht.
Die Deutsche Bank muss wegen ihrer Verstrickung in den Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar zahlen. Das Institut verständigt sich mit Behörden in den USA und Großbritannien auf einen Vergleich. Es ist die höchste bislang verhängte Buße gegen eine Bank in diesem Fall.
Die Bank zieht einen teuren Schlussstrich unter den Dauerstreit um die Pleite des Kirch-Medienkonzerns. Insgesamt 925 Millionen Euro kostet der am Oberlandesgericht München besiegelte Vergleich. Damit beendete die Bank die juristische Auseinandersetzung um eine Mitverantwortung für die Pleite des Kirch-Konzerns 2002.
Das Institut zahlt 1,9 Milliarden Dollar in einem Streit um Hypothekenpapiere in den USA. Die beiden staatlichen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac fühlten sich bei Hypothekengeschäften aus den Jahren 2005 bis 2007 übers Ohr gehauen.
Der Konzern steht für zwielichtige Hypotheken-Geschäfte der US-Tochter MortgageIT gerade. Um eine Klage aus der Welt zu schaffen, fließen 202 Millionen Dollar.
Das Geldhaus legt einen Streit mit der Stadt Mailand über umstrittene Zinswetten gegen eine Millionen-Zahlung bei. Insgesamt erhält die italienische Wirtschaftsmetropole 455 Millionen Euro. Die Entschädigungszahlung teilen sich vier Banken.
Beim Gerichtsverfahren in Köln geht es um die Frage, ob die Abfindung, welche die Deutsche Bank an die Aktionäre der Postbank gezahlt hat, hoch genug war. Im Sommer 2015 hatte die Deutsche Bank schon mehr als 95 Prozent der Postbank-Anteile. Um das Institut komplett unter ihre Kontrolle zu bringen und von der Börse zu nehmen, zahlte sie den verbliebenen Anteilseignern eine Abfindung von 30 Euro pro Aktie.
Frühere Angebote waren noch niedriger, im Oktober 2010 bot die Bank den Postbank-Aktionären 25 Euro pro Aktie. Eingestiegen waren die Frankfurter in Bonn allerdings schon im Herbst 2008. Damals kauften sie der Post aber nur etwas weniger als 30 Prozent der Postbank-Aktien ab - um den Aktionären kein Übernahmeangebot unterbreiten zu müssen. Denn das wäre wohl teuer geworden.
Der Vorwurf der Aktionäre: schon damals habe die Deutsche Bank in der Postbank das sagen gehabt, ein Übernahmeangebot wäre also fällig gewesen. Gemessen am Durchschnittskurs der vergangenen Monate, hätte das bei ungefähr 57 Euro pro Aktie gelegen - deutlich höher also als das tatsächliche Angebot.
Wie die WirtschaftsWoche im April berichtete, stehen die Chancen für die Aktionäre auf einen Sieg im Prozess gar nicht so schlecht. Demnach könnte die Deutsche Bank mit Unterstützung der Post deutlich früher als offiziell verkündet beherrschenden Einfluss auf die Postbank gewonnen haben. Gelingt der Nachweis eines solchen Zusammenspiels ("Acting in Concert"), wäre das für die Bank teuer. Sie müsste allen Aktionären einen Nachschlag zahlen - addiert wären dies im Extremfall wohl rund 1,5 Milliarden Euro.
Die Deutsche Bank sieht das naturgemäß anders, ihre Anwälte erklären in einer Stellungnahme, die der WirtschaftsWoche vorliegt, die Klagen gegen sie seinen "unschlüssig" und "abzuweisen".
Einige der Kläger hatten Anfang des Jahres aber zusammen mit der auf solche Massenverfahren spezialisierten Kanzlei Hausfeld zu einer Musterklage aufgerufen. Vor dem Hintergrund sei es nicht "prozessökonomisch", die Verfahren derzeit weiter zu betreiben, heißt es in der Stellungnahme der Anwälte. Statt dessen beantragt die Bank ebenfalls ein Musterverfahren und stellt fest, zu keinem Zeitpunkt verpflichtet gewesen zu sein, "ein Pflichtangebot für alle Aktien der Deutschen Postbank AG zu veröffentlichen".
Bei der Deutschen Bank heißt es, dass sie weiter optimistisch sei, die Prozesse zu gewinnen. Trotzdem zeigt ihr aktueller Geschäftsbericht, dass die Deutsche Bank die Prozesse mittlerweile ernst nimmt. In der umfangreichen Auflistung aller Rechtsverfahren tauchen die Aktionärsklagen erstmals auf. Ob die Bank für den Fall einer Niederlage Rückstellungen gebildet hat, lässt sie offen.