Seit dem sie bei der Verbraucherzentrale arbeitet, landen immer wieder Beschwerden über die Paketzustellung auf Iwona Husemanns Schreibtisch. Die Anwältin kennt sich aus im Postrecht und mit dem Onlinehandel, sie schrieb Mails, beantwortete Fragen, half den Verbrauchern.
Doch irgendwann waren es zu viele Beschwerden über verspätete und vermisste Pakete, über unfreundliche Zusteller oder zerstörte Kartons. Die Klagen häuften sich, doch all der Frust und Zorn war in dieser Form kaum auszuwerten, erzählt Iwona Husemann. Wir brauchen verlässlichere Daten, beschlossen die Mitarbeiter der Verbraucherzentrale. Deshalb gründeten Sie vor zwei Jahren das Portal Paket-Ärger.de. Seit dem sind dort mehr als 21.000 Beschwerden eingetroffen.
Das Paket soll zur Wunschzeit am Wunschort ankommen, lautet das Versprechen der Paketdienste. Dafür haben sie die Zustellung am gleichen Tag eingeführt, am Abend, deshalb haben sie Packstationen errichtet und Paketshops eröffnet. Und doch erfüllt sich die Versprechen selten. Die Nachfrage nach all den bequemen Leistungen wächst schneller als das Angebot.
Der Onlinehandel hat die Logistik überholt. Und so fehlt es an allem: An Zustellern, an einer besseren Infrastruktur und an Geld, um diese auszubauen. Der Kunde wird zum Regisseur seiner Sendung und steuert sie dorthin, wo er sie haben will? Bisher bleibt diese Vision eine Illusion. Statt Wünsche zu erfüllen, sorgt die Branche bei ihren Kunden vor allem für Verdruss.
Tausend Beschwerden mehr als 2016
Menschen wie Iwona Husemann sammeln diesen Verdruss. Sie will vermitteln, wenn die Service-Hotlines der Paketdienste nicht mehr weiterhelfen. Das Team hinter Paket-Ärger.de leitet die Beschwerden an die Dienstleister weiter und macht auch Druck, damit die Anbieter Verbesserungen durchsetzen. Eine andere Anlaufstelle ist die Bundesnetzagentur, sie ist die zuständige Aufsichtsbehörde für die Deutsche Post und ihre Konkurrenten. Seit Jahren verzeichnet sie steigende Beschwerdezahlen. Mit 5000 Beschwerden rechnet die Behörde in diesem Jahr. Das wären tausend mehr als noch vor einem Jahr.
Auch die WirtschaftsWoche hat Leser in den vergangenen Tagen nach ihren Erfahrungen mit den Paketdiensten befragt. „Das ist keine Serviceverbesserung, das ist einfach Klauen – wenn man Geld nimmt und die Leistung nicht erfüllt“, schimpft eine Leserin. Andere klagen, dass die Paketboten die Abstellgenehmigungen ignorieren „Von zehn Zustellungen landen sieben beim Nachbarn, zwei in der Filiale und eine am erlaubten Ort.“ Und viele kritisieren die Arbeitsbedingungen: „Die Auslieferer sind vollkommen überfordert“, schreibt eine Leserin.
Die Paketdienste argumentieren gerne mit dem Gesetz der großen Zahl. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr mehr als drei Milliarden Pakete zugestellt, und jedes Jahr werden es noch mehr. Wenn dabei nur in einem von tausend Fällen etwas schieflaufe, müssen diese Fehler schon aufgrund der schieren Menge der Pakete auffallen. So gesehen seien die Zahlen der Klagen bei Bundesnetzagentur und Verbraucherzentrale doch noch verschwindend gering.
Iwona Husemann sieht das anders. „Die Beschwerden, die bis zu uns vordringen, sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagt sie. „Es gibt tausende verärgerte Kunden, die den Aufwand vielleicht nicht auf sich nehmen.“
Um die 95 Prozent der Pakete würden beim ersten Versuch vorgestellt, berichten die Paketdienste. Doch erfolgreich zugestellt, das sind in der Statistik der Unternehmen auch all die Pakete, die der Zusteller bei einem Nachbar oder einem Paketshop abgeliefert hat. Hauptsache, die Sendung wird nicht mit zurück ins Lager genommen. Ob der Empfänger seine Lieferung wirklich beim Nachbar findet oder welchen Weg und welche Wartezeit er bis zum Paketshop hinnehmen muss, ist für die Statistik irrelevant.