Air Berlin Fluggesellschaft als eigenständige Firma nicht überlebensfähig

Die Bundesregierung hat dem Übernahmemodell des Unternehmers Hans-Rudolf Wöhrl für den Kompletterwerb der insolventen Air Berlin eine Absage erteilt.

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Wer um Air Berlins Zukunft ringt
Nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin zeichnet sich ab, dass die Fluggesellschaft von mehreren Konkurrenten übernommen wird. Ganz vorn dabei ist der deutsche Marktführer Lufthansa. Die Verhandlungen laufen seit Freitag. Zu den Akteuren gehört ein Leiter des Insolvenzverfahrens und indirekt auch die Bundesregierung. Ein Überblick. Quelle: dpa
LufthansaDer umsatzstärkste Luftverkehrskonzern Europas treibt die Übernahme der Air Berlin bereits seit Monaten in Gesprächen mit der Politik und dem Großaktionär Etihad voran. Ein erster Erfolg war die im Januar genehmigte Anmietung und faktische Übernahme von 38 Mittelstrecken-Maschinen, rund ein Viertel der Air-Berlin-Flotte. Lufthansa-Chef Carsten Spohr will nun mindestens ein weiteres Viertel für seine Billigflieger-Gruppe Eurowings sichern, die zusätzliche Maschinen und Slots für die Mittel- und die Langstrecke sucht. Für sein Ziel, den Billigflieger Ryanair von den größeren deutschen Flughäfen so weit es geht fernzuhalten, muss Spohr aus Wettbewerbsgründen größere Marktanteile anderer Anbieter wie der Easyjet in Kauf nehmen. Quelle: dpa
Andere InteressentenAußer der Lufthansa sind nach Angaben von Air Berlin noch zwei weitere Interessenten im Geschäft. Nach dpa-Informationen sind Gespräche mit Easyjet und Tuifly geplant. Der Reiseveranstalter Thomas Cook mit seiner Ferienflugtochter Condor bekundete Interesse an einer „aktiven Beteiligung an der Zukunft von Air Berlin“. Ein Teil der Thomas-Cook-Feriengäste kommt mit Air Berlin ans Ziel. Quelle: dpa
EtihadDer Staatskonzern aus Abu Dhabi ist seit 2012 Großaktionär von Air Berlin mit einem Anteil von 29,2 Prozent. Wenige Tage, nachdem Etihad die Unterstützung entzogen hatte, sah sich Air Berlin zur Insolvenzanmeldung gezwungen. Ein Großteil der Schulden von Air Berlin in Höhe von 1,5 Milliarden Euro dürfte am Partner hängenblieben, der mehrere Kredite gegeben hat. Etihad wehrt sich gegen den Eindruck, Air Berlin im Stich gelassen zu haben. Das Unternehmen habe im April nochmals 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Angesichts der „sich rapide verschlechternden Geschäftsergebnisse und Liquidität“ wollte Etihad aber nicht noch mehr Geld in Air Berlin pumpen. Quelle: REUTERS
RyanairDer Passagier-Europameister Ryanair hat bereits mehr als 300 Flugzeuge und bekommt grob gesagt jedes Jahr 50 neue hinzu, für die in ganz Europa Punkt-zu-Punkt-Strecken gesucht werden. Derzeit gilt das größte Interesse der Iren Deutschland und Italien, wo mit Alitalia und Air Berlin jeweils eine verkehrsreiche Airline in die Insolvenz gegangen ist. Deren Verbindungen würde Ryanair-Chef Michael O'Leary liebend gern übernehmen, die Flugzeuge und teils teuren Crews eher nicht. In Italien gehört Ryanair zum Bieterkreis für das Alitalia-Erbe, in Deutschland fühlen sich die Iren durch den Lufthansa-Deal ausgebootet und haben kartellrechtliche Schritte angekündigt. In der politischen Auseinandersetzung macht ihnen ihr schlechtes Sozial-Image als Arbeitgeber zu schaffen. Quelle: REUTERS
InsolvenzexpertenGleich zwei Top-Sanierungsexperten des Landes sind in die Rettungsbemühungen involviert. Der Düsseldorfer Jurist Frank Kebekus (rechts) sitzt als Generalbevollmächtigter an der Seite von Air-Berlin-Vorstandschef Thomas Winkelmann im Cockpit. Sein Credo: So viel „business as usual“ hinbekommen. Das Duo Kebekus/Winkelmann leitet die Verkaufsverhandlungen. Der zweite Insolvenzexperte, Lucas Flöther, überwacht als vorläufiger Sachwalter im Auftrag der Gläubiger alle Vorgänge. Beide Rechtsanwälte kennen einander seit Jahren vom Gravenbrucher Kreis. In diesem Verband sind die 30 führenden Insolvenzverwalter organisiert. Kebekus war zuletzt unter anderem als Insolvenzverwalter beim Modekonzern Steilmann gefragt. Flöther wurde bereits zwei Mal mit der Rettung des Fahrradherstellers Mifa betraut und beschäftigte sich mit der Pleite des Leipziger Internetunternehmens Unister. Quelle: dpa
BundesregierungDie Bundesregierung hat es durch schnelles Handeln ermöglicht, dass über die Zukunft Air Berlins in halbwegs geordneten Bahnen geredet werden kann. Ohne den Brückenkredit von 150 Millionen Euro hätte die Fluggesellschaft sofort den Betrieb einstellen müssen, Zehntausende Passagiere wären an ausländischen Flughäfen gestrandet. Nun hält es Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile der insolventen Airline übernimmt. Allerdings sitzt die Regierung nach eigenen Angaben nicht mit am Verhandlungstisch. Quelle: dpa

"Das Modell Air Berlin als eine eigenständige Airline ist ja gescheitert", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) am Samstag dem InfoRadio des rbb. Dies aber ist das Ziel, das Wöhrl und seine Partner mit ihrer Übernahmeofferte verfolgen. Machnig dagegen führte an, man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Fluggesellschaft mehrere Partner brauche, um dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern eine längerfristige Perspektive bieten zu können. Diese Zielsetzung müsse Vorrang haben. Gesucht würden nun geeignete Partner dafür.

Den Vorwurf von Wöhrl und Ryanair-Chef Michael O'Leary, die Insolvenz könnte ein abgekartetes Spiel von Politik und Unternehmen sein, um das Gros von Air Berlin möglichst billig dem deutschen Marktführer Lufthansa zuzuschanzen, wies Machnig als "nun wirklich abwegig" zurück. Die Bundesregierung sei erst am späten Freitagabend über die Probleme informiert worden und auch die anderen Akteure, etwa bei Air Berlin selbst, seien nach seinem Eindruck überrascht worden, dass der bisherige Partner Etihad der deutschen Airline den Geldhahn zugedreht habe.

Wenn Ryanair-Chef O'Leary interessiert sei, etwas zur Lösung beizutragen, könne er sich melden. "Ich bin gerne zu Gesprächen bereit", bot Machnig an.

Nach ersten Gesprächen zwischen Lufthansa und Air Berlin machte Machnig deutlich, es solle ein Weg gefunden werden, eine sichere Perspektive insbesondere auch für die Beschäftigten zu schaffen. Eine Vereinbarung müsse am Ende auch die Zustimmung der Mitarbeiter finden. "Ich sage noch mal: Es wird keinen Zuschlag allein an Lufthansa geben." Das sei schon kartellrechtlich und wettbewerbsrechtlich nicht möglich. Die Bundesregierung selbst sei zwar nicht Teil der Verhandlungen, habe ihre Erwartungen aber den Verhandelnden klargemacht. "Ich glaube auch, das ist verstanden worden", sagte Machnig.

Air Berlin hatte Anfang der Woche überraschend Insolvenzantrag gestellt, nachdem Großaktionär Etihad eine Finanzzusage zurückgezogen hatte. Die Bundesregierung sagte daraufhin einen von ihr verbürgten Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro zu, um den Weiterbetrieb zu ermöglichen und Zeit für eine Übernahme zu schaffen.

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