Chancen: Die Lufthansa will es und das Gros der Politprominenz will es. Mitbewerber, Kartellrechtler und Verbraucherschützer raufen sich freilich die Haare ob des kommenden "Champions der deutschen Luftfahrt". Sie können aber vermutlich höchstens den möglichen Schaden begrenzen. Dass die Lufthansa ein ordentliches Stück von der Insolvenzmasse bekommt, scheint unausweichlich. Doch im Bieterwettbewerb könnte Lufthansa nur die Hälfte der erhofften Air Berlin Anteile in der Größenordnung von bis zu 50 Jets bekommen. Und wenn es ganz schlecht läuft auch gar nichts.
Die Erfüllungsgehilfen
Denn weil die Marktwächter eine Komplettübernahme von Air Berlin ausgeschlossen haben, muss mindestens eine weitere Fluggesellschaft einen Teil bekommen:
Team Lauda: Das Konsortium aus Lauda und Thomas Cook interessiert sich vor allem für den Niki genannten Ferienflieger, mit dem Air Berlin auch die Verbindungen abseits ihrer Drehkreuze Düsseldorf und Berlin-Tegel abflog. Dafür dürften das alpenländisch-britische Team die größten Chancen haben. Zwar hat sich der Reisekonzern bisher noch nicht offiziell geäußert. Doch anders als sein alpenländischer Partner haben Condor-Chef Ralf Teckentrup und sein Team den nötigen Stand im Reisemarkt um die Kapazität ihres Air-Berlin-Teils zu vermarkten.
Chancen: Gut. Die Kombi Lauda/Cook bietet eine von der Politik gewünschte heimische Lösung. Der Verbund dürfte die übernommenen Teile zu einem Billigflieger umbauen. Sie würden auch neue Strecken bedienen und bestehende länger anbieten – und so eine verlässliche Konkurrenz zu Lufthansa/Eurowings darstellen.
Die Chronik von Air Berlin
Vor 38 Jahren hob der erste Air-Berlin-Flieger ab. Alles begann mit alliierten Sonderrechten zur Landung im geteilten Berlin. Nach der Wende wuchs Air Berlin zur Nummer Zwei am Himmel über Deutschland heran, doch dann folgte eine jahrelange Krise.
1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Pilot Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.
1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag. Air Berlin expandiert und stationiert zunehmend auch Flugzeuge auf Regionalflughäfen.
1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft.
Einstieg zu 25 Prozent bei der österreichischen Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda.
Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba.
Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge.
Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, legt das erste Sparprogramm auf: Strecken fallen weg, Flugzeuge werden ausgemustert. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.
Air Berlin kündigt für 2012 den Eintritt in das Luftfahrtbündnis Oneworld an.
Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm soll das operative Ergebnis um 200 Millionen Euro verbessern. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.
Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Airline mit einem 255-Millionen-Dollar-Kredit. Ein neues Sparprogramm beginnt. Der Verkauf des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad bringt nur vorübergehend wieder schwarze Zahlen.
Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das von Mehdorn im Vorjahr aufgelegte neue Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.
Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.
Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden.
Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.
Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt. Ein 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes soll den Flugbetrieb zunächst sichern.
Fast 40 Jahre nach dem Start der ersten Air-Berlin-Maschine in Berlin-Tegel landet am 27. Oktober 2017 um 23.45 Uhr der letzte Air-Berlin-Flieger dort. Die Zukunft der Angestellten und vieler Unternehmensteile ist zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.
Easyjet: Europas größter Billigflieger hat sich als einziger Favorit nicht mal indirekt zu seinem Übernahmeangebot geäußert. „Sie waren aber im Datenraum“, bestätigt ein Insider. Easyjet interessiere sich vor allem die Flüge ab Düsseldorf. „Hier eine große und zu verteidigende Basis aufzubauen, passt perfekt in deren Strategie“, heißt es in einer Studie der Investmentbank HSBC. Dabei könnte Easyjet auch erstmals innerdeutsche Flüge aufnehmen. „Das ist zumindest auf den stark frequentierten Strecken ein interessanter Markt“, sagte die scheidende Konzernchefin Carolyn McCall der WirtschaftsWoche im Frühjahr 2016.
Chancen: Fast so gut wie bei Niki Lauda und Condor. Easyjet hat angesichts seiner starken Finanzen das Geld, um fast jeden Kaufpreis zu zahlen. Gegen Easyjet spricht allerdings, dass sie in der Vergangenheit auch viele Routen aufgegeben hat.