Air Berlin vor Ende der Bieterfrist „Alle Bekloppten haben sich gemeldet“

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Wer am Ende übrig bleibt

Utz Claassen:  Zuletzt war es vergleichsweise ruhig um Utz Claassen. Anfang September meldete sich der streitbare Manager (u.a. Sartorius, EnBW, Solar Millennium und Mifa) zurück. Laut Presseberichten teilte Claassen dem Air-Berlin-Sachverwalter Lucas Flöther mit, dass er "hochpotente und hochseriöse internationale Investoren" angesprochen habe. Diese Personen - laut eigenen Angaben alle freundschaftlich mit Claassen verbunden - wollen die Fluggesellschaft als Ganzes kaufen und sanieren.  Ziel sei es "einen möglichst großen Anteil der Arbeitsplätze" zu sichern. Ein 17-seitiges Angebot zur "Komplettübernahme und expansiven Sanierung", erfuhr das Handelsblatt, solle fristgerecht eingereicht werden.

Angeblich wollen Claassen und sein Investorenclub aus den USA, Großbritannien, Singapur und Deutschland demnach 100 Millionen bezahlen und noch 600 Millionen Liquidität drauf packen. Claassen will alle Beschäftigten übernehmen wenn die „wettbewerbsgerechten Vergütungsstrukturen“ zustimmen. 

Nicht bekannt ist hingegen, wie genau Claassen den Konzern drehen will. Doch das dürfte nicht ganz einfach werden, denn er darf mit Feuer von allen Seiten rechnen. Die Gewerkschaften werden „wettbewerbsgerechten Vergütungsstrukturen“ mit Lohnkürzungen übersetzen und sich wehren. Dazu werden sich Wettbewerber nun mit Freude gegen den Neuling wenden. Selbst die Lufthansa kann nun mit aller Kraft kämpfen, weil der neue Wettbewerber ja den Konflikt gerade sucht. Und zu guter Letzt ist die Frage, wie Classens Club das größte Problem von Air Berlin lösen will: das nach den vielen Flugabsagen und Pannen massiv lädierte Vertrauen der Kunden. 

Chancen: Der umstrittene Utz Claassen als Retter der insolventen Airline? Das sorgte für überraschte Gesichter, zumal der umtriebige Multi-Investor bislang keine Erfahrungen in der Luftfahrtindustrie hat und unklar ist, ob zumindest einer seiner Partner über fliegerisches Fachwissen verfügt. So bleibt der Eindruck: Die Sanierung von Air Berlin in einem extrem umkämpften Markt wäre für den umtriebigen Manager wohl eine Nummer zu groß. „und wir wollen ja nicht in einem Jahr wieder nach Berlin kommen, weil die Linie dann erneut am Abgrund steht“, heißt es im Unternehmens-Umfeld.

Zeitfracht: Auch der Berliner Logistikdienstleister Zeitfracht wollte Air Berlin als Ganzes übernehmen. Doch was genau er vorhat, ist völlig unklar.

Chancen: Der Mittelständler könnte für eine einstelligen Millionenbetrag vielleicht bei der Leisure Cargo genannten Frachttochter zu Zuge kommen. Aus den Bilanzen seiner Firmengruppe ist nicht ersichtlich, wie er den Kaufpreis von mindestens 150 Millionen und dann die zu erwartenden Betriebsverlust von wahrscheinlich 300 Millionen allein im ersten Jahr tragen kann.

Alexander Skora:  Neu in der Flugbranche wäre auch dieser Unternehmer aus Berlin. Bislang macht Skora sein Geld mit Mietshäusern und Hostels. Er tönte kämpferisch, Air Berlin samt Flugrouten retten zu wollen. Notfalls würde er auch eine neue Fluggesellschaft gründen und die Start- und Landerechte übernehmen. Das sei gar nicht so schwierig, erklärte Skora selbstbewusst der Berliner Zeitung. „Einen Riesenmarkt“ an Flugzeuganbietern gebe es, ebenso Piloten und Techniker. „Berlin ohne eine eigene Airline – das geht gar nicht“,  so Skora weiter. 

Die spektakulärsten Airline-Pleiten
Mit Air Berlin hat die zweitgrößte Airline Deutschlands Insolvenz angemeldet. Die Pleite bahnte sich seit längerem an: Das Unternehmen mit rund 8.600 Beschäftigten schrieb seit Jahren Verluste und hielt sich hauptsächlich durch Finanzspritzen ihres Großaktionärs Etihad noch in der Luft. Am Freitag drehte die nationale Airline der Vereinigten Arabischen Emirate den Berlinern aber den Geldhahn zu. Mit dem Kredit von 150 Millionen Euro stellt nun der Bund den Flugbetrieb vorerst sicher. Quelle: dpa
Air Berlin ist kein Einzelfall. Die goldenen Zeiten der Luftfahrt sind seit der Liberalisierung des Marktes, die in den 1980er-Jahren einsetzte, vorbei. Seitdem regiert ein knallharter Wettbewerb die Lüfte. Auch die Branchenkrise nach den Anschlägen des 11. September 2001 und das Aufkommen der Billigflieger sorgen dafür, dass viele bekannte Airlines in die Pleite gerutscht sind. Quelle: dpa
Wie kein zweites Unternehmen stand „Pan Am“ für das glamouröse Jet-Zeitalter. 1927 flogen die ersten Postflugzeuge unter dem Namen zwischen Florida und Havanna. Schnell wurde das Unternehmen zu einer der größten US-Fluggesellschaften. Die Airline war eine der ersten, die Interkontinentalflüge anbot, und setzte zahlreiche Standards in der zivilen Luftfahrt. Das blau-weiße „meatball“-Logo von Pan American genießt bis heute Kultstatus. Quelle: imago images
In den 1980er-Jahren begann der Stern von Pan Am zu sinken. Durch die Deregulierung des US-Marktes kamen zahlreiche Konkurrenten auf. 1988 wurde über dem schottischen Lockerbie eine Maschine durch einen Terroranschlag zum Absturz gebracht, was das Vertrauen der Öffentlichkeit erschütterte. 1991 folgte die Übernahme durch Delta Air Lines. Quelle: imago images
Auch TWA gehörte zu den Pionieren der Luftfahrt. Gegründet 1930 als „Transcontinental and Western Air“, machte der exzentrische Milliardär Howard Hughes („The Aviator“) das Unternehmen zur zeitweise größten Airline der Welt. Hinter Pan Am war TWA die inoffiziell zweite Flaggschiff-Gesellschaft der USA. 1985 kaufte der Investor Carl Icahn TWA. Quelle: imago images
In den 1990er-Jahren musste TWA zwei Mal in kurzer Folge Gläubigerschutz beantragen. 1996 starben beim Absturz einer Boeing 747 über dem Atlantik 230 Menschen. Die stark geschrumpfte Airline kam 2001 wieder in finanzielle Schwierigkeiten und wurde von Konkurrent American Airlines übernommen. Quelle: picture alliance
1931 gegründet galt die Airline wegen ihrer finanziellen Stabilität lange als „fliegende Bank“. Aufgrund der politischen Neutralität der Schweiz konnte SwissAir zahlreiche lukrative Ziele in Afrika und im Nahen Osten anfliegen. Quelle: picture alliance

Ähnlich unkonkret ist auch der Rest des bislang bekannten Plans: Finanziellen Spielraum will sich der Berliner angeblich verschaffen, indem er gemeinsam mit einem Konsortium aus israelischen, kanadischen und US-Investoren bietet.
Chancen: Legt Skora nicht ein wesentlich detailliertes Angebot vor, kann sein Interesse an  Air Berlin wohl als PR-Stunt abgehakt werden. Dass einem Branchenfremden gelingt, woran Luftfahrt-Manager gescheitert sind, gilt als unwahrscheinlich.

Fazit

Und so läuft es am Ende zwar alles auf eine Aufteilung zwischen Lufthansa, Lauda und Easyjet hinaus. Doch wer genau wie viel bekommt und ob nicht doch einer ganz leer ausgeht, bleibt offen. Und nur Insolvenzverwalter Lukas Flöther weiß mehr. Aber auch erst, wenn er ab morgen Nachmittag alle Angebote im Detail sichten kann.

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