Bundeswehr-Werbeaktion Mali statt Mallorca

Die Bundeswehr wirbt gezielt um Flugbegleiter der insolventen Fluglinie Air Berlin. Was das pfiffige Plakat verschweigt: Bei einem Wechsel erwartet die Mitarbeiter mehr als nur ein Wechsel der Uniform.

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Truppentransporter der Bundeswehr. Quelle: dpa

Berlin Im „Showroom“ der Bundeswehr in Berlin-Mitte liegt seit vergangener Woche ein neuer Flyer aus. Darauf zu sehen: ein zerbrochenes Air-Berlin-Schokoherz – und daneben ein unbeschädigtes Herz in Tarnfarben, mit der Aufschrift „airbundeswehr“. Darüber prangt der Aufruf: „Flugbegleiter? Jetzt umsteigen!“

So wirbt die Bundeswehr derzeit auch im Netz oder auf Plakaten gezielt um Flugbegleiter der insolventen Fluglinie. Im „Showroom“, wo Soldaten über Jobs und Ausbildungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr informieren, sind die Air-Berlin-Flyer schon fast vergriffen. „Es kamen schon einige interessierte Flugbegleiter hier vorbei“, bestätigt ein junger Soldat, der im Showroom als Karriereberater arbeitet. Großer Andrang herrscht allerdings trotzdem nicht. An diesem verregneten Montagmittag ist er mit den drei uniformierten Schaufensterpuppen allein im Showroom.

Die Bundeswehr wittert in der Air-Berlin-Pleite die Chance, 40 freie Flugbegleiter-Stellen bei der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums zu besetzen. Die sogenannten Lufttransportbegleitfeldwebel schenken an Bord der Regierungsjets Getränke und Speisen aus, wenn Minister ins Ausland reisen oder betreuen Soldaten auf dem Weg in den Auslandseinsatz.

Zynisch? Die Bundeswehr wirbt um Air Berlin-Mitarbeiter. Quelle: Screenshot

„Abwechslungsreiche Aufträge vom humanitären Einsatz bis zu VIP-Flügen“, heißt es auf dem Flyer. Und ein Sprecher des Verteidigungsministeriums versichert: „Lufttransportbegleitfeldwebel nehmen grundsätzlich die gleichen Tätigkeiten wahr wie die bei einer zivilen Fluggesellschaft beschäftigten Flugbegleiter."

Der Showroom-Mitarbeiter betont hingegen, er mache Interessierten durchaus deutlich, worauf sie sich einlassen: „Wir fliegen nicht nach Mallorca, sondern nach Mali oder Afghanistan.“ Bewerber müssen wie alle anderen Rekruten auch eine Grundausbildung absolvieren und sich für 15 Jahre als Soldat auf Zeit verpflichten. Im Ernstfall müssen sie für Deutschland kämpfen. Bei Evakuierungsflügen aus Krisengebieten kümmern sie sich an Bord nicht um entspannte Urlauber, sondern um Verletzte oder Traumatisierte.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Bundeswehr mit ungewöhnlichen Werbeaktionen auf sich aufmerksam macht. Bei der Spielemesse Gamescom in Köln biederte sich die Armee mit einer eigens entwickelten App an militäraffine Gamer an. Mit Virtual-Reality-Brillen können Interessenten echte Auslandsmissionen der Bundeswehr verfolgen.

Für YouTube produzierte die Bundeswehr die Serie „Die Rekruten“, die im vergangenen Jahr das Leben von zwölf jungen Bundeswehrsoldaten begleitete. Die lief so erfolgreich, dass seit vergangener Woche mit „Mali“ eine weitere Webserie läuft. Sie dokumentiert den Auslandseinsatz von acht Berufssoldaten in Afrika.

Seit Aussetzen der Wehrpflicht muss sich die Bundeswehr immer neue Methoden zur Nachwuchsrekrutierung einfallen lassen. Jedes Jahr steckt sie rund 35 Millionen Euro in Plakatkampagnen, Werbespots im Internet und Karrieretrucks auf Jobmessen. Allein die aktuelle Air-Berlin-Kampagne kostet laut Verteidigungsministerium 119.000 Euro.

Was ist eine Transfergesellschaft?

Die Maßnahmen zeigen jedoch offenbar Wirkung: 2016 stellte die Bundeswehr elf Prozent mehr Soldaten ein. Und der Trend setzt sich 2017 fort. In diesem Jahr nahm die Armee bereits 23.100 Menschen unter Vertrag - fast so viele wie im gesamten Vorjahr.

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