Deutsche Bahn Cargo Sicherheitsabläufe bremsen den Güterverkehr

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Die letzten deutschen Fürstentümer

Doch all diese Verbesserungsmöglichkeiten werden seit Jahrzehnten ignoriert. Den tiefsten Dornröschenschlaf gönnte sich die Deutsche Bahn. Die Güterbahntochter DB Cargo vermiest dem Konzern seit Jahren die Bilanzen. 2016 sank der Umsatz um vier Prozent auf 4,6 Milliarden Euro. Zwar leidet DB Cargo besonders stark darunter, dass deutsche Bodenschätze nicht mehr so stark nachgefragt werden. Doch die andere Wahrheit ist die „mangelnde Innovationsorientierung und -finanzierung“, wie es der Vorstand in einer internen Analyse über die eigenen Schwachstellen nennt. Es gebe ein „Problem zügiger Umsetzung von Innovationen wegen mangelnder Gewinne“ und „zu lange Innovationszyklen für neue Produkte, Geschäftsmodell und Technologien“. Das Papier zählt auf, was Experten lange fordern: etwa „intelligente“ Lokomotiven und Wagen, die Standort, Ladung und Zustand der Bremsen melden. Also technische Ausstattungen, die seit Jahren existieren.

"Kein Grund, irgendwelche Namen ins Gespräch zu bringen"
Kanzlerkandidat Martin Schulz Quelle: REUTERS
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt Quelle: dpa
Auf die Frage nach den Aussichten des früheren Kanzleramtsministers und Bahn-Vorstandsmitglieds Ronald Pofalla (l) sagte Dobrindt: „Wir gehen jetzt einfach auf die Suche. Es gibt jetzt überhaupt keinen Grund, im Vorfeld schon irgendwelche Namen ins Gespräch zu bringen.“ Quelle: dpa
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer Quelle: dpa
SPD-Verkehrspolitikers Martin Burkert Quelle: dpa
Der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) Quelle: dpa

Aber jetzt kommt Jürgen Wilder. Er ist der neue Mann, der DB Cargo auf die Erfolgsspur bringen will. Doch die guten Absichten treffen auf eine ängstliche Belegschaft. Denn aus ihrer Sicht sind beide Perspektiven verheerend. Bleibt alles beim Alten, geht die Branche im Konkurrenzkampf unter. Stellt sie sich modern auf, fallen Arbeitsplätze in der Lok und beim Rangieren weg. Deswegen schalten die Arbeitnehmer reflexhaft auf stur. Einen Sanierungsplan des Cargo-Managements haben sie erst in letzter Minute akzeptiert. Bis Anfang Februar sprachen die Beteiligten noch vom „Häuserkampf“. Nun einigten sie sich auf den Abbau von rund 2000 Arbeitsplätzen.

Doch bei dem Widerstand ging es nicht nur um Jobs, sondern vor allem um die neue Betriebsstruktur. Aus neun Managementregionen machte das Unternehmen drei, um eine bessere Betreuung eines Zuges sicherzustellen. Die Umstrukturierung gelang nur, nachdem das Management versprach, die Wahlbezirke für die neun Betriebsräte unangetastet zu lassen. „Einige Arbeitnehmervertreter wollten ganz offensichtlich ihre Fürstentümer“ verteidigen, sagen Insider.

Auch dieses Bild fügt sich gut in die Geschichte um den Absturz der Güterbahn ein. Die letzten deutschen Fürstentümer wurden nämlich während der industriellen Revolution eigentlich abgeschafft.

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